Daniel Strassberg: „Spektakuläre Maschinen. Eine Affektgeschichte der Technik”

Maschinen als Spiegel des Menschen

05:50 Minuten
Das Cover des Buches von Daniel Strassberg "Spektakuläre Maschinen. Eine Affektgeschichte der Technik" zeigt hunderte schwarze Punkte, die Maschinenräder bilden, die ineinander greifen.
© Matthes&Seitz Berlin

Daniel Strassberg

Spektakuläre Maschinen. Eine Affektgeschichte der TechnikMatthes & Seitz, Berlin 2022

448 Seiten

28,00 Euro

Von Vera Linß |
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Technik ruft ambivalente Gefühle hervor. Ein Blick in die Geschichte der Maschinen kann helfen, damit konstruktiv umzugehen, meint der Psychoanalytiker Daniel Strassberg.
Von Maschinen fühlen sich die Menschen schon seit Jahrhunderten bedroht. Aktuell treibt etwa die Angst vor Künstlicher Intelligenz viele um. So glauben 41 Prozent der Deutschen, dass diese die Menschheit vernichten könnte, so eine Umfrage der Frankfurter Kommunikationsagentur Syzygy AG. Was dabei meist nicht zur Sprache kommt: KI begeistert gleichzeitig auch. Und das ist ganz normal.
Angst und Faszination gegenüber Technik sind schon immer die zwei Seiten der Medaille, sagt der Psychoanalytiker und Philosoph Daniel Strassberg. Allerdings werde diese Ambivalenz viel zu wenig thematisiert. Deshalb seien Debatten um Technik oft „so laut wie flach“. Dabei lässt sich die Angst vor unerwünschten Nebenwirkungen mit einem Blick in die Vergangenheit durchaus relativieren.

Fulminanter Streifzug durch Technikgeschichte

In seinem fulminanten Streifzug durch die Technikgeschichte der Menschheit zeigt Daniel Strassberg: Nicht von den Maschinen selbst geht die Gefahr aus. Sie sind nur der Gegenstand, an dem sich Konflikte entzünden. Und diese sind das Ergebnis einer Mischung aus „unbewussten Fantasien über dieses Objekt, dem technischen Wissen und den jeweiligen Selbstverhältnissen“, also der konkreten gesellschaftlichen Situation.
Wie komplex dieser Prozess ist, beweist schon der Fakt, dass sich die Erwartung an Maschinen permanent gewandelt hat – und damit auch das Verhältnis, das Menschen zu ihnen haben. Spektakulär sollten sie anfangs sein, lediglich für Entzücken sorgen. Wie der Flötenspieler von Vaucanson oder die Venus electrificata, der (elektrische) „Kuss von Leipzig“.
Ab dem 18. Jahrhundert kamen neue Funktionen hinzu: Nützlichkeit und ökonomischer Vorteil waren nun ebenso gefragt wie die Möglichkeit, mit Hilfe der Maschinen über Naturgesetze aufzuklären oder gleich ganze Weltbilder zu zertrümmern. Die mechanische Uhr etwa schuf die Idee eines sich selbst steuernden Gegenstandes. Sie strukturiert den Tag – unabhängig von Gott.

Welche Gefühle lösen Maschinen aus

Dem Psychoanalytiker Daniel Strassberg geht es aber nicht allein um die Technikvielfalt. Entscheidend für ihn ist, welche Affekte diese Erfindungen bei den Menschen auslösen. Begeisterung, Erstaunen und Aufbruchstimmung, aber auch Irritation, Demut und Angst – all das ist bis heute mit der Maschine verbunden.
Dahinter stecke eine verstörende Grunderfahrung: "Der menschliche Verstand erschafft etwas, was diesen selbst übersteigt." Und Strassberg benennt noch ein weiteres – in Zeiten von KI besonders beunruhigendes – Kontinuum: die Suche nach dem Alleinstellungsmerkmal gegenüber der Maschine, der anthropologischen Differenz. Immer wieder tauche die Frage auf: Was besitzt der Mensch noch, was die Maschine nicht hat, nicht haben kann und nie haben wird?
Daniel Strassbergs wunderbar lehrreiches Buch ist der Vorschlag, sich dieser Frage zu stellen und seine Ängste über Bord zu werfen, denn er lenkt den Blick weg von der Fixierung auf die Technik hin zum Menschen, indem er zeigt, dass die Maschine ein Spiegel des Menschen und seiner (unerfüllten) Wünsche ist. Worin diese bestehen, darüber muss er sich immer wieder neu klar werden.

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