Daniela Krien: "Der Brand"
Diogenes, Zürich 2021
272 Seiten, 22 Euro
Wenn das eigene Haus brennt
14:32 Minuten
Peter und Rahel leben in Dresden, er ist Professor, sie Psychotherapeutin. Erst kommt für Peter die Ehekrise, dann nach einer ignoranten Äußerung auch noch der Shitstorm. In „Der Brand“ erzählt Daniela Krien von Konflikten, die schon lange schwelen.
In ihrem neu erschienen Buch "Der Brand" erzählt Daniela Krien von einem mittelalten Ehepaar. Peter ist ein zurückgezogener Literaturprofessor und Rahel eine angesehene Psychotherapeutin. Seit fast 30 Jahren sind sie nun verheiratet. Obwohl sie angekommen sind, gut verdienen, zwei Kinder großgezogen haben, gerät ihr Leben ins Wanken: Ihre Liebesbeziehung steht vor dem Ende und beide haben es zuerst nicht wahrgenommen – bis ein Haus brennt.
Die Autorin Krien sagt, sie interessiere es, wie man es schafft, zusammenzubleiben, wenn die Gefühle nachlassen oder sich verändern. "Es entspricht gerade meiner Lebenswelt", sagt sie. Die beiden Hauptfiguren hätten sich durch bestimmte Ereignisse voneinander entfremdet. Während Rahel tief unglücklich darüber sei, stelle Peter nicht gleich die ganze Beziehung infrage. Trotzdem wolle sie die Ehe noch retten.
Besonders in ihrem eigenen Umfeld habe sie ähnliche Prozesse miterlebt und Gespräche über vergehende Liebe und deren Rettungsversuche mitgehört, sagt Krien.
Der Rückzug ins Private
Zu den individuellen Problemen, die die beiden Figuren haben, kommen im Laufe des Romans noch gesellschaftliche Konflikte hinzu. In einer Situation verdichtet sich das besonders: Peter lehrt an der Universität in Dresden Literatur. Dort hat er eine Studentin, die als nicht-binäre Person angesprochen werden will, aber Peter reagiert in der Situation ungeschickt und bekommt in sozialen Medien einen Shitstorm. In einer überregionalen Zeitung wird er dann noch als typischer Ostdeutscher beschrieben – jemand, der nicht frei und fortschrittlich denken könne.
Für Peter sei das "eine ganz, ganz harte Erfahrung" gewesen, sagt Krien. Man müsse sich ihn als "dezenten Menschen vorstellen". Er nehme für sich das Recht in Anspruch, über gewisse Dinge keine Ahnung zu haben, wie zum Beispiel die Geschlechtsidentität seiner Studierenden. Das interessiere ihn einfach nicht. Doch dann sei da eben die Situation mit der Studentin: Er müsse sich dazu verhalten und reagiere dann ungeschickt.
"Dann passiert genau das, was heutzutage auch oft passiert", meint Krien. Peter wisse gar nicht, wie er mit dem Aufschrei umgehen solle, und ziehe sich immer mehr aus der Gesellschaft ins Private zurück. Zu Hause erwarte er dann von seiner Frau Verständnis, welches auch noch ausbleibe.
Eine Abrechnung mit den Ostdeutschen
Doch als Rahel den Artikel über Peter liest, fällt ihr auf, dass es sich bei der Zeitung um eine westdeutsche Publikation handelt. Sie versteht den Bericht als eine Abrechnung mit dem Osten. Innerlich kommentiert sie ihn als einen ganz entsetzlichen Mist, den Ostdeutsche nicht mehr hören könnten.
Die Klischees über Ostdeutsche seien in verschiedenen Medien "immer wieder am Leben erhalten" worden, meint Krien. "Der Ostdeutsche, der von der Diktatur geschädigte Mensch, der die Demokratie noch nicht richtig gelernt habe, der rückwärtsgewandt sei und erst mal ankommen müsse." Darin schwinge immer eine leichte Arroganz mit. Rahel habe das "gar nicht mehr auf dem Schirm" gehabt, weil sie eigentlich zu einem eher liberalen Teil der Gesellschaft gehöre.
Das Buch "Der Brand" sei genau aus solch ähnlichen Situationen und Gespräch entstanden, sagt Krien. Zum Anfang sei gar nicht das Paar "im Kopf dagewesen", sondern die Frage: "Wie kommt es dazu, dass sich liberale Menschen so abwenden?" Weil sie mit dieser Frage oft konfrontiert worden sei, habe sie das Thema verarbeiten müssen.
Dabei spiele ihre eigene ostdeutsche Herkunft – Daniela Krien kommt aus Mecklenburg-Vorpommern – zwar eine Rolle, aber es hätte "genauso gut ein westdeutsches Hamburger Ehepaar so betreffen" können. "Das ist ein bestimmtes bildungsbürgerliches Milieu", sagt Krien, "die reagieren auf gesellschaftliche Veränderungen. Das ist nicht spezifisch ostdeutsch."
(sbd)