Daniela Strigl: "Gedankenspiele über die Faulheit"
Droschl Verlag, Graz 2021
56 Seiten, 10 Euro
"Ich wäre gern faul, aber ich komme nicht dazu"
08:07 Minuten
"Gedankenspiele über die Faulheit" heißt ein neuer Essay der Literaturwissenschaftlerin Daniela Strigl. Es sei ihr auch um die Ehrenrettung des Nichtstuns gegangen, sagt sie. Und muss einräumen, selbst nicht wirklich faul sein zu können.
Die Kritikerin und Autorin Daniela Strigl behauptet von sich selbst, sie sei im Grunde ihres Wesens ein fauler Mensch. Weist man sie auf den Widerspruch zwischen Selbstbeschreibung und ihrem produktiven Leben hin – sie hat unter anderem ein Buch über die Faulheit geschrieben, statt dem Nichtstun zu frönen – sagt die Kritikerin und Essayistin: "Ich wäre gern faul, aber ich komme nicht dazu."
Eher Herzenswunsch als gelebter Alltag
Faul sein sei bei ihr eher Herzenswunsch als gelebter Alltag, muss Strigl einräumen. "Es würde nicht aus bloßem Nichtstun bestehen", macht sie klar. "Ich würde sicher auch gerne lesen und vielleicht auch ein bisschen spazieren gehen, aber ich würde jedenfalls nicht schreiben müssen." Zudem würde sie beim Faulenzen auch ihre sozialen Kontakte zurückschrauben - was jetzt ohnehin geschehe, aber eben coronabedingt.
Bei ihrem Faulheitsbegriff gehe es um eine bewusste Entscheidung, betont Strigl. "Die Faulheit selbst hat einen ganz schlechten Leumund", sagt sie und erläutert ihre Motive, darüber zu schreiben: "Da ist es auch ein bisschen um eine Ehrenrettung gegangen, weil Faulheit auch ein Entschluss ist, sich aus dem Getriebe herauszunehmen." Das könne heutzutage nicht schaden.
Faulheit bedeute, einen gewissen Abstand zum Treiben zu gewinnen und nachzudenken: "Abstand und Nachdenken haben auch etwas mit Kritikfähigkeit zu tun. Ich glaube, in dem Moment, wo man sich ein bisschen herausnimmt, wird man auch unbequem, obwohl man gar nichts tut." Wobei Faulheit, klar, nicht Gedankenfaulheit meine. "Man darf sich schon den Kopf über die Dinge zerbrechen."
Nichtstun als ausbaufähige Begabung
In ihrem 56 Seiten starken Büchlein verweist sie auf Vorbilder in Literatur und Religion: Oblomow als unendlich träger Mensch, den der Schriftsteller Iwan Gontscharow schuf, auf Bücher von Michel Houellebecq, die Bergpredigt, sogar auf die Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies.
"Ich glaube, dass das Ganze ein großes Missverständnis der protestantischen Ethik ist, dass die Bibel den Fleiß predigt", sagt Strigl. "Wenn es in der Bibel heißt, dass der Mensch künftig nach dem Sündenfall sein Brot im Schweiße seines Angesichts verdienen muss, dann ist klar, dass der paradiesische Zustand des Menschen laut Bibel nicht der der Arbeit ist."
In den Schatten legen und Gott um Feigen bitten
Schon der Schwiegersohn von Karl Marx, Paul Lafargue, schrieb einen bekannten Essay mit dem Titel "Das Recht auf Faulheit". Doch Strigl landet schließlich am Ende ihres Buches bei Büchners "Leonce und Lena". Der Diener Valerio spricht dort:
"Und ich werde Staatsminister, und es wird ein Dekret erlassen, das, wer sich Schwielen in die Hände schafft, unter Kuratel gestellt wird. Das, wer sich krank arbeitet, kriminalistisch strafbar ist, dass jeder, der sich rühmt, sein Brot im Schweiße seines Angesichts zu essen, für verrückt und der menschlichen Gesellschaft gefährlich erklärt wird. Und dann legen wir uns in den Schatten und bitten Gott um Makkaroni, Melonen und Feigen, um musikalische Kehlen, klassische Leiber und eine kommode Religion."
(mfu)