Entschlackende Dusche von innen
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Lange war er ein Tabuthema: Mittlerweile aber steht der Darm im Fokus des Interesses. Ihm wird eine enorme Wichtigkeit für die Gesundheit zugesprochen. Reinigungsrituale für den Verdauungstrakt werden dabei immer beliebter.
Madonna, Jennifer Aniston, Gwyneth Paltrow: Hollywood schwört auf die Colon-Hydro-Therapie, eine Art aufgemotzter Einlauf: Statt der gewohnten Fixierung aufs Äußere, wird der Körper ab jetzt, nun ja, von innen gekärchert.
"Also, ich habe so einen Schlauch und der kommt in den Po?" Fragt der Reporter. "Du hast schon ein entsprechendes Endstück, was in den Pops geschoben wird. Zwei Wege. Auf der einen Seite geht der Schlauch rein, wo das Wasser reinkommt. Und du hast natürlich auch einen Abfluss", erklärt die Ernährungswissenschaftlerin Nicole Westphal.
Spülung mit erwärmtem Wasser
Eine Sitzung kostet 100 Euro. Gern wird populärmedizinisches Vokabular bemüht: Bei der "Darmsanierung" soll "Schlacke" entsorgt werden. Ein kastenförmiger Apparat führt erwärmtes klares Wasser zu - und spült milchkaffeefarbenes wieder aus.
"Das sind im Laufe der Sitzung so zehn Liter", sagt Nicole Westphal. "Die pumpst du natürlich nicht alle auf einmal rein, sondern sukzessive. Bisschen rein, bisschen raus. Zwischendurch wird der Bauch noch massiert, damit sich Kotrückstände lösen und der entsprechend gereinigt wird."
Schon die alten Ägypter glaubten: Der verehrte Storchenvogel Ibis verpasse sich Einläufe mit seinem wassergefüllten Schnabel. Dabei verteilte er nur Fett der Steißdrüse im Federkleid. Auch Hippokrates, der berühmteste Arzt des Altertums, leitete mit Einläufen böse Körpersäfte aus.
Ablagerungen an der Darmwand
"Ablagerungen, im Prinzip Müll, die sich an unserer Darmwand festsetzen. Und der Darm ernährt sich ja. Der hat so kleine Zotten. Und dann freut der sich: Oh, jetzt hat mein Mensch gegessen und will die ganzen Nährstoffe aus diesen Lebensmitteln rausziehen. Da kommt er aber nicht mehr hin, weil die Schlacke dann da steht", meint Coach Andrea Sokol auf Youtube.
Selbst schwört sie allerdings auf einen Drink zur Darmreinigung, den meine Freundin begeistert zubereitet.
"Dann nehme ich von dem Zeolith zwei Esslöffel... mache das hier in das Wasser rein. Vorsicht, das ist sehr staubig", erklärt sie. "Was ist Zeolith?", frage ich. "Zeloith ist Vulkanerde", antwortet sie, "so ähnlich wie Heilerde. Und das entzieht dem Darm alle Giftstoffe."
Flohsamen drauf, schütteln, fertig: Geschmacksneutral, allerdings knirschen Erdkrümel noch Stunden später zwischen den Zähnen.
"Wir machen das natürlich auch, damit unser Stoffwechsel wieder besser in Gang kommt", sagt Andrea Sokol. "Denn wenn unser Stoffwechsel gut im Gang ist, dann haben wir eine gute und knackigere Haut, ein straffes Bindegewebe. Dann erneuern wir uns einfach ständig."
"Einen Raum finden, der nicht kontrolliert ist"
Das Böse lauert hinter der perfekten Fassade: Mentale und äußerliche Reinigung reicht in unserer quietschsauberen Photoshop-Welt nicht mehr. Muss jetzt auch der letzte Winkel im Körper durchgeputzt werden?
Trendforscher Peter Wippermann: "Die Reinigung steht auch heute an sich nicht im Mittelpunkt, sondern es geht darum einen Raum zu finden, der nicht kontrolliert ist, der einem selber gehört und den man in irgendeiner Weise positiv beeinflussen kann, um anschließend besser leben zu können."
So wird unsere Sehnsucht nach Gesundheit gestillt – in einer durchdigitalisierten Welt. Saftkuren, Regenwaldkräuter aus dem Amazonas und schamanische Aurareinigungen sollen den Darm genauso entschlacken wie spezielle Yogaübungen: Ich befinde mich in einer Art Vierfüßlergang und soll die Arme heben.
"Einatmen. Bleib tief, sodass wirklich deine Bauchdecke auf deinen Oberschenkeln ruht. Einatmen. Zieh dich lang nach vorne. Ausatmen. Tief einatmen. Langziehen. Ausatmen. Tief", empfiehlt eine Trainerin auf dem Youtubekanal HappyAndFitYoga.
"Völlegefühl und Gluckern im Bauch"
Doch Irgendwie komme ich bei der Übung immer durcheinander. Vielleicht sollte ich doch die Colon-Hydro-Therapie ausprobieren – im Selbstversuch? Ein Einlaufset kostet im Netz 15 Euro.
"Also, das ist schon Übungssache und eine ganz schöne Panscherei – mit Völlegefühl und Gluckern im Bauch. Ein Gefühl der Leichtigkeit, von dem viele sprechen, und verminderter Hunger hat sich bei mir allerdings nicht eingestellt", lautet mein Fazit.
Ärzte sehen den Trend zur Darmreinigung skeptisch. Sie sagen: Eine abwechslungsreiche Ernährung reiche aus. Genug trinken, etwas Sport – und schon bleibt der Darm gesund.