Das achte Weltwunder der Holländer
Dieses Jahrhundertwerk war das letzte und größte Projekt im Rahmen des Deltaplans, mit dem die niederländische Regierung auf die furchtbare Flutkatastrophe vom Februar 1953 reagierte und die Küste absicherte.
Der Orkan, der in der Nacht zum 1. Februar 1953 über der Nordsee tobte, peitschte die Wellen bis zu 15 Meter hoch. Im Südwesten der Niederlande brachen die Deiche auf einer Gesamtlänge von fast 190 Kilometern, auf 500 Kilometern wurden sie schwer beschädigt. 1835 Niederländer sind in dieser Jahrhundertflut ertrunken. Zehntausende Stück Vieh kamen ums Leben, bis zu 200.000 Hektar Ackerland standen unter Wasser. Vor allem die Provinz Zeeland war betroffen.
Die ganze Welt nahm Anteil, spendete Geld und Hilfsgüter für den Wiederaufbau. Im November konnte Königin Juliana schließlich verkünden, dass der letzte Deichdurchbruch geschlossen und das Ende des Katastrophenzustandes absehbar sei. Gleich nach der Flut hatte die Regierung eine Kommission eingesetzt, um ein zukunftsfähiges Konzept zur Sicherung des Deltas von Rhein, Maas und Schelde zu entwickeln. 1958 verabschiedete das Parlament den "Deltaplan" – ein gigantisches Projekt, bei dem das Gebiet durch ein System von Haupt- und Nebendämmen gegen die Nordsee abgeriegelt, die Küstenlinie dadurch begradigt und um mehr als 700 Kilometer verkürzt werden sollte. 1967 begannen die Arbeiten am größten Teilprojekt – der Abschirmung der Oosterschelde, die wegen ihres Artenreichtums auch als "Brutkammer" der Nordsee gilt.
Für den Erhalt dieses Salzwasserbiotops engagierten sich nicht nur die Fischer, sondern seit Anfang der 70er-Jahre auch die eben erst aufkeimende Umweltschutzbewegung, wie sich ein Zeitzeuge im Gespräch mit dem Radioreporter Helmut Kopetzky erinnerte.
"Das Oosterscheldegebiet sollte als letztes abgeschlossen werden. Dann entstanden jedoch Aktionsgruppen, die den natürlichen Charakter der Oosterschelde erhalten wollten. Andere Interessengruppen setzten sich für die Muschel- und Austernkulturen ein."
1976 wurden die Pläne tatsächlich revidiert. An die Stelle des festen Damms, der die Oosterschelde in ein Süßwasserbecken ohne Ebbe und Flut verwandelt hätte, sollte ein Bauwerk treten, das die Holländer selber als "achtes Weltwunder" bezeichneten. Kopetzky, der den Ort drei Jahre vor dem Ende der Bauarbeiten besuchte, war von den kolossalen Dimensionen völlig überwältigt:
"Ein Flutwehr mit 63 computergesteuerten Stahltoren, beweglich aufgehängt, zwischen 40 Meter hohen Türmen. Die Tore sollen sich bei Sturmflut schützend vor das Mündungsdelta schieben. Jedes 40 Meter breit, fünf Meter dick, zehn Meter hoch, 400 Tonnen schwer. Gesamtgewicht des Bauwerks: 613 Millionen Tonnen."
Über Monate hinweg wurde der sandige Meeresboden mit Rüttelrohren zusammengestaucht. Auf dem bis zu 40 Meter tiefen Grund wurden über fünf Millionen Kilogramm schwere, mit Sand und Kies gefüllte Fundierungsmatten ausgelegt. Kopetzky war dabei, als einer der 18.000 Tonnen schweren Pfeiler aus dem gefluteten Bau-Dock gehoben wurde.
"Jetzt hat das hufeisenförmig gebaute Hubschiff ‚Ostrea‘ den Pfeiler zwischen die Schenkel genommen. Vier Klammerarme haben den Koloss gepackt. Die Winden heulen. Das Hubschiff mit seinem kirchturmhohen Hebezeug vibriert, bis einem an Deck die Fußsohlen schmerzen."
Die Pfeiler mussten zentimetergenau im Meeresboden verankert werden – eine Präzision, wie es sie im Wasserbau noch nie gegeben hatte. Am 4. Oktober 1986 war das - umgerechnet gut dreieinhalb Milliarden Euro teure - Werk offiziell vollbracht. Mit einem Knopfdruck setzte Königin Beatrix die Hydraulik der Schleusentore in Gang. Zu Ehren ihrer europäischen Gäste, darunter Bundespräsident Richard von Weizsäcker, hielt sie ihre Festrede teilweise auf Französisch, Englisch und Deutsch:
"Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie durch Ihren Anwesenheit die Anteilnahme Ihres Landes an der Vollendung des Deltaprojekts zum Ausdruck bringen."
Auf das rund drei Kilometer lange Flutwehr an der Oosterschelde folgte 1997 noch das bewegliche Sturmflutwehr im "Neuen Wasserweg", dem Schifffahrtskanal, der die Stadt Rotterdam mit der Nordsee verbindet. Damit fühlte sich Südholland gegen Flutkatastrophen gewappnet, wie sie sich statistisch nur alle vier- bis zehntausend Jahre ereignen.
Die ganze Welt nahm Anteil, spendete Geld und Hilfsgüter für den Wiederaufbau. Im November konnte Königin Juliana schließlich verkünden, dass der letzte Deichdurchbruch geschlossen und das Ende des Katastrophenzustandes absehbar sei. Gleich nach der Flut hatte die Regierung eine Kommission eingesetzt, um ein zukunftsfähiges Konzept zur Sicherung des Deltas von Rhein, Maas und Schelde zu entwickeln. 1958 verabschiedete das Parlament den "Deltaplan" – ein gigantisches Projekt, bei dem das Gebiet durch ein System von Haupt- und Nebendämmen gegen die Nordsee abgeriegelt, die Küstenlinie dadurch begradigt und um mehr als 700 Kilometer verkürzt werden sollte. 1967 begannen die Arbeiten am größten Teilprojekt – der Abschirmung der Oosterschelde, die wegen ihres Artenreichtums auch als "Brutkammer" der Nordsee gilt.
Für den Erhalt dieses Salzwasserbiotops engagierten sich nicht nur die Fischer, sondern seit Anfang der 70er-Jahre auch die eben erst aufkeimende Umweltschutzbewegung, wie sich ein Zeitzeuge im Gespräch mit dem Radioreporter Helmut Kopetzky erinnerte.
"Das Oosterscheldegebiet sollte als letztes abgeschlossen werden. Dann entstanden jedoch Aktionsgruppen, die den natürlichen Charakter der Oosterschelde erhalten wollten. Andere Interessengruppen setzten sich für die Muschel- und Austernkulturen ein."
1976 wurden die Pläne tatsächlich revidiert. An die Stelle des festen Damms, der die Oosterschelde in ein Süßwasserbecken ohne Ebbe und Flut verwandelt hätte, sollte ein Bauwerk treten, das die Holländer selber als "achtes Weltwunder" bezeichneten. Kopetzky, der den Ort drei Jahre vor dem Ende der Bauarbeiten besuchte, war von den kolossalen Dimensionen völlig überwältigt:
"Ein Flutwehr mit 63 computergesteuerten Stahltoren, beweglich aufgehängt, zwischen 40 Meter hohen Türmen. Die Tore sollen sich bei Sturmflut schützend vor das Mündungsdelta schieben. Jedes 40 Meter breit, fünf Meter dick, zehn Meter hoch, 400 Tonnen schwer. Gesamtgewicht des Bauwerks: 613 Millionen Tonnen."
Über Monate hinweg wurde der sandige Meeresboden mit Rüttelrohren zusammengestaucht. Auf dem bis zu 40 Meter tiefen Grund wurden über fünf Millionen Kilogramm schwere, mit Sand und Kies gefüllte Fundierungsmatten ausgelegt. Kopetzky war dabei, als einer der 18.000 Tonnen schweren Pfeiler aus dem gefluteten Bau-Dock gehoben wurde.
"Jetzt hat das hufeisenförmig gebaute Hubschiff ‚Ostrea‘ den Pfeiler zwischen die Schenkel genommen. Vier Klammerarme haben den Koloss gepackt. Die Winden heulen. Das Hubschiff mit seinem kirchturmhohen Hebezeug vibriert, bis einem an Deck die Fußsohlen schmerzen."
Die Pfeiler mussten zentimetergenau im Meeresboden verankert werden – eine Präzision, wie es sie im Wasserbau noch nie gegeben hatte. Am 4. Oktober 1986 war das - umgerechnet gut dreieinhalb Milliarden Euro teure - Werk offiziell vollbracht. Mit einem Knopfdruck setzte Königin Beatrix die Hydraulik der Schleusentore in Gang. Zu Ehren ihrer europäischen Gäste, darunter Bundespräsident Richard von Weizsäcker, hielt sie ihre Festrede teilweise auf Französisch, Englisch und Deutsch:
"Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie durch Ihren Anwesenheit die Anteilnahme Ihres Landes an der Vollendung des Deltaprojekts zum Ausdruck bringen."
Auf das rund drei Kilometer lange Flutwehr an der Oosterschelde folgte 1997 noch das bewegliche Sturmflutwehr im "Neuen Wasserweg", dem Schifffahrtskanal, der die Stadt Rotterdam mit der Nordsee verbindet. Damit fühlte sich Südholland gegen Flutkatastrophen gewappnet, wie sie sich statistisch nur alle vier- bis zehntausend Jahre ereignen.