Das andere Brasilien
Während die brasilianische Mittelschicht in den Großstädten gegen die Regierung demonstriert, gehen ihr die Menschen in den abgelegenen Dörfern einfach aus dem Weg, meint der Publizist Christoph Giesa. Die kleine Stadt Campo Formoso sei ein gutes Beispiel dafür. Dort kämpften staatsfeindliche "Clandestinos" mit allen Mitteln ums Überleben.
Campo Formoso ist ein Städtchen mit etwa 70.000 Einwohnern im brasilianischen Bundesstaat Bahia. Von der Hauptstadt Brasilia ist es kaum weiter entfernt als etwa die Metropole Rio de Janeiro. Und doch wähnt man sich in einer ganz anderen Welt – in einer Welt, in der die Zentralregierung wenig zu melden hat.
Campo Formoso ist auch die Hauptstadt der brasilianischen Smaragdminen, die rings herum in den Bergen versteckt liegen. Auf dem Marktplatz werden nicht Obst und Gemüse gehandelt, sondern grüne Steine aller Größen, Farbtöne und Qualitäten.
Den Menschen, die einem dort begegnen, sieht man nicht nur das Glücksrittertum an – Lederhüte und Cowboystiefel prägen das Bild. Auch die harte Arbeit in den Stollen hat sich ihnen in die Gesichter geschrieben.
Bis zu 120 Meter geht es morgens senkrecht in die Tiefe, nur an einem Seil und ohne richtige Sicherung. Das führt immer wieder zu tödlichen Unfällen, genau wie die täglichen Sprengungen, egal ob mit Dynamit oder mit selbst gebautem Sprengstoff aus Dünger und anderen Chemikalien.
Seit einiger Zeit versucht die Zentralregierung dem wilden Treiben Einhalt zu gebieten. Die Auflagen zur Arbeitssicherheit wie für die Umwelt werden kontinuierlich erhöht. Die Begeisterung dafür hält sich bei den Betroffenen in Grenzen. Viele Minen dürften sich kaum noch profitabel betreiben lassen, würde ihr Betrieb auf Gefahren für Mensch und Natur Rücksicht nehmen. Campo Formoso würde die Lebensgrundlage entzogen.
Nicht nur hier, sondern überall, wo nach Rohstoffen gesucht wird, sind daher die Herren von der Polícia Federal alles andere als willkommen. Sie verhängen nämlich empfindliche Bußgelder. Für den Gesundheitsschutz erreichen sie gleichwohl wenig. Darüber braucht sich eine Regierung nicht zu wundern, die nur kommt, wenn es etwas zu kassieren gibt, ansonsten aber die Menschen alleine lässt - mit schlechten Straßen, Schulen und Krankenhäusern.
Was vorher schon am Rande der Legalität geschah, ist inzwischen endgültig in den Untergrund abgewandert. Aus staatsskeptischen Eigenbrötlern sind staatsfeindliche "Clandestinos" geworden, die bereit sind, mit allen Mitteln um ihr Überleben zu kämpfen.
Machen sich die Aufseher auf den Weg in die Berge, verbreitet sich die Kunde schneller, als sie mit ihren Pickups die ersten Schlammpisten heraufgekrochen sind. Campo Formoso weiß sich eben vorzubereiten. Niemand lässt sich auf frischer Tat ertappen. Und wer früher ein Bankkonto hatte, hat es aufgegeben, um sich der Überwachung zu entziehen.
Dass Brasilien ein Land der Gegensätze ist, ist häufig gesagt worden, meist bezogen auf das Nebeneinander von Arm und Reich in den Großstädten. Nicht wahrgenommen wird ein ganz anderes Brasilien. In diesem Land, so groß wie ein Kontinent, sind weite Teile der Bevölkerung völlig abgeschnitten vom modernen Leben in den Metropolen. Und so verhalten sie sich auch.
Während die großstädtische Mittelschicht gegen die Politik demonstriert, geht man der Regierung in den abgelegenen Dörfern und Städtchen einfach aus dem Weg. Wie wenig Brasilia dagegen tun kann, sieht man am Beispiel Campo Formoso.
Dort wurden alle Versuche aufgegeben, Verkehrsregeln durch Ampeln durchzusetzen, weil das grüne Glas regelmäßig gestohlen wurde, um es geschliffen als vermeintliche Smaragde. Die Einwohner stört das nicht weiter, denn irgendwie geht es auch ohne Ampeln. Und ohne die Besserwisser aus Brasilia sowieso.
Christoph Giesa arbeitet als Publizist und Unternehmensberater in Hamburg, war Landesvorsitzender der Jungen Liberalen in Rheinland-Pfalz, Initiator der Bürgerbewegung zur Unterstützung von Joachim Gauck als Bundespräsidentschaftskandidat und Mitbegründer der linksliberalen FDP-Vereinigung "Dahrendorfkreis". Er schrieb das Buch "Bürger. Macht. Politik" (Campus-Verlag 2011). Das Zeitgeschehen kommentiert er in seinem "blog.christophgiesa.de" und als Kolumnist von "The European".
Campo Formoso ist auch die Hauptstadt der brasilianischen Smaragdminen, die rings herum in den Bergen versteckt liegen. Auf dem Marktplatz werden nicht Obst und Gemüse gehandelt, sondern grüne Steine aller Größen, Farbtöne und Qualitäten.
Den Menschen, die einem dort begegnen, sieht man nicht nur das Glücksrittertum an – Lederhüte und Cowboystiefel prägen das Bild. Auch die harte Arbeit in den Stollen hat sich ihnen in die Gesichter geschrieben.
Bis zu 120 Meter geht es morgens senkrecht in die Tiefe, nur an einem Seil und ohne richtige Sicherung. Das führt immer wieder zu tödlichen Unfällen, genau wie die täglichen Sprengungen, egal ob mit Dynamit oder mit selbst gebautem Sprengstoff aus Dünger und anderen Chemikalien.
Seit einiger Zeit versucht die Zentralregierung dem wilden Treiben Einhalt zu gebieten. Die Auflagen zur Arbeitssicherheit wie für die Umwelt werden kontinuierlich erhöht. Die Begeisterung dafür hält sich bei den Betroffenen in Grenzen. Viele Minen dürften sich kaum noch profitabel betreiben lassen, würde ihr Betrieb auf Gefahren für Mensch und Natur Rücksicht nehmen. Campo Formoso würde die Lebensgrundlage entzogen.
Nicht nur hier, sondern überall, wo nach Rohstoffen gesucht wird, sind daher die Herren von der Polícia Federal alles andere als willkommen. Sie verhängen nämlich empfindliche Bußgelder. Für den Gesundheitsschutz erreichen sie gleichwohl wenig. Darüber braucht sich eine Regierung nicht zu wundern, die nur kommt, wenn es etwas zu kassieren gibt, ansonsten aber die Menschen alleine lässt - mit schlechten Straßen, Schulen und Krankenhäusern.
Was vorher schon am Rande der Legalität geschah, ist inzwischen endgültig in den Untergrund abgewandert. Aus staatsskeptischen Eigenbrötlern sind staatsfeindliche "Clandestinos" geworden, die bereit sind, mit allen Mitteln um ihr Überleben zu kämpfen.
Machen sich die Aufseher auf den Weg in die Berge, verbreitet sich die Kunde schneller, als sie mit ihren Pickups die ersten Schlammpisten heraufgekrochen sind. Campo Formoso weiß sich eben vorzubereiten. Niemand lässt sich auf frischer Tat ertappen. Und wer früher ein Bankkonto hatte, hat es aufgegeben, um sich der Überwachung zu entziehen.
Dass Brasilien ein Land der Gegensätze ist, ist häufig gesagt worden, meist bezogen auf das Nebeneinander von Arm und Reich in den Großstädten. Nicht wahrgenommen wird ein ganz anderes Brasilien. In diesem Land, so groß wie ein Kontinent, sind weite Teile der Bevölkerung völlig abgeschnitten vom modernen Leben in den Metropolen. Und so verhalten sie sich auch.
Während die großstädtische Mittelschicht gegen die Politik demonstriert, geht man der Regierung in den abgelegenen Dörfern und Städtchen einfach aus dem Weg. Wie wenig Brasilia dagegen tun kann, sieht man am Beispiel Campo Formoso.
Dort wurden alle Versuche aufgegeben, Verkehrsregeln durch Ampeln durchzusetzen, weil das grüne Glas regelmäßig gestohlen wurde, um es geschliffen als vermeintliche Smaragde. Die Einwohner stört das nicht weiter, denn irgendwie geht es auch ohne Ampeln. Und ohne die Besserwisser aus Brasilia sowieso.
Christoph Giesa arbeitet als Publizist und Unternehmensberater in Hamburg, war Landesvorsitzender der Jungen Liberalen in Rheinland-Pfalz, Initiator der Bürgerbewegung zur Unterstützung von Joachim Gauck als Bundespräsidentschaftskandidat und Mitbegründer der linksliberalen FDP-Vereinigung "Dahrendorfkreis". Er schrieb das Buch "Bürger. Macht. Politik" (Campus-Verlag 2011). Das Zeitgeschehen kommentiert er in seinem "blog.christophgiesa.de" und als Kolumnist von "The European".