Plädoyer für individuelle Mobilität
Reise in andere Regionen der Welt: Durch das Automobil haben wir die Welt buchstäblich erfahren, meint der Journalist Markus Ziener. © imago / Cavan Images
Das Auto ist ein Stück Freiheit
Pkw gehören in den Augen vieler als „Klimakiller“ abgeschafft. Wer dagegen argumentiert, gilt schnell als Ewiggestriger. Der Journalist Markus Ziener bricht trotzdem eine Lanze für sein Auto, bedeutet es für ihn doch individuelle Freiheit.
Ich liebe mein Auto. Ich liebe es, weil es für mich Freiheit bedeutet, große Freiheit. Mit dem Führerschein und dem ersten Auto erschlossen sich für mich neue Horizonte. Das galt geografisch wie psychologisch. Mein Bewegungsspielraum machte einen riesigen Satz, und mit ihm mein Ich. Das Auto war für mich Unabhängigkeit, Spontaneität, Eigenverantwortlichkeit. Das galt damals und gilt bis heute.
Das Auto stand aber auch für Emanzipation von der Familie. Wenn ich mal genug von zu Hause hatte, dann setzte ich mich ins Auto und fuhr los. Entweder besuchte ich Freunde oder ich fuhr einfach irgendwo hin und drehte dabei das Radio auf.
Das Auto erlaubte mir, Europa zu entdecken – und später das Pendeln zu meinem neuen Job. Ein Pendeln, das mit öffentlichen Verkehrsmitteln und oft zu nächtlicher Stunde nicht möglich gewesen wäre. Oder ich fuhr die Freundin nach Hause, damit ich wusste, dass sie dort auch sicher ankommen würde.
Mit solch positiven Aussagen über das Auto steht man in der öffentlichen Debatte heute allerdings schnell als jemand da, der die Vergangenheit verklärt, der die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat und der trotzig auf „freie Fahrt für freie Bürger“ beharrt – wo doch das Auto als "Klimaschleuder" in den Augen vieler schlicht abgeschafft gehört.
Dem Muff der Nachkriegsjahre davonfahren
Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn das Auto ist mehr als nur ein Fortbewegungsmittel. Sich flexibel von einem Ort an einen anderen bewegen zu können, ist nicht nur ein Ausdruck individueller Freiheit, es hilft auch der Selbstfindung. Den deutschen Muff der Nachkriegszeit hat das Reisen ordentlich weggepustet.
Egal, ob es zunächst nach Rimini ging, ans Nordkap oder später quer durch die USA: Durch das Automobil haben wir die Welt buchstäblich erfahren und auch gelernt, wie vielfältig sie ist. Diese Form der Mobilität öffnet den Blick – und hat dieser lange so provinziellen deutschen Nation gutgetan.
Zudem: Auch ich will Autos, die CO2-frei unterwegs sind, und natürlich müssen wir weiter am sicheren Fahren arbeiten. Dabei sollten wir unsere Umwelt so gestalten, dass sie nicht in erster Linie den Autos dient, sondern den Menschen. Ich bin für ein Verbot von absurd großen Geländewagen in Städten, und ebenso soll es dort auch autofreie Zonen geben.
Auf dem Land notwendig
Gleichzeitig verändern sich Verhaltensweisen. In den Städten wandelt sich das Verständnis von Mobilität schon lange. Wer dort heute mit jungen Erwachsenen spricht, der erlebt, dass der Besitz eines Autos bei weitem nicht mehr als so wichtig angesehen wird, wie das noch vor einer Generation der Fall war. Der Wunsch nach dem eigenen Auto nimmt ab. Es spricht deshalb vieles dafür, dass wir aktuell den Höhepunkt des PKW-Bestands in Deutschland erleben und die Zahlen künftig ohnehin zurückgehen.
Aber wenn ich in meiner ländlichen bayerischen Wahlheimat bin, dann erlebe ich, welche Bedeutung Mobilität hat. Ich sehe, wie die Menschen auf ihr Auto angewiesen sind, wie sehr sich ihr Leben reduzieren würde ohne es. Wenn der Bus nur einmal alle zwei Stunden fährt und nicht dahin, wo man will, dann schnurrt der eigene Radius zusammen auf ein paar Kilometer. Das können wir ökonomisch wie gesellschaftlich kaum wollen.
Hauptsache klimaneutral
Am Ende spielt es keine Rolle, wie wir fahren – solange dies klimaneutral geschieht. Nur sollten wir uns das hohe Gut der individuellen Mobilität erhalten. Wir würden ansonsten mehr verlieren als nur einen fahrbaren Untersatz.