Das bayerische Walhalla

Bajuwarische Heldengalerie

Walhalla in Bayern
Blick auf Walhalla in Donaustauf (Bayern) © picture alliance / dpa / Foto: Armin Weigel
Von Michael Watzke |
Außen griechische Antike mit weißen Säulen, innen ein Saal aus rosa Marmor: Der bayerische König Ludwig I. ließ den "Ruhmestempel der Teutschen" bauen, der bedeutende Deutsche ehren sollte. Im Fall von Heinrich Heine sogar gegen dessen Willen. Aber ist das noch zeitgemäß?
Walhalla. Halle der Toten. Ruheort der tapferen Kämpfer, die in der Schlacht gefallen sind. So überliefert es die nordische Mythologie. Und wo liegt dieser sagenumrankte Ort? Am Nordpol? Hinter polarlicht-geschwängerten Eiswolken? In fernen Sternenwelten? Nein! Er liegt… in der Oberpfalz!
Wer sich die Mühe macht, gleich hinter Donaustauf 358 Stufen aufzusteigen, der steht keuchend vor einem Trumm, das aussieht wie eine Kreuzung zwischen Akropolis und Geisterbahn. Außen griechische Antike mit einer Phalanx weißer, korinthischer Säulen. Innen ein Saal aus rosa Marmor, den sich Modezar Rudolf Mooshammer – die Götter haben ihn selig – in seinen Träumen nicht kitschiger hätte ausdenken können. Zu diesem durchgeknallten Tempel pilgern jedes Jahr hunderte von Schulklassen. Auch Sepp Dürr ist emporgekraxelt, als er noch ein Kind war.
"Also man wird da hin expeditiert, dann geht man da durch und dann fährt man wieder heim – und weiß nicht so recht, was man gesehen hat."
Schädel hat man gesehen, jede Menge Schädel. So viele, dass man glatt Schädelweh kriegen könnte. 130 Köpfe aus Stein, Gips und Marmor stehen in Reih‘ und Glied vor glattpolierten Wänden. Draußen sieht man die Donau, die am Fuße der Walhalla nach Osten mäandert. Und man schaut in unzählige fragende Kindergesichter.
"Ich glaub‘ schon, dass das bei den meisten Schülerinnen und Schülern so ist: dass sie schon die Aussicht genießen. Der anstrengende Weg rauf bleibt auch in Erinnerung. Und dann sieht man einen Haufen Büsten und weiß eigentlich nicht, was das soll."
Wer kennt zum Beispiel Justus Möser? Ein Jurist aus dem 18. Jahrhundert. Wer hat je von Herman Boerhaave gehört? Einem niederländischen Mediziner, gestorben vor 277 Jahren. Und wem ist der Name Hans von Hallwyl geläufig? Ein Schweizer Offizier, den sogar die Schweizer vergessen haben. Wer zum Henker sind Berthold von Henneberg, Michiel de Ruyter und Maarten Tromp?
"Wenn ich 50 Prozent der Namen kenne, dann bin ich schon weit überm Durchschnitt. Und recht viel mehr werden’s nicht sein, die ich kenne. Mit den allermeisten kann niemand etwas anfangen. Vielleicht ein Historiker. Aber auch nur einer, der Spezialist für eine ganz bestimmte Zeit ist."
Den Charakterschädel von Sepp Dürr hingegen – den kennen in Bayern so einige. Er ist Landtags-Abgeordneter der bayerischen Grünen. Sprecher für Kulturpolitik. Und schärfster Kritiker der Walhalla. Neulich, in einer Sitzung des Wissenschafts-Ausschusses, ist Dürr richtig fuchsig geworden.
"Allein, dass der Staat sagt: ´Bayern, das sind Eure Vorbilder!` Das ist doch dermaßen abstrus! Das ist doch so vorgestrig! Also bitte! Ihr macht Euch doch lächerlich! Germanentum und staatsverordnet!"
Die Götter wissen, dass Sepp Dürr die Walhalla nicht abreißen will. Schließlich hat der Freistaat Bayern die Schädelstätte gerade erst für 15 Millionen Euro renoviert. Der Grünen-Politiker Dürr möchte aus der Walhalla ein Museum machen. Er will Veränderung mit Köpfchen statt mit Köpfen.
"Meine Vorstellung ist, dass man genau das, wie es jetzt ist, musealisiert und sagt: das ist ein Beispiel dafür, wie man in früheren Zeiten sich Helden und Vorbilder vorstellte. Und ausgehend von dem können wir uns damit auseinandersetzen, wie wir uns heute mit Vorbildern und Helden befassen. Dann hätten wir gleich einen Anknüpfungspunkt, mit den heutigen Kindern und Schulklassen darüber zu reden, was sie sich an die Wand hängen. Wenn die sich überhaupt noch was an die Wand hängen. Wen liked ihr? Und warum? Also wär‘ man in einer Diskussion, die den Kindern näher kommen würde. Dann könnten sie sich mit ihrem eigenen Erleben befassen."
Sepp Dürr will die Walhalla also quasi einfrieren. Stand 2015. Von Büste Nummer 1 - Heinrich der Finkler – bis Büste Nummer 130: Heinrich Heine. Der große Dichter kam im Jahr 2010 in die Heldengruft – als vorerst letzter Gast. Und gegen seinen Willen. Denn Heine verachtete den Erbauer der Walhalla, den bayerischen König Ludwig I.
"Der Heine ist jemand, der sich damals schon explizit über die Versuche Ludwigs lustig gemacht hat und von der marmornen Schädelstätte gesprochen hat. Und davon, dass der König ein Kunst-Eunuch sei. Und dass der König, wenn mal die Affen und Kängurus christianisiert sind, er der König von denen werden könne. Den, der den König Ludwig gehasst hat – und den der König umgekehrt gehasst hat – den da reinzustellen zeigt, wie geschichtsvergessen diese Regierung ist."
Heldengalerie der bayerischen Staatsregierung
Diese Regierung – das ist die bayerische Staatsregierung. Sie entscheidet auf Vorschlag eines Expertengremiums, wer in die bajuwarische Heldengalerie aufgenommen wird. In den letzten zwanzig Jahren waren das genau sieben Persönlichkeiten: die Ordensschwester Karolina Gerhardinger, Bundeskanzler Konrad Adenauer, Komponist Johannes Brahms, Widerstandskämpferin Sophie Scholl, Mathematiker Carl Friedrich Gauss, Ordensfrau Edith Stein und der bereits erwähnte Heinrich Heine. Dessen Laudatio hielt 2010 Dieter Borchmeyer, der Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Borchmeyers zentraler Satz:
"Heine braucht die Walhalla nicht. Aber die Walhalla braucht ihn."
Heinrich Heine wäre gerührt, glaubt Borchmeyer, hätte er die Zeremonie in der Walhalla selbst miterleben können. Rührung sei doch schließlich ein typischer Wesenszug Heines gewesen. Und seit seinem Tod im Jahre 1856 in Paris habe sich so viel verändert. Auch die Walhalla.
"Die Walhalla gibt es nun mal mit ihren Büsten. Das ist ja ein großartiger Bau – von Klenze grandios in die bayerische Landschaft hineingebaut. Und das ist jetzt nun mal ein Stück bayerisches Erbe, mit dem man umgehen muss. Und ich finde, dass man damit auch sehr gut umgegangen ist in letzter Zeit. Man hat die Walhalla doch auch dafür benutzt, Vergangenheitsbewältigung zu betreiben und einen anderen Blick auf die deutsche Geschichte zu werfen. Und in diesem Sinne ist es sehr schön, dass Heine dort steht mit einer wunderbaren Büste von Gerd Gerresheim, der Heine nicht monumentalisiert, sondern ihn mit einem Leidensantlitz zeigt."
Horst Seehofer in  Walhalla 
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer ( CSU) enthüllt im Juli 2010) in der Walhalla in Donaustauf (Oberpfalz) die Büste des Dichters Heinrich Heine.© picture alliance / dpa / Foto: Armin Weigel
Ein Leidensantlitz, das dreinschaut, als warte Heinrich Heine seit fünf Jahren auf Erlösung – darauf, dass ihn endlich jemand aus der Walhalla entführt. Auf dass er nicht in Ewigkeit mit Blücher, Scharnhorst, Radetzky und Katharina der Großen sein Dasein fristen muss. Heine gehört nicht in die Walhalla, sagt der Literaturwissenschaftler Bernd Kortländer, der ehemalige stellvertretende Leiter des Heinrich-Heine-Instituts.
"Es ist doch eine absolute Respektlosigkeit gegenüber einem toten Dichter, der sich nicht mehr wehren kann, wenn man ihn genau dahin bringt, wo er nie sein wollte. Das kann man ja aus seinem Werk ganz deutlich entnehmen. Die Walhalla verkörperte all‘ das, gegen was er sein ganzes Leben lang gekämpft hat. Mit allem, was ihm an Witz und Satire und Ironie zur Verfügung stand."
In diesen Tagen beginnt für die Walhalla ein neues Kapitel. Der 173 Jahre alte Tempel erhält einen neuen Tempelherren.
Walhalla öffnet seine Türen
Feierliche Übergabe des goldenen Eingangsschlüssels. Vor den mächtigen Flügeltüren der Walhalla stehen zwei bayerische Staatsminister samt Gefolge. Aber das Tor klemmt. Endlich, nach zähem Widerstand, öffnet sich die Walhalla für Markus Söder. Der bayerische Finanzminister übernimmt die Verwaltung vom bayerischen Wissenschafts- und Kunstminister Ludwig Spaenle.
"Ich glaube, diese Übergabe, die die Verantwortung für diesen Ort deutscher Kultur – wobei wir deutsch und bayerisch immer gleichsetzen – in die Schlösserverwaltung und damit in den Bereich des Finanzministeriums übergibt, ist eine sehr kluge Gesamtkonzeption. Wir übergeben dieses Haus vollsaniert und in bestem Zustand."
Tatsächlich blitzt und blinkt der rosafarbene Marmor in der Walhalla wie frisch gebohnert. Der kleine Festakt mit Streicherquartett, Häppchen und Prosecco findet bei Temperaturen um die null Grad statt. Der Atem der Redner gefriert vor dem Mikrofon – denn die Walhalla hat keine Heizung. Auch kein künstliches Licht. Wenn die Sonne untergeht, ist es hier oben, fünfzig Meter über der Donau, so stockdunkel wie in einer Gruft. Die Walhalla – darauf weist der neue Hausherr Markus Söder selbstbewusst hin – sei ein durch und durch bayerisches Monument.
"Aber in den 30er-Jahren gab es den Wunsch aus der Reichskanzlei in Berlin, dass das gesamte Wittelsbacher Erbe nach Berlin übertragen werde. Weil gewünscht war, dass alle Baudenkmäler, über die wir hier reden, vom Reich verwaltet werden. Aber die bayerischen Finanzbeamten haben in einem dreijährigen Schriftwechsel mit immer neuen Bedenken (erreicht), dass man im Jahre 1939 entschieden hat, die endgültige Entscheidung solle nach dem Krieg fallen. Sonst wäre das hier jetzt alles deutsch. Und nicht bayerisch."
Eine aus bayerischer Sicht grauenvolle Vorstellung. Wäre Berlin für die Walhalla zuständig – sie wäre wahrscheinlich längst zusammengebrochen und sähe aus wie die Akropolis in Athen. Markus Söder ist sehr zufrieden. Der Franke verleibt sich die Verwaltung der bayerischen Akropolis ein. Er hat große Pläne, will die jährlichen Besucherzahlen von 160.000 Touristen deutlich steigern. Unter der Regie des Wissenschafts- und Kunst-Ressorts fristete die mächtige Walhalla eher ein Schattendasein. Ludwig Spaenles Ministerium war zuständig, weil die 130 Büsten im Innern der Walhalla als Kunstwerke gelten. Söder ist dagegen Chef der bayerischen Schlösserverwaltung. Ein Schloss ist die Walhalla zwar nicht – aber sei’s drum:
"Es ist eigentlich logisch, da wir ja das große Erbe der Wittelsbacher verwalten, dass wir an dieser Stelle auch – das hat uns der Bayerische Rechnungshof empfohlen, um Synergie-Effekte zu erzielen – die Verwaltung einer solchen Immobilie übernehmen. Das passt ganz gut."
Und wie das passt! Wie Donner auf Blitz! Denn Markus Söder hat schon einen Vorschlag für die nächste Heldenbüste in der Walhalla! Nummer 131, gleich neben Heinrich Heine:
"Franz Josef Strauß würde hervorragend passen an der Stelle. FJS gehört zu den bedeutendsten Persönlichkeiten. Adenauer ist schon drin. Da würde Strauß sehr gut passen als jemand, der Bayern geprägt hat. Deshalb finde ich das im Jahr seines 100. Geburtstages ein sehr, sehr gutes Signal."
Zukünftige Kandidaten
Eine Strauß-Büste in der Walhalla? Eingeweiht vom Strauß-Fan Markus Söder? Da geht die bayerische SPD an die Decke wie Zwerg Alberich in der Nibelungensage.
"Ich bringe mit Franz Josef Strauß eher Vetternwirtschaft in Verbindung. Oder die Spiegel-Affäre. Oder fragwürdige Rüstungsgeschäfte. Ich wundere mich über diesen Vorschlag von Herrn Söder doch sehr."
…sagt Markus Rinderspacher, der Fraktions-Vorsitzende der SPD im bayerischen Landtag. Rinderspacher hätte statt Franz Josef Strauß einen eigenen Vorschlag für eine neue Büste in der Walhalla: Wilhelm Hoegner. Den zweiten Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern und Mitbegründer der Bayerischen Verfassung von 1946. Wilhelm Hoegner sei…
"…der größte bayerische Politiker der Nachkriegszeit. Und deshalb hat er es verdient, im Ruhmestempel verewigt zu werden."
Walhalla in Bayern
Marmorbüsten in der 1842 eröffneten Walhalla in Donaustauf (Bayern)© picture alliance / dpa / Foto: Armin Weigel
Zufälligerweise war Wilhelm Hoegner SPD-Mitglied – und der einzige Sozialdemokrat, der nach dem Zweiten Weltkrieg das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten bekleidete. Das dürfte bei Markus Rinderspachers Walhalla-Vorschlag eine nicht ganz unbedeutende Rolle gespielt haben. Sepp Dürr von den bayerischen Grünen vergleicht das Kandidaten-Karussell mit der Schifffahrt auf der Donau. Dort schieben die Lastkähne ihre Ladung vor sich her – genau wie Politiker ihre Idole.
"Jeder will bei sich zu Hause noch irgendeine Größe entdeckt haben: die SPD will einen verdienten bayerischen Politiker reinstellen. Die SPD will einen unverdienten reinstellen. Aber ich glaube, das Hauptziel ist für die Leute, jeweils selber damit in die Medien zu kommen. Also wichtiger, dass jetzt Strauß oder Hoegner in die Walhalla kommen, ist es den Vorschlagenden jeweils, dass sie selber in der Presse sind."
Was für eine bösartige Unterstellung! Als hätte Markus Söder jemals Wert auf Schlagzeilen gelegt! Oder auf schöne Bilder vor den Säulen der Walhalla! Es geht einzig und allein um die Helden der Vergangenheit. Und deren Platz in Walhall ist begrenzt.
"Naja, sagen wir mal so: so viele Plätze gibt es jetzt auch nicht mehr drin. Es wird langsam eng. Und das wäre ein tolles Signal. Ich würde mich freuen, wenn es klappen könnte."
Eine kleine Walhalla, eine Wall-Hall of Fame, hat Söder schon mal in seinem Büro errichtet: Fotos von Stoiber mit Söder. Seehofer mit Söder. Merkel mit Söder. Und vor allem immer wieder Franz Josef Strauß! Söder kann sich eine FJS-Büste zwischen Albrecht Dürer und Ludwig dem Ersten gut vorstellen.
"Wer aber drin ist, wer reinkommt, das entscheidet nicht der Finanzminister. Wär zwar ne charmante Idee, aber entscheidet nach wie vor ein akademisches Gremium."
Ein akademisches Gremium namens "Bayerischer Ministerrat". In dem sitzen alle bayerischen Minister und Ministerpräsident Horst Seehofer. Zwölf Mal CSU. Die Chancen für Franz Josef Strauß auf die Walhalla stehen gar nicht so schlecht. Die Helden-Show "Bayern sucht den Super-Star" geht also weiter. Vier Plätze sind noch frei. Die Grundbedingung für jeden Kandidaten: er muss "teutscher Zunge" sein.
"Der König Ludwig hat eben noch die groß-teutsche Lösung angestrebt. Er war einer von jenen, die gemeint haben, nicht nur Österreich, sondern überall, wo teutsche Zunge gesprochen wird – das gehört zu uns, zu Teutschland. Das war zeitgenössisch sicher auch nicht verkehrt. Nur – auch daran sieht man (weil man sich ja mit den Preußen davon verabschiedet hat, andere Stämme mit dazu zu nehmen), wie stark das eine historische Momentaufnahme ist. Wie stark dahinter auch eine Vorstellung von teutscher Größe steht, die wir heute so nicht mehr teilen können."
Dass die Nationalsozialisten zwischen 1933 und 1945 die Walhalla nicht mit Nazi-Büsten überschwemmten, hat mit der zweiten Aufnahmebedingung zu tun: wer hinein soll in den Ruhmestempel, der muss lang genug tot sein, erklärt Dieter Borchmeyer.
"Gott sei Dank sind die allergrößten Scheusale der deutschen Geschichte dort nicht untergebracht. Man kann ja dort erst rein, wenn man zwanzig Jahre tot ist. Und nach dem Ende des Dritten Reiches, zwanzig Jahre danach, hatte natürlich weiß Gott niemand Interesse daran, die Nazi-Verbrecher dort aufzustellen. Also solche peinlichen Büsten gibt es dort Gott sei Dank nicht."
Ein Sammelsurium seltsamer Subjekte
Es reicht aber auch so für ein Sammelsurium seltsamer Subjekte. Geiserich steht in der Walhalla, der König der Vandalen. Gleich daneben Totila, König der Ostgoten, ein grausamer Kriegstreiber der Spätantike. Die Brüder Horsa und Hengest gelten heute als dubiose Kriegerfürsten – auch sie werden in der Walhalla geehrt. Und Friedrich Ludwig Jahn steht dort, der alte Turnvater, der so teutsch und völkisch war, dass keine Juden bei ihm vorturnen durften. Auf der anderen Seite: große Köpfe, über jeden historischen Zweifel erhaben. Goethe, Lessing und Schiller, Mozart, Beethoven und Schubert, Dürer, Kant und Einstein. Man merkt an dieser Aufzählung: es sind vor allem Männer. Frauen sind in der Walhalla Mangelware. Obwohl sich der bayerische Ministerrat seit 1980 bemüht, auch Heldinnen zu ehren. Wie die Nonne Karolina Gerhardinger, Gründerin der Kongregation der Armen Schulschwestern. Vom Papst 1985 selig gesprochen.
"Die Regierung hat im Prinzip versucht, die Frauenquote zu erhöhen. Hat sich aber bemüht, nicht über die Quotierung in der eigenen Fraktion hinauszugehen. Das heißt, wenn drei Männer reingekommen sind, hat man eine Frau reingetan. Damit hat man natürlich die Frauenquote von König Ludwig schon deutlich übererfüllt. Für CSU-Verhältnisse durchaus vorbildlich. Aber im Vergleich zur Restgesellschaft lächerlich. Wenn die in dem Tempo weitermachen, hat man in 1000 Jahren vielleicht die Hälfte mit Frauen besetzt. Aber wahrscheinlich auch nicht, weil sie immer wieder Männer nachschieben."
Vielleicht ist es aber auch ein bisschen kleinlich, einem so seltsamen Konstrukt wie der Walhalla eine Frauenquote zu verordnen. Eigentlich müsste man mit eisernem Besen auskehren – und all‘ die Gipsköpfe entfernen, die heute sowieso niemand mehr kennt. Man müsste Platz schaffen für moderne Helden. Helden des Alltags. Menschen mit Zivilcourage. Stattdessen sollen noch mehr Großkopferte rein, wie der Bayer das nennt. Der Ministerrat denkt sogar darüber nach, die Büsten ein wenig enger zusammenzurücken, damit mehr Platz ist im Göttertempel.
Zum 100. ein neues Museum
Ganz in der Nähe der Walhalla, am Donau-Ufer in Regensburg, drehen sich mächtige Kräne an einer der spannendsten Baustellen Bayerns. In Sichtweite der uralten Steinernen Brücke entsteht hier das "Museum der Bayerischen Geschichte". 2018 soll es eröffnen. Dr. Richard Loibl, der Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, freut sich schon auf die neue Ausstellungsfläche.
"Wir eröffnen quasi ein neues Haus. Wir eröffnen einen zweiten Sitz mit Regensburg. Das wird dann unser Museum mit einer ständigen Ausstellung. Das schenkt sich der Freistaat zum Jubiläum ´100 Jahre Freistaat` und ´200 Jahre fortschrittliche bayerische Verfassungskultur`. Ein Argument bei der Standortsuche – das war ja ausgeschrieben, es gab einen großen Wettbewerb – war die Nähe zur Walhalla. Zu einem früheren Monument (bayerischer Geschichte). Ich hab‘ das nicht so gern gesehen damals vor dem Hintergrund, dass das bei uns ganz anders wird. Wir machen ja keine Ansammlung von bayerischen Köpfen, die wir für besonders bedeutend erachten würden. Sondern wir zeigen einfach, wie der Freistaat Bayern das geworden ist, was er heute ist. Was ihn besonders macht und besonders machte."
Von der Walhalla aus wird man das neue Museum der bayerischen Geschichte sehen können. Umgekehrt wird es schwieriger. Und das ist Richard Loibl auch ganz recht so.
"Von dieser Heldenverehrung nehmen wir Abstand. Das ist nicht mehr in unserer Zeit. Das ist typisch 19.Jahrhundert. Die Walhalla ist ja ein Projekt Ludwigs I., für den die Formel sehr wichtig war: bayerisch bleiben und teutsch (damals hat man das mit T geschrieben), teutsch werden. Das war seine Identitäts-Politik, die man heute gar nicht mehr nachvollziehen kann. Auch damals ehrlich gesagt nicht, weil es zu verkopft war. Das hat die Leute nicht wirklich erreicht. Und die Walhalla ist eine Form dieses zur Zeit Ludwigs aufkommenden deutschen Nationalismus‘, der in Teilen Bayerns relativ früh auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Dieser Nationalismus hat uns aber nicht gutgetan. Also kann und sollte man die Walhalla – und der Historiker muss das natürlich machen – in erster Linie als Denkmal einer vergangenen Epoche begreifen."
Und so thront sie über der Donau – die Walhalla. Ob als eingefrorenes Museum oder fortgeschriebene Ahnengalerie – sie ist und bleibt unübersehbar. Ein Relikt bayrisch-deutscher Geschichte. Schön und schaurig zugleich.
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