Das Bild macht den Unterschied

Von Carsten Probst |
Das Foto vom Ort des Geschehens sagt mehr als jeder Text: Das war die Überzeugung in den Redaktionen der großen Magazine vor dem Siegeszug von Fernsehen und Internet. Die veränderten Bedingungen der dokumentarischen Fotografie ist Thema einer Schau in Berlin.
Robert Capa begleitete 1948 die Staatsgründung Israels, die Übergabe des Mandats durch die britische Armee und die mühsamen Anfänge für die Bevölkerung. George Roger dokumentierte die Befreiung des Vernichtungslagers Bergen-Belsen. Henri Cartier-Bresson durfte in den siebziger Jahren den Alltag in der damaligen Sowjetunion fotografieren, auf Einladung der sowjetischen Regierung. Die Gründerväter der Fotoagentur "Magnum" haben diese Bilder für Fotoserien in den großen Fotomagazinen wie "Life", "Stern" oder "Paris Match" gemacht, in einer Zeit, in der es das Fernsehen noch nicht gab und in der es in den Magazinredaktionen hieß: "The picture makes the difference", das Foto vom Ort des historischen Geschehens sagt mehr als jeder Text.

Felix Hoffmann: "Drum haben wir auch teilweise Serien faksimiliert und an die Wand geklebt, auch um dieses Vergängliche zu zeigen des Tagesjournalimus, weil die Bilder hier zum Teil einfach nie geplant waren, um sie in einer Ausstellung zu zeigen. Und oben im ersten Stock dann die jüngere Generation, die eben ganz stark Bilder entstehen lassen für den Ausstellungskontext. Und dann entstehen plötzlich auch Filme, Installationen, und die Bilder entstehen eben nicht mehr nur für das Magazin."

Erläutert Kurator Felix Hoffmann von der Galerie C/O Berlin. Die Ausstellung "Shifting Media" reflektiert anhand des Beispiels "Magnum" über die Entwicklung der Fotografie, insbesondere des journalistischen Bildes. Damit reflektiert das Ausstellungshaus zugleich auch über sich selbst.

Mit der Einführung des Fernsehens, später des Internets und der Digitalisierung der Fotografie haben sich die Voraussetzungen für die dokumentarische Fotografie völlig verändert. "Magnum" selbst ist auch Teil dieses Prozesses. Denn die Gründung von Fotoagenturen führte dazu, dass die Fotografen als Autoren die Rechte an ihren Bildern behalten und die Bilder mehrfach verkaufen konnten. So begannen ein- und dieselben Fotografien plötzlich mehrfach in völlig verschiedenen Kontexten weltweit aufzutauchen. Diese Wiederholung und zeitweilige Ikonenbildung, die für uns heute so selbstverständlich ist, führt in der weiteren Entwicklung dazu, dass bei den jüngeren Fotografen der Realitätscharakter und die massenhafte Zirkulation von Bildern hinterfragt werden. Agenturen wie "Magnum" selbst sind von dieser Entwicklung erfasst worden und müssen reagieren. Sie verkaufen nicht mehr nur Bilder, sie organisieren inzwischen auch Ausstellungen.

Jüngere Fotografen wie der Nordire Donovan Wylie beteuern allerdings ganz traditionell, dass für sie allein die Verantwortung vor der Sache selbst zählt. Er ist in dieser Ausstellung mit Fotografien eines Belfaster Gefängnisses zu sehen, das als Epizentrum des Nordirland galt:

"Fotografie ist, wie wir alle wissen, ein sehr begrenztes Medium. Deshalb denke ich nie daran, ob ich sie jetzt für einen Kunstkontext oder für ein Magazin mache. Ich sehe sie eher als Herausforderung: wie stellt man etwas in ihr dar. Wie lässt man das fotografische Bild umgehen mit diesem historisch so aufgeladenen Gegenstand? Das braucht seine Zeit. Für dieses Projekt habe ich ein Jahr lang fotografiert, insgesamt einhundert Tage für die Aufnahmen, aber was Sie als Endergebnis im Buch sehen, wurde in den letzten drei Tagen aufgenommen. Was habe ich also in den restlichen 97 Tagen getan? Ich habe versucht, die Fotografie dazu zu bringen, für dieses Projekt zu arbeiten."

Damit ist zugleich die Rolle von C/O Berlin umrissen. Man möchte Fotografie und ihre aktuelle Rezeption zeigen, zugleich aber auch die fotografische Arbeit an den Bildern selbst sichtbar machen, die Gründe für ihr Entstehen. Damit füllt dieses Haus ein Vakuum nicht nur in Berlin.

Stefan Erfurt, selbst erfolgreicher Fotograf und Mitbegründer von C/O Berlin, ist verständlicherweise stolz auf die letzten zehn Jahre:

"Wir haben nicht nur tausende Bilder in die Stadt geholt, sondern ich glaube, dass wir ganz viele Bilder in den Köpfen und Herzen der Berliner hinterlassen haben. Die langen Schlangen um das Postfuhramt herum zu Anni Leibovitz, oder wenn Sie bei unseren Eröffnungen waren, teilweise mehrere tausend Besucher, ich glaube, das sind Bilder zum Teil, die man nie vergisst. Und andererseits bin ich auch sehr traurig. Wir möchten nicht, wie die Berlinische Galerie, hervorragende Ausstellungen machen, aber irgendwo da, wo so wenig Besucher hinkommen. Wir suchen nach einem zentralen Ort, denn die Besucher sind die, die uns tragen. "

In dieser Sache, dem drohenden Hinauswurf aus dem zentral gelegenen, einstigen Postfuhramt, scheint sich nach neuesten Informationen zumindest noch einmal Verhandlungsbereitschaft seitens des Eigentümers anzudeuten. Ergebnis offenbar des bundesweiten Echos in den Medien auf die Pläne, die historische Immobilie in eine Shopping Mall zu verwandeln.

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