Milan Kundera: "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins"
S. Fischer, Berlin 1988
301 Seiten, 10,99 Euro
Milan Kundera: "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins"
02:54 Minuten
In der DDR war der Lebensroman von Katja Oskamp heiße Schmuggelware. Viele Jahre später las sie "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" von Milan Kundera erneut - mit einem anderen Blick und anderen Einsichten.
Es war im Jahr 1987. Ich war zarte 17 Jahre alt und es waren die letzten Jahre der DDR. Ich kam aus einem wohlbehüteten, ziemlich staatsnahen Elternhaus, und auf meinen jugendlichen Streifzügen geriet ich zufällig in die Dissidentenszene des Prenzlauer Bergs in Berlin, die inzwischen auch berühmt und viel beschrieben ist.
Das Ganze hatte weniger mit meiner politischen Einstellung zu tun. Es war eher eine hormonelle Entscheidung, denn man ist ja in diesen Jahren etwas abenteuerlustig und liebestoll. Zumindestens ich war das. In dieser Dissidentenszene verknallte ich mich unsterblich in einen sehr schönen Dissidenten, der den Wehrdienst verweigert hatte, überhaupt sein Ding machte und insgesamt viel sexyer war als alle Parteigenossen, die ich bis dahin kennengelernt hatte.
Geheime Liebesbotschaften
Er war ein Draufgänger und ein Genießer, und ich war sehr verliebt in ihn. Eines Tages gab er mir ein Buch zu lesen, der Schutzumschlag war abgelöst, und es war in Zeitungspapier eingewickelt. Es war die heißeste Schmuggelware, die ich je bekommen hatte. Denn das Buch war in der DDR verboten. Es war von Milan Kundera und hieß "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins".
Dieses Buch verschlang ich mit 17 Jahren, wie alles, was ich von dem schönen Dissidenten ergattern konnte. Ich suchte nach geheimen Liebesbotschaften, die ich natürlich auch in dem Buch fand. Es war die aufregende Liebesgeschichte zwischen Tomáš und Teresa. Und der Tomáš, der Hauptheld in diesem Buch, kam mir genauso vor wie mein schöner Dissident und ich selber fühlte mich ein bisschen wie die kleine Teresa.
Der schöne Dissident hatte wirklich einiges gemein mit dem Helden des Buchs, er hatte auch ein sehr wechselhaftes und vielfältiges Liebesleben. Er verlieh das Buch nicht nur an mich, sondern auch an andere Frauen. Und auch nicht nur das. Ich war sehr traurig, verlor ihn dann irgendwann aus den Augen.
Ein nostalgisches Verhältnis
Und viele, viele Jahre später, als ich das Buch dann ordnungsgemäß im Laden kaufen konnte, habe ich es gekauft und noch einmal gelesen. Ich war wirklich sehr erstaunt, dass − auch mit einem etwas kühleren Kopf − ich das Buch sehr gut fand, es mir sehr gut gefallen hat und ich es wahrscheinlich noch besser verstanden habe als damals.
Ich konnte plötzlich auch erkennen, dass es nicht nur Liebesszenen darin gab, sondern auch philosophische Einlassungen. Und dass ich es hier mit einem äußerst talentierten und großartigen Erzähler zu tun hatte, der gewissermaßen die erotische Biografie mit der politischen zu verbinden verstand. Seither zählt das Buch "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" zu einem meiner liebsten. Ich habe ein inniges und auch nostalgisches Verhältnis dazu.