Karriere einer Krankheit
Das Denguefieber befindet sich auf dem Vormarsch: Die Zahl der Infizierten hat sich in den vergangenen 50 Jahren verdreissigfacht. Experten schätzen, dass sich inzwischen rund 400 Millionen Menschen jährlich infizieren.
"Wir waren zum Urlaub in Thailand, waren zunächst in Bangkok für drei Tage und danach zur Erholung auf Koh Samui und ich denke, dass es dort passiert ist."
Die 35-jährige Jessika Rumpelt aus der Nähe von München dachte zuerst an eine Grippe, als sie von ihrem Urlaub zurückkam und sich nicht wohl fühlte:
"Ich hatte zunächst sehr sehr hohes Fieber und auch so Anzeichen einer Grippe, dadurch dass ich sehr starke Kopf- und Gliederschmerzen hatte. Und das waren wirklich so die ersten Symptome. Und dadurch, dass ich wusste, ok, Thailand ist ein Land in dem Dengue ist, nachdem keine weiteren Grippesymptome aufgetreten sind, ist das so für mich das Indiz, das könnte Dengue sein."
Das Denguefieber gehört zu den Krankheiten, die - bisher zumindest - in Deutschland noch nicht vorkommen. Wer also hierzulande an Dengue erkrankt, muss sich im Ausland infiziert haben - und das geschieht vor allem auf Fernreisen, nach Asien oder Südamerika. Thailand ist das Land, in dem sich die meisten deutschen Touristen infizieren, erklärt Christina Frank vom Robert Koch-Institut in Berlin. Sie arbeitet in der Abteilung für Infektionsepidemiologie:
"Man muss aber auch dazu sagen, dass Thailand ein ganz großes wichtiges Land unter den Fernreisezielen ist und eben auch sehr sehr viele Leute nach Thailand in Urlaub fahren. Und das Risiko für jemand, der nach Thailand in Urlaub fährt, dort Denguefieber zu bekommen, ist nicht größer, als wenn er vielleicht auf eine Insel im indischen Ozean fährt, wo viel weniger Leute hinfahren. Es kann sogar dort tatsächlich höher sein, aber weil da insgesamt weniger Leute hinfahren, taucht das auch dann in unserer Statistik seltener auf."
Denguefieber lässt sich in der ersten Woche der Erkrankung gut diagnostizieren
Sieben Tage lang hat Jessika Rumpelt über 40 Grad Fieber. Ihr Hausarzt schickt sie schließlich für eine Diagnose zum Tropeninstitut in München.
"Der Körper ist untersucht worden, dadurch dass man auch einen sehr sehr starken Ausschlag bekommt oder eine rote Färbung der Haut, auch die inneren Organe sind äußerlich dann abgetastet worden und dann wurde vor allen Dingen, das ist das entscheidende, ein Schnelltest des Blutes gemacht, um ausschließen oder bestätigen zu können, dass es Dengue oder eben auch Malaria ist."
Nothdurft: "Man kann das Denguefieber relativ gut diagnostizieren in der ersten Woche der Erkrankung, mit einem Nachweis eines spezifischen Antigens in einem Schnelltest. Dieses sogenannte NS1 Antigen kann man innerhalb von 10 Minuten feststellen und damit ist die Diagnose gesichert."
Prof. Hans-Dieter Nothdurft, Leiter der Reisemedizinischen Abteilung des Tropeninstituts der Ludwig Maximilians Universität München:
"Wenn die Krankheit schon etwas fortgeschritten ist, also mehr als eine Woche her, findet man nur noch Antikörper im Blut, das heißt nicht mehr einen Teil des krankmachenden Virus, sondern eben Antikörper dagegen, mit denen man dann auch eine Diagnose stellen kann."
Dengue ist weltweit auf dem Vormarsch: Die Infektionen sind in den vergangenen Jahrzehnten stark angestiegen, die Zahl hat sich seit 1960 verdreissigfacht.
"Es gibt geschätzte 400 Millionen Infektionen pro Jahr, unter denen 100 Millionen so schwer oder so sichtbar sind, dass ein Arzt aufgesucht wird."
Thomas Jänisch, Tropenmediziner an der Universitätsklinik Heidelberg. Seit 10 Jahren koordiniert er Forschungsprojekte der Europäischen Union, die sich mit Dengue beschäftigen. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO lebt inzwischen rund die Hälfte der Weltbevölkerung in Ländern, in denen Dengue heimisch ist:
"Dengue ist eine weltweite Pandemie, breitet sich in immer mehr Ländern aus, und immer mehr Länder melden immer mehr Fälle an die WHO. Es ist mittlerweile die häufigste durch Moskitos übertragene Erkrankung der Welt, hat also Malaria weit überholt in den Fallzahlen. Was die schweren Fälle angeht, bzw die Todesfälle, ist Malaria immer noch etwas mehr. Aber Malaria ist im Abnehmen begriffen weltweit und Dengue im Zunehmen."
Dengue wird zu wenig beachtet
Und nicht nur die Zahl der Infektion wächst, sondern auch die Gefahr plötzlicher explosiver Ausbrüche. Während andere Krankheiten, wie Malaria oder zuletzt Ebola, weltweit für große Beunruhigung sorgten, wurde Dengue lange zu wenig beachtet. Die WHO führt das Denguefieber deshalb auf der Liste der "neglected deseases", der "vernachlässigten Krankheiten".
"Dengue ist sicherlich viel ungefährlicher als Ebola: An Ebola sterben 50 bis 70 und teilweise 90 Prozent der Infizierten. An Dengue sterben, wenn die Zahlen stimmen, vielleicht 0,1 Prozent oder noch weniger. Also es ist sicherlich eine viel ungefährlichere Infektion als Ebola, aber es betrifft weltweit viel mehr Menschen und dadurch sind die schweren Fälle und die Todesfälle, die pro Jahr an Dengue auftreten immer noch mehr, als die, die an Ebola aufgetreten sind."
Erste Berichte über Dengue datieren aus dem Jahr 1779:
"Der damalige Physikus auf Java, David Brylon, berichtet kurz von einer epidemischen Krankheit unter dem Namen Knockelkoorts, die in Batavia viele Inländer und Colonisten befiel."
Heißt es dazu in einem medizinischen Handbuch aus dem Jahr 1886.
"Die schmerzhafte Beeinträchtigung der Bewegungen, welche zu einer genirten und deshalb dem Zuschauer geziert erscheinenden Gangart nöthigt, führte in den tropischen Colonien der Holländer zu dem Namen Knockelkoorts (Knöchelfieber), in den englischen Colonien zu der Bezeichnung: Dandy- oder Pantomime-fever. In Nordamerkika wird die Krankheit Broken-wing oder Breake-bone-fever, in Brasilien Fievre-Polka, in Arabien Aburuka-Bah (Vater des Knies), in Spanien la pantomina oder la piadosa (die Bedauern erregende) genannt."
Die Krankheit galt damals als hoch ansteckend.
"Die Beobachtung der Epidemien ergibt, dass sie überall dem Verkehr folgen, - bei der Wanderung über das Meer dem Schiffverkehr, auf dem Lande den Hauptstrassen (Mekka, Medina, Aden und resp. Egypten), den Flüssen oder Eisenbahnen entlang (Indien)."
Dengue-Fieber wird durch zwei Mückenarten übertragen
Als dieses Handbuch Ende des 19. Jahrhunderts erschien, wusste man noch nicht, dass das Fieber von Mücken übertragen wird. Um Übertragungen von Mensch zu Mensch zu vermeiden, wurde damals strenge Quarantäne empfohlen. Heute weiß man, dass Dengue eine Viruserkrankung ist, die nicht direkt übertragen werden kann - außer bei Bluttransfusionen - sondern eben nur durch Mückenstiche. Überträger des Virus sind zwei Mückenarten, die Gelbfiebermücke, Aedes aegypti und die Tigermücke, Aedes albopictus:
Rumpelt: "Ich hatte über 40 Mückenstiche und ich weiß nicht, welcher der ausschlaggebende dann war."
Eine solche Viruserkrankung lässt sich nicht medikamentös behandeln, es lassen sich nur die Symptome lindern. Hans-Dieter Nothdurft vom Tropeninstitut in München:
"Es ist sehr hilfreich, wenn man das Fieber senkt und wenn man auch die Schmerzen nimmt, weil die Leute haben extrem starke Kopfschmerzen und auch Muskel- und Gliederschmerzen, da kann man schon was tun. Die Patienten, die das Dengue-Fieber durchgemacht haben, in der Regel ist die akute Phase nicht länger als zehn Tage, leiden oft noch längere Zeit, oft bis zu Monaten noch an allgemeiner Schwäche und Müdigkeit und Erschöpfung. Das dauert also eine ganze Weile bis der Körper wirklich das voll überwunden hat."
Der Tropenmediziner weiß das aus eigener Erfahrung, vor 30 Jahren hatte er selbst das Denguefieber, als er eineinhalb Jahre für die Flüchtlingshilfe vom Internationalen Roten Kreuz in Thailand arbeitete:
"Ich kann mich noch ganz gut erinnern an diese extremen Gliederschmerzen, dass ich das Gefühl hatte, als wäre irgendwie ein Bulldozer über meine Beine drüber gefahren, so fühlte sich das an. Und ich musste auch einige Zeit stärkere Schmerzmittel nehmen, um das aushalten zu können."
Dennoch ist die Erstinfektion in der Regel ungefährlich. Das Problem: Der Körper baut keinen sicheren Immunschutz auf. Auch nach einer Erkrankung ist man nicht vor Dengue geschützt, erklärt Professor Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg:
"Was typisch ist für das Dengue-Virus oder wir sagen auch die Dengue-Viren, es gibt nämlich vier verschiedene Serotypen, ist genau das, dass es nämlich vier Serotypen gibt. Und das macht das ganze so gefährlich, denn wenn man einmal eine Infektion mit einem Serotyp hatte, kann man sich immer noch mit den drei weiteren infizieren. Es besteht dort keine Immunität gegenüber den anderen Serotypen und das ist eben das gefährliche, weil eben eine Zweit- oder Drittinfektion mit einem anderen Denguevirusserotyp schwerwiegend verlaufen kann. Wir sagen dazu denguehämorrhagisches Fieber. Das ist ein Fieber, das mit Blutungen einhergehen kann und das kann im schlimmsten Fall tödlich verlaufen, wenn es nicht behandelt wird oder nicht erkannt wird."
Die Antikörper im Blut nach der Erstinfektion sind eine Erklärung dafür, dass eine zweite Infektion schwerer verlaufen kann. Denn diese Antikörper können einen anderen Serotyp binden, aber nicht vollständig neutralisieren. Dadurch können sich die Viren weiter vermehren und irgendwann kommt es zu einer verspäteten, überschießenden Reaktion des Immunsystems:
"Und diese überschießende Immunreaktion richtet sich nun gegen bestimmte körpereigene Zellen und führt eben zur Zerstörung zum Beispiel von Endothelien, das sind also die Zellen, die die Gefäße auskleiden, und dadurch kommt es dann eben zu diesen Blutungen, ja, das ist ein Modell, das diese schweren Verläufe erklären soll."
Das Virus kommt ursprünglich aus Westafrika und Südostasien
Das Virus, das lange Zeit nur zwischen Affen und Mücken zirkuliert, hat vermutlich zwei Ursprungsorte: Westafrika und Südostasien und dort den Urwald Indonesiens und Malaysias.
Mit den Mücken, den Überträgern der Krankheit, reiste das Virus sogar über Meere, von Kontinent zu Kontinent. Beginnend im 19. Jahrhundert, begünstigt auch durch den Sklavenhandel:
"Das weiß man ja relativ genau über das Gelbfieber-Virus, das ist aus Afrika genau mit dem Sklavenhandel nach Südamerika gelangt. Und ähnliches lässt sich eben auch für das Dengue-Virus vermuten, jetzt natürlich nicht nur wegen der Sklaven, sondern auch insgesamt, weil eben Waren auch schon früher auf den Schiffen nach Australien, nach Japan, nach Thailand verschifft wurden und somit auch die Stechmückeneier, die Stechmückenlarven oder die Stechmücken als solche, die dann genau solche Fahrten auch ohne Probleme überstanden haben und das Virus in sich getragen haben und das Virus sich neue Kontinente und Erdteile erschlossen hat."
In den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gelangte Dengue bis nach Europa, in Griechenland kam es zu einem größeren Ausbruch der Krankheit. In den 1940er Jahren wurden ausgedehnte Epidemien in Japan und im Pazifik beobachtet,
"Während des Zweiten Weltkrieges stellte die Dengue für die Truppen besonders im pazifischen Raum und im Fernen Osten ein ernstes Problem dar. Es kam besonders in militärischen Einheiten, welche aus nicht verseuchten Ländern in die endemischen Dengue-Gebiete verlegt wurden, schnell zu Massenausbrüchen. Diese Beobachtung wurde bereits um die Jahrhundertwende während des spanisch-amerikanischen Krieges auf den Philippinen gemacht."
Thomas Jänisch hat in einem Forschungsprojekt eine Dengue-Weltkarte erarbeitet, und weiß, wo die Krankheit heute am häufigsten vorkommt: in Südostasien und in Lateinamerika:
"In Südostasien hat es eine sehr hohe Grundhäufigkeit, während in Lateinamerika es eher einen epidemischen Charakter hat, das heißt, es ist für eine Zeitlang vielleicht etwas still und dann kommt ein großer Ausbruch, typischerweise in einer der Großstädte, der Millionenstädte in Lateinamerika. Was Afrika angeht, wissen wir im Moment noch nicht genau, warum scheinbar es in Afrika weniger häufig ist, obwohl alle Umgebungsbedingungen für ein Vorhandensein des Virus dort vorhanden sind und auch genügend Austausch global zwischen den Bevölkerungen besteht. Also wenn man sich Flugbewegungen und Handelsbeziehungen ansieht, dann gibt es einen regen Austausch zwischen Ostafrika und dem indischen Subkontinent und Asien. Das kann allerdings sein, dass es sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sich dann auch Afrika so entwickeln wird und mehr Dengue aufzeigen wird. Das wissen wir im Moment noch nicht."
Wenn die Mücken gute Lebensbedingungen vorfinden, steigt die Gefahr, dass Dengue-Epidemien ausbrechen. Thomas Jänisch nennt Dengue eine "Modellerkrankung" der Slums und Megastädte des Süden, mit hoher Bevölkerungsdichte, hoher Mobilität und schlechter Wasserversorgung:
"Das sind dann auch die Begünstigungsfaktoren: Menschen die eben keine Wasserversorgung aus dem Wasserhahn haben, sondern ihr Regenwasser sammeln, dann gibt es in den Wassertonnen die Möglichkeit, dass dort die Moskitos brüten, es werden Blumenvasen aufgestellt oder auch Gemüse, in diesen Vasen, wenn das Wasser nicht häufig genug gewechselt wird, in den Untersetzern sammelt sich Wasser, das die Moskitos benutzen kommen, um dort zu brüten. Und dann gibt es einfach vielerlei Brutmöglichkeiten in weggeworfenen Müll. Und dort wo sehr viel Müll herumliegt, dort wo sehr viel gebaut wird, sehr viele Bautätigkeiten unterbrochen werden und später weiter geführt werden, also halbfertige Baustellen vorhanden sind, dort finden sich ideale Brutbedingungen für die Moskitos."
Stechmückenpopulation muss reduziert werden
Der Kampf gegen die Krankheit wird auf mehreren Ebenen geführt, ein wichtiger Faktor ist die Kontrolle der Stechmückenpopulation. Hier werden verschiedene Ansätze verfolgt, angefangen damit gentechnisch veränderte unfruchtbare Mückenmännchen auszusetzen, um den Nachwuchs zu reduzieren. Jonas Schmidt-Chanasit:
"Es gibt Stechmücken, die man mit einem Bakterium infiziert, damit sie nicht empfänglich werden für das Dengue-Virus. Dann gibt es die klassischen Bekämpfungsmethoden mit Insektiziden, dann gibt es die Bekämpfungsmethoden mit ja, grüner Technologie, das ist das sogenannten "Bacillus thuringiensis israelensis Toxin", das auch bei uns in Deutschland sehr erfolgreich eingesetzt wird. Das ist also ein Toxin aus Bakterien, das nur Stechmückenlarven abtötet, was auch relativ nachhaltig ist im vergleich zur adulten Kontrolle, wo sie nur adulte Stechmücken bekämpfen mit den Insektiziden. Und ein ganz wichtiges Gleis ist natürlich Aufklärung der Bevölkerung, Vermeidung von Brutstätten, weil eben gerade die Überträgermücken kleinste Wasseransammlungen nutzen können. Und dort ist es ganz wichtig die Bevölkerung aufzuklären, wo sind die Brutstätten, wie kann man das vermeiden, Abfallentsorgung, eine ganz wichtige Rolle, weil wirklich jeder weggeworfene Plastikbecher eben eine Brutstätte darstellen kann in diesen tropischen Ländern."
Große Hoffnungen wurden lange in die Entwicklung von Impfstoffen gesetzt, besonders in stark betroffenen Ländern wie Brasilien, wo bereits der Verkauf eines Impfstoffes genehmigt wurde:
"Es gibt einen Impfstoff, der jetzt die klinischen Studien durchlaufen hat und dieser Impfstoff hat eine Schutzrate von sagen wir mal 60 Prozent, insgesamt, plus minus. Das verteilt sich dann nochmal auf die verschiedenen Serotypen, da gibt es Serotypen, bei denen die Schutzrate niedriger ist und andere bei denen sie höher ist. Das sieht außerdem so aus, dass der Impfstoff besser wirkt, wenn ein Mensch sich schon einmal mit Dengue infiziert hat. Das heißt, er wäre eher in Ländern wichtig, wo Dengue vorhanden ist und Menschen sich schon einmal exponiert haben, schon mal infiziert haben und dieser Impfstoff sie noch weiter schützt zusätzlich zu den Antikörpern, die sie schon aufgebaut hat. Allerdings ist dieser Schutz nicht vollständig."
Es kann also sein, dass gegen den Serotyp, der gerade im Umlauf ist, kein ausreichender Schutz besteht. Wichtig ist auch, dass dreimal geimpft werden muss. Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut ist deshalb auch eher skeptisch:
"Gerade in Brasilien, das ja besonders stark eine Wirtschaftskrise hat zur Zeit, da wäre ich sehr überrascht, wenn jetzt dort die Kinder - und um die geht es ja, es sind ja hauptsächlich Kinder, die betroffen sind von den schweren Verläufen, dass die jetzt dort alle drei Impfungen bekommen sollen. Insbesondere in diesem schwierigen sozialen Umfeld in Brasilien. Ich weiß nicht, wer dort in die Favelas geht und die Kinder drei mal impfen soll, und das sind ja grad die problematischen Gruppen in den Favelas, wo man ja jetzt schon nicht reinkommt um dort Bekämpfung zu machen, was ja ein ganz wichtiger Zweig ist der Dengue-Virus-Kontrolle, also Bekämpfung von Stechmücken, das ist ja alleine schon ein Problem in Brasilien. Und ich kann mir jetzt schwer vorstellen, wie dort jetzt doch eine recht komplizierte Impfung mit drei notwendigen Impfungen dort in diesen problematischen Gebieten gut umgesetzt werden könnte."
Die Fallzahlen steigen, weltweit und auch in Deutschland. Inzwischen werden bei uns jährlich rund 600 Infektionen gemeldet. Weil nicht jeder Erkrankte zum Arzt geht oder die Krankheit nicht immer richtig diagnostiziert wird, könnte der Wert noch höher liegen. Der Grund für die steigenden Fallzahlen in Deutschland ist die verstärkte Reisetätigkeit und die größere Ausbreitung der Überträgermücken, erklärt Hans-Dieter Nothdurft vom Tropeninstitut in München:
"Die Überträgermücken gehören zu der Gattung Aedes, dazu gehören Aedes ägypti und Aedes albopictus und die sind extrem anpassungsfähig an Klimaänderungen. Und durch die globale Erwärmung, kann man wirklich sagen, hat sich das Gebiet, in dem die Dengue-Mücken vorkommen und sich halten können das Jahr über, erheblich vergrößert. Und das ist der Grund, warum deswegen auch in mehr Ländern als noch vor 20 Jahren Dengue-Fieber vorkommt."
Die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien 2014, wo im Vorfeld immer wieder vor Dengue-Infektionen gewarnt wurde, schlug sich allerdings nicht in den Fallzahlen in Deutschland nieder. Christina Frank vom Robert Koch-Institut:
"Wir hatten in den Jahren vor der WM im ganzen Jahr aus Brasilien immer so ungefähr sieben bis 28 Fälle, irgendwo dazwischen. Und wir hatten 2014, also im Jahr der WM 21 Fälle. Das liegt genau in dieser Spanne und das obwohl natürlich zur WM ein paar mehr Deutsche vermutlich nach Brasilien gereist sind. Allerdings hat die WM glaube ich in einer Zeit stattgefunden, wo auch in Brasilien nicht allzuviel Dengueinfektionen passieren, also in nicht Endemiezeit sozusagen."
Die Dengue-Viren sind inzwischen auch auf dem Weg nach Europa und nach Deutschland:
"Ich gehe davon aus, dass Dengue-Fieber bald auch bei uns in Deutschland, vor allem auch in wärmeren Gebieten, wie zum Beispiel am Oberrhein übertragen werden kann."
2010 infizierte sich ein deutscher Rentner im Urlaub in Kroatien. 2013 kam es zu einem Dengue-Fieber-Ausbruch auf der portugiesischen Ferieninsel Madeira, ausgelöst durch die Gelbfiebermücke. Und seit einiger Zeit werden immer wieder auch Tigermücken in Deutschland gesichtet, vor allem in Süddeutschland. Im Raum Freiburg überwintern sie bereits. Hinweise gibt es inzwischen auch aus Thüringen, Bayern und Nordrhein-Westfalen.
Mückeneier kommen in gebrauchten Reifen aus Asien nach Deutschland
Die Tigermücken kommen mit Reisenden im Auto oder LKW über die Alpen und werden an Raststätten freigesetzt, dort findet man sie immer wieder in speziellen Mückenfallen. Sie kommen aber auch von weiter her, der Gebrauchtreifenhandel hilft beim Mückentransfer. Per Schiff gelangen Reifen aus Asien nach Europa, wo sie zerschreddert und für den Straßenbau genutzt werden. Mit verschifft werden Eier der Mücken, die vorher in Wasserpfützen in den Reifen abgelegt wurden. Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamtes, führt das Heimwischwerden auf den Klimawandel zurück:
"Sie kennen das Beispiel der Tigermücke, die wir im Rheingraben schon identifiziert haben, Krankheitserreger wie Zecken, Nager, die sich ausbreiten, bis hin zu Ambrosia, der Klimawandel begünstigt einfach das Eindringen solcher Arten und letztlich ist das auch eine Folge der Globalisierung."
Die entscheidende Rolle für die Ausbreitung der Tigermücke im Süden Deutschlands spiele weniger der Klimawandel, als vielmehr der Reise- und Warenverkehr aus Italien, erklärt Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut.
"Und wir beobachten seit dem Jahr 2007 sehr genau in Deutschland, wo das erste mal Tigermückeneier nachgewiesen wurden, mittlerweile gibt es, das kann man sagen, etablierte Populationen, in Freiburg zum Beispiel, also Massenauftreten der Tigermücke, italienische Verhältnisse. Und die haben natürlich gar kein Problem, den Winter hier zu überstehen, also Minusgrade kann die Tigermücke durchaus verkraften, anders sieht es aus bei der Gelbfiebermücke, die Gelbfiebermücke ist ja der klassische Vektor, der ursprüngliche Vektor für das Dengue-Virus, die braucht in der Tat wärmere Temperaturen, deshalb kommt sie im Festlandeuropa eigentlich auch noch nicht vor, sondern nur auf der Ferieninsel Madeira, aber die Tigermücke ist in Europa weit verbreitet, Spanien, Italien, Frankreich, Griechenland, Schweiz, und eben jetzt auch im Südwesten von Deutschland, und die wird sich sicherlich, wenn man jetzt nicht massiv dagegen vorgeht, weiter ausbreiten, und somit steigt das Risiko, Dengue-Virus-Infektionen oder Infektionen mit anderen Arboviren, die von der Tigermücke übertragen werden, hier in Deutschland zu erwerben."
Bisher ist das aber noch nicht passiert, das heißt, die Tigermücken, die jetzt in Deutschland heimisch sind, tragen das Virus wahrscheinlich noch nicht in sich. Das kann aber noch kommen. Zum Beispiel dadurch, dass ein Reisender mit Dengue-Fieber aus Thailand nach Freiburg zurückkehrt, wo die Tigermücke bereits in großer Zahl in einer Gartenkolonie nachgewiesen wurde, besonders in Regenwassertonnen, zum Teil mehrere hundert pro Container. Wenn jener Reisende nun in dieser Gartenkolonie von einer Tigermücke gestochen würde, könnte sich das Virus dann über die örtliche Population ausbreiten. Dafür müssten aber mehrere Bedingungen erfüllt sein, erklärt Christina Frank vom Robert Koch-Institut. Der Reisende müsse auch zu einem passenden Zeitpunkt nach Deutschland zurückkehren, wenn er die Viren noch im Blut hat, die sich im Körper vermehrt haben.
"Diese Phase, man nennt das Viremie, ist bei Denguefieber relativ kurz, und gerade in dieser Zeit muss er dann in Deutschland einer dieser Mücken begegnen, die sich hier vielleicht angesiedelt haben. Und diese Mücke muss dann auch für die nächsten Wochen die richtigen klimatischen Bedienungen vorfinden, damit im Mückenkörper ein Prozess ablaufen kann, der dazu führt, dass wenn die Mücke das nächste Mal einen Menschen beißt, sticht, dann eben auch das Virus auf einen weiteren Menschen überträgt. Und damit sie so eine Art richtigen Ausbruch hinkriegen würden, müsste dieser Prozess auch mehrmals hintereinander ablaufen und die klimatischen Verhältnisse, ein heißer Sommer, ein außergewöhnlich warmer Herbst oder so, das müsste dann über relativ viele Wochen gegeben sein, damit es eben zu mehreren Generationen von Infektionen kommen kann."
Flüchtlinge können das Virus nicht verbreiten
Jonas Schmidt-Chanasit geht davon aus, dass es nur eine Frage der Zeit ist, wann es erste Dengue-Infektionen in Deutschland geben wird:
"Naja, das hängt eben damit zusammen, wie groß die Dichte dieser Tigermücken ist, wenn es eben nur so ein paar gibt, wie es in der Vergangenheit gewesen ist, mal zehn, zwanzig an den Autobahnraststätten, dann ist das Risiko natürlich extrem gering. Aber wenn es eben 3.000 gibt, wie in dieser Kleingartensiedlung, dann ist das Risiko höher, dann kann man natürlich sagen: Früher oder später wird das passieren, ja sicherlich."
Fragt sich nur, welches Ausmaß die Infektionen dann haben werden:
"Dieser asiatische Tigermoskito hat sich bisher in Europa, ist er nicht in Verbindung gebracht worden mit Ausbrüchen, sozusagen explosivem Ausbrechen von Dengue, sondern nur mit einzelnen Infektionsketten, relativ kurzen kleinen Infektionsketten von vielleicht drei bis vier Leuten, das heißt wir werden auch in den nächsten Jahren vermutlich immer wieder in Europa zugezogenen Dengue Infektionen im kleinen Rahmen haben, aus Frankreich, Kroatien, den Mittelmeerländern. Die große Menge der Infektionen, die nach Europa kommen, werden importierte Infektionen aus Asien oder Lateinamerika sein."
Die Befürchtung, dass die hier ankommenden Flüchtlinge das Virus in Deutschland ausbreiten könnten, ist unbegründet.
Nothdurft: "Das Dengue-Fieber hat ja eine relativ kurze Inkubationszeit, das heißt ein bis zwei Wochen bis die Krankheit ausbricht, in der Regel sind die Flüchtlinge deutlich länger unterwegs, sodass wir das hier in Deutschland, wenn sie hier ankommen, eigentlich nicht mehr sehen, das ist eigentlich überhaupt kein Problem bei Flüchtlingen. Dort sehen wir andere Krankheiten, sei es chronische Krankheiten, wie chronische Hepatitis, Leberentzündung oder auch Tuberkulose, wir sehen auch Läuse, Rückfallfieber und Malaria, das ist etwas, was wir aus Eritrea und Äthiopien stammenden Flüchtlingen doch deutlich gehäuft sehen."
In Deutschland gibt es bisher nur einen Todesfall
Jessica Rumpelt konnte nach fünf Wochen wieder zur Arbeit gehen, auch wenn sie sich noch schwach fühlte. Hat sie Angst, sich auf einer Fernreise noch einmal anzustecken?
"Ja, schon, einfach dadurch dass diese ersten zwei Wochen wirklich sehr sehr heftig waren, das hatte ich noch nicht erlebt, besteht da durchaus für mich so Bedenken, mich noch mal anzustecken, ja."
Trotzdem will sie weiter in die Ferne reisen, auch in Länder, in denen die Gefahr besteht, sich ein zweites Mal mit Dengue zu infizieren. Tropenmediziner raten nicht davon ab, selbst wenn eine erneute Infektion schwerer verlaufen könnte:
"Es gibt so Hochrechnungen, die sagen, dass die Wahrscheinlichkeit bei einem zweiten Dengue-Fieber einen schweren Verlauf zu haben, unter ein Prozent liegt, es ist eine Prozentzahl, die zwar statistisch signifikant ist, aber die eigentlich für das praktische Leben nichts bringt."
In Deutschland gab es bisher erst einen Todesfall, der auf Dengue zurückzuführen ist, auf eine innere Blutung nach schwerem Verlauf. Global sieht das anders aus, denn in vielen Ländern, wie Brasilien oder Indien, wo Dengue vermehrt auftritt, ist die medizinische Versorgung nicht so gut wie bei uns. Darunter leiden besonders Kinder. Der Tropenmediziner Thomas Jänisch arbeitet deshalb gerade an einem Forschungsprojekt, mit dem Ziel, herauszufinden, wie man erkennen kann, ob die Krankheit einen schweren Verlauf nimmt oder einen leichten, wer also eine intensive medizinische Versorgung braucht und wer nicht:
"Das ist eben wichtig, um in solchen Ausbruchssituationen die Krankheit adäquat zu versorgen und die Ressourcen adäquat zu verteilen."
Das Ziel der Grundlagenforschung ist es noch immer, die Krankheit, zum Beispiel den schweren Verlauf und ihre Ausbreitung besser zu verstehen, dabei spielt auch die Stechmückenimmunologie eine Rolle.
Schmidt-Chanasit: "Die Stechmücke hat ja auch ein Immunsystem und wie reagiert das auf eine Dengue-Infektion, was passiert, wenn sich so eine Stechmücke mit zwei Dengue-Viren gleichzeitig infiziert. Wie viele Dengue-Viren werden über die Eier weiter gegeben an die nächste Stechmückengeneration, welchen Einfluss hat die Temperatur darauf. Tigermücke ist nicht gleich Tigermücke, es gibt auch unterschiedliche Tigermückenpopulationen, wie es eben beim Menschen auch die Genetik eine große Rolle spielt und das alles versteht man eben zum Teil noch überhaupt nicht."