Die Nürburgring-Story
Drei Jahre nach der Insolvenz ist der Nürburgring privatisiert - doch die rheinland-pfälzischen Steuerzahler hat das viel Geld gekostet. Und die Idee der SPD-geführten Landesregierung, die Rennstrecke profitabel zu machen, ist gescheitert. Auch die Formel 1 bleibt dieses Jahr weg - ein einziges Desaster.
Der Nürburgring: einzigartig kurvenreich, einzigartige Höhenunterschiede.
"Drüben auf der Hedwigshöhe, in einer Entfernung von zwei Kilometern Luftlinie sehen wir die Strecke in einer Steilkurve hinunterkommen."
Hecken und Bäume bis direkt an die Strecke – "grüne Hölle" nannte der schottische Rennfahrer Jackie Stewart die Nordschleife. Wer sie bewältigt: ein Held der Moderne. Die sagenhaften Herausforderungen des Rings und die Helden, die sie meistern, begründen den Mythos.
"Und dort hintereinander die beiden roten Punkte Rudolf Caracciola, mit einem weißen Mützchen, und dicht hinter ihm sein großer Widersacher Nuvolari."
Zwei Männer mit italienischen Nachnamen: der Rheinländer Rudolf Caracciola, genannt Caratsch, und der Lombarde Tazio Nuvolari, Rennstars der zwanziger, dreißiger Jahre.
"Caratsch nimmt verbissen den Kampf gegen ihn auf. Aber das Blatt hat sich gedreht: Rudolf Carraciola führt!"
Große Bühne für die deutschen Motor- und Karosseriebauer
Am 19. Juni 1927, dem Tag nach der Eröffnung des Nürburgrings, gewinnt Caracciola das erste Mal auf der neuen Strecke. Fünf Siege fährt der gelernte Autoverkäufer beim Großen Preis von Deutschland auf der anspruchsvollen Nordschleife ein, viermal davon auf Mercedes Benz. Mit Caracciola erfüllt sich die Hoffnung, die Auto-Fabrikanten und ihre Zulieferer seit Ende der zwanziger Jahre an den Bau der staatlichen Eifelstrecke knüpfen: dass sie die Leistungsfähigkeit deutscher Motor- und Karosserietechnik demonstriert und – im Härtetest – deren Entwicklung vorantreibt.
Hätten die deutschen Autohersteller den nationalen Parcours zu Test- und Werbezwecken selbst bezahlen müssen, dann hätten sie ihn wohl kaum in ein abgelegenes Hochland mit rauem Wetter gesetzt. Doch genau da sollte er aus politischen Gründen hin. "Produktive Erwerbslosenhilfe" hieß das in der Weimarer Republik. Der Bau des Nürburgrings - eine gigantische staatsfinanzierte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für "Preußisch-Sibirien". Dazu bestimmt, den "Notstand" in der Eifel zu überwinden. Vier Millionen Reichsmark bewilligte der preußische Wohlfahrtsminister zur Grundsteinlegung 1925, zehn Millionen musste sein Ressort für gestiegene Baukosten drauflegen. Zwei Jahre später eröffnete Heinrich Hirtsiefer die "Gebirgs-, Renn- und Prüfungsstrecke". Hoch zufrieden war der Wohlfahrtsminister von der Zentrumspartei mit diesem grandiosen ABM-Erfolg:
"Selten konnten Gelder, die als Notgroschen gedacht waren, so gut benutzt werden. Sie gaben Tausenden von arbeitswilligen Menschen die Selbstachtung wieder."
Neue Ministerpräsidentin muss die Scherben ihrer Vorgänger zusammenkehren
Auch im 21. Jahrhundert verschlingt der Nürburgring so manchen "Notgroschen". Nach Meinung von Rechnungsprüfern und einer breiten Öffentlichkeit aber nicht mehr gut genutzt. Dass die SPD-Alleinregierung mit ihrem gigantischen Freizeitpark-Projekt auf Möchtegern-Investoren und ungedeckte Schecks hereinfiel, war 2009 Tiefschlag Nummer eins. Der katapultierte als Spätfolge eine sozialdemokratische "Wohlfahrtsministerin" in die rheinland-pfälzische Staatskanzlei.
Die vormalige Sozialministerin Malu Dreyer muss als Ministerpräsidentin die Scherben zusammenkehren, die Vorgänger Kurt Beck und seine Mannen am Ring hinterließen. Dass der Versuch, den Ring mit einem neuen Konzept zu retten, 2012 in der Insolvenz mündete – Tiefschlag Nummer zwei. Die EU-Kommission prüfte die Vorgänge und erklärte die Millionen-Zuschüsse des Landes zu "illegalen Beihilfen". Immerhin machte die Kommission ein Zugeständnis: ein neuer Käufer würde die unerlaubten Subventionen nicht ans Land zurückzahlen müssen. Was bei aller Erleichterung auch bedeutet, so Malu Dreyer,
"dass der Schaden beim Steuerzahler bis zu einer halben Milliarde, irgendwo zwischen 400 Und 500 Millionen sein wird. Das ist das, was wir in der Vergangenheit einfach falsch gemacht haben."
Dreyer spricht in der Wir-Form. Und da gibt ihr Julia Klöckner als christdemokratische Herausforderin für die Landtagswahl 2016 ausnahmsweise mal Recht:
"Es ist ein rotes Amigo-System, denn ganze viele, übrigens auch die Ministerpräsidentin, haben davon profitiert und auch mitgestimmt."
Einige Genossen wie den früheren Finanzminister schickte die Regierungschefin Ende vergangenen Jahres bei einer Kabinettsumbildung in den vorzeitigen Ruhestand. Ihre Absicht, damit die endlosen Diskussionen um die Verantwortlichkeiten fürs Nürburg Debakel zu beenden, scheint aufgegangen zu sein. Rot-Grün hat in Umfragen jetzt wieder die Nase vorn, mag die CDU-Opposition noch so laut über mangelnde Aufklärung wettern. Die Grünen, die – anders als die Union übrigens – immer gegen das Mega-Projekt am Ring opponiert hatten, trumpfen auf. Fraktionschef Daniel Köbler:
"Wir Grüne sorgen dafür, dass es solche Steuerverschleuderung für Prestigeprojekte nie wieder geben wird in Rheinland-Pfalz."
Mainzer Polit-Scharmützel schaden den Geschäften am Ring
"Wir haben gelernt", formulieren eher kleinlaut die Sozialdemokraten. Von den Mainzer Polit-Scharmützeln zurück in die Eifel, zum Ring: Bis heute nutzt die Industrie die Nordschleife fürs Erproben geheimer Prototypen, sogenannter "Erlkönige". Teams und Zulieferer haben sich im benachbarten Gewerbepark angesiedelt. Geschäfte am Ring machen nicht nur die Produzenten schnittiger Sportwagen, auch LKW-Hersteller und Spediteure sind dabei. Wie beim Truck-Grand-Prix, eine von dreizehn Großveranstaltungen des ADAC Mittelrhein am Ring. "Der ist wichtig für uns", bekennt Carsten Schumacher als Geschäftsführer der Capricorn-Nürburgring GmbH.
"Es ist eine große Publikumsveranstaltung, auch eine Messe. Zwar keine direkte Verkaufsmesse, aber die Hersteller stellen ihre Produkte vor, ebenso wie die Reifenhersteller. Und das ist natürlich auch eine Form von Kundenbindung. Insofern darf man ja all das, was wir hier machen an Veranstaltungen, nicht trennen von dem, was die Industrie hier will, nämlich ihre Produkte verkaufen."
Fünf Tonnen Eisen und Stahl, rund 1.500 PS, von 0 auf 160 in fünf Sekunden. Mit mehr als einem Liter Diesel pro Kilometer. Daten, die Race-Truck-Fans in Verzückung versetzen. Der Laie sieht rasende Führerhäuser, die wie zu kurz geratene LKW aussehen. Und fragt sich, ob so etwas in Zeiten geschärften Umweltbewusstseins zeitgemäß ist. Doch die Truck-Rennen von heute sind ein vergleichsweise sauberer Spaß. Früher vernebelten schwarze Dieselschwaden die Sicht und raubten den Atem. Der Truck-Grand-Prix am Ring feiert immerhin dreißigjähriges Jubiläum. Und zieht heute an drei Sommertagen über 100.000 Besucher an. Franz-Rudolf Ubach, Sport-Vorstand des ADAC Mittelrhein, kommentiert:
"Diese Kombination aus Rennen, aus Industriemesse oder im südlichen Teil unten dieses Trucker-Country-Music-Fest, das zieht immer wieder Leute an."
In diesem Jahr keine Formel 1 am Ring
Allerdings wie in der Formel 1: immer weniger Leute. Chefvermarkter Bernie Ecclestone kommt deshalb mit seinem Rennzirkus in diesem Jahr nicht zum Ring. Stattdessen schimpft er über das "lausige Publikum" in Deutschland. Die Ring-Betreiber zucken die Schultern: mit hohen Lizenzgebühren wäre die Formel 1 ohnehin nur ein prestigeträchtiges Verlustgeschäft gewesen. Der Zuschauerschwund bei den Rennmonstern ist da fast schwerer zu verkraften: zum Truck-Grand-Prix strömten Ende der Neunziger noch 200.000, also doppelt so viele wie 2015. Louis ist mit Eltern und Schwester für einen Tag aus Hattingen im Ruhrgebiet angereist Der Elfjährige findet es:
"Ganz cool! Die Rennen – das ist so’n Kribbeln im Bauch, also das ist schon faszinierend, wie die dann da so her rasen."
Und seine Schwester sagt: "Also ich find‘s cool, wie die sich alle immer so crashen, und wir feuern auch immer so für einen Fahrer mit."
Die Friedhofsruhe des Winterhalbjahrs – passé. An diesem Juli Wochenende flanieren Zehntausende Truck-Fans mit großflächigen Tattoos und breitkrempigen Western-Hüten über den Ring-Boulevard, eine Art Shoppingcenter gegenüber vom nachgebauten Eifeldorf. An den Spiel-Konsolen im sogenannten "Männer-Wohnzimmer" lassen verhinderte Helden den Racer in sich raus. David und Cathleen tragen schwarze Biker-Jacken und sind schon das vierte Mal am Ring.
"Passt schon. Schön. Macht Spaß. Is schön geworden."
Preise unter den neuen Betreibern sind deutlich gestiegen
Dabei ist das Drumherum Nebensache, gekommen sind die beiden für Trucks und Feuerwerk. Einige hundert Euro blättern sie dafür hin, ein teures Vergnügen:
Cathleen: "Dieses Jahr auf jeden Fall. Wir waren auch sehr geschockt, als wir die Preise fürs Camping gesehen haben, muss ich sagen, das hat ordentlich reingehauen. Wir haben fast das Doppelte bezahlt."
David: "Ja, was Parkplatz-Gebühren angeht, haben sie extrem angezogen, wo wir eigentlich gar nicht mit gerechnet haben."
Ob das Paar noch mal wiederkommt – ungewiss. "322 Euro für zwei Personen, ohne Essen und Trinken, einfach zu viel", schimpft ein Trucker auf Facebook. Auch er droht an, weg zu bleiben. Hart verhandeln über Camping- und Park-Gebühren will der ADAC Mittelrhein mit dem Strecken-Betreiber Capricorn-Nürburgring GmbH, denn er fürchtet um die Zukunft des Trucker-Familienfestes. Sport-Vorstand Ubach meint, der Strecken-Betreiber müsse sich fragen:
"Wie weit kann man die Kuh melken? Man muss aufpassen, dass die Kunden dann nicht irgendwohin abwandern, das wäre fatal. Wir als Veranstalter des Truck-Grand-Prix werben immer damit, das ist eine Familien-Veranstaltung. Das heißt, Vater, Mutter Kinder, campen, Würstchen grillen, 'n bisschen Rennen gucken – aber es muss bezahlbar bleiben, und da wird sich möglicherweise der ein oder andere fragen, können wir uns das noch leisten, oder kommen wir nur noch einen Tag? Und wenn das so wäre, dann wären wir letztlich alle Verlierer, und das kann keiner ernsthaft wollen"
Rockfans schauen in die Röhre
Abgewandert ist nach dreißig Jahren "Rock am Ring". Stattdessen rockte das legendäre Festival Anfang Juni den Flugplatz Mendig, nur dreißig Kilometer von der Nürburg entfernt. Das Recht am Namen verteidigte der Frankfurter Konzert-Veranstalter Marek Lieberberg erfolgreich vor Gericht. Trotz Umzugs war "Rock am Ring" schnell ausverkauft. Der Star-Veranstalter managte den Mega-Event am neuen Ort professionell wie üblich. Die Capricorn-Nürburgring GmbH hatte versucht, mehr Leistungen und damit größere Anteile am Profit an sich zu ziehen. Als Lieberberg ablehnte, hatten die Ring-Betreiber den Vertrag gekündigt. Und sich dabei verzockt. Lieberberg zog nach Mendig und kehrt nach dem Erfolg dort auch nicht mehr zurück. Geschäftsführer Schumacher bleibt festzuhalten,
"dass wir leider hier Schiffbruch erlitten haben. Es war eine Fehlentscheidung, und jetzt müssen wir daraus die richtigen Konsequenzen ziehen."
Zunächst mal aber gab’s eine weitere Fehlentscheidung: den Versuch nämlich, dem Platz-Hirschen unter den Festivals mit einem weiteren Musik-Event in der Eifel nur ein Wochenende früher Konkurrenz zu machen. Doch der Kartenverkauf fürs kurzfristig aufgelegte "Grüne Hölle"-Festival am Ring floppte. Die Deutsche Entertainment AG, kurz DEAG, zog schließlich die Reißleine und verlegte das Festival in die Schalke-Arena, als "Rock im Revier". Mit dem Nürburgring-Betreiber trifft sich die DEAG vor Gericht, um das Debakel aufzuarbeiten. So weit, so erfolglos die Versuche, die Bilanz des Rings trotz schwindender Besucherzahlen und hoher Unterhaltskosten für überdimensionierte Eventflächen zu verbessern. Noch ist übrigens der Betreiber nur Pächter der 77 Millionen Euro teuren Rennstrecke mit Freizeitpark. Geschäftsführer Schumacher erklärt:
"Der Kaufpreis konnte bislang aufgrund rechtlicher Probleme noch nicht gezahlt werden, das erschwert momentan die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells."
Eine Million Euro werde dennoch jährlich in die Streckensanierung investiert, versichert Schumacher. Größere Summen nimmt die Nürburgring-Holding mit dem russischen Pharmaunternehmer Viktor Charitonin an der Spitze derzeit jedoch nicht in die Hand. Sie wären aber nötig, damit Digitalkameras perfekte Bilder von der Nordschleife in die Welt senden, meint der Geschäftsführer. Und damit Autoproduzenten die Prüfdaten via Glasfaserkabel in ihre Zentralen beamen können. Denn schließlich sei der Ring eine Rennstrecke,
"auf der quasi ganzjährig die Industrie ihre Produkte testet, um sie am Ende des Tages zu verkaufen."
Hinter den "rechtlichen Problemen", die Schumacher als Ursache für den Investitionsstau anführt, verbergen sich Klagen zweier unterlegener Bieter. Sie sehen sich benachteiligt. Der US-Investor Nexovation und der ADAC wären im vergangenen Jahr auch gern neue Herren des Rings geworden. Stattdessen gab der Gläubigerausschuss dem Düsseldorfer Automobil-Zulieferer Capricorn den Zuschlag für zwei Drittel der Anteile.
Capricorn-Chef Robertino Wild hatte laut Insolvenzverwalter und Sanierungsgeschäftsführer ausreichend belegt, den Kaufpreis von 77 Millionen Euro stemmen zu können. Zusätzlich wollte er zwanzig Millionen investieren. Das nachgebaute Eifeldorf sollte einem neuen Technologiepark weichen. Große Pläne, doch Wild ging finanziell die Puste aus, so dass er seine Beteiligung abgeben musste. Auch den Weiterverkauf beanstanden die unterlegenen Konkurrenten. Als Mehrheitsgesellschafter übernahm der russische Pharmaunternehmer Viktor Charitonin Ende 2014 achtzig Prozent der Anteile, 15 der 77 Millionen Euro zahlte er.
"Er sieht das Potenzial dieser Strecke wie wir alle hier",
sagt Geschäftsführer Schumacher, der den Kontakt zum Chef der Nürburgring-Holding hält.
"Er möchte das gemeinsam mit uns entwickeln. Er weiß, dass dafür Investitionen notwendig sind. Er ist Rennsport-begeistert. Er hat eigene Autos. Er hat die nötigen Mittel. Insofern freuen wir uns auf die weitere Zusammenarbeit."
Noch im Mai 2013 hatte der sozialdemokratische Verkehrsminister Roger Lewentz betont, es sei unerwünscht, dass ein Oligarch aus Russland oder dem Nahen Osten am Ring einsteige. Ob ein Oligarch gut oder schlecht für den Ring sei, hält CDU-Fraktionsvize Alexander Licht aber gar nicht für die angebrachte Frage. Das Problem sei doch:
"Die Tatsache, dass wir jetzt mit einem Gerichtsverfahren zu tun haben, in dem ganz eindeutig Belege vorgelegt werden, dass andere Bieter, die vielleicht genauso gut oder genauso schlecht gewesen wäre, aber benachteiligt wurden, dass Termine gesetzt wurden, die offensichtlich nicht allen dargestellt wurden. Alles in allem sind wir in einer ganz, ganz schwierigen Situation, die die Eifel auf bessere Zukunft vertröstet. Und jede Vertröstung ist unsicher für weitere Investoren."
Verantwortlich aber seien nicht die Kläger, betont Licht.
"Also dieses ganze Desaster muss vor Gericht landen, dafür trägt die Landesregierung die Verantwortung, weil sie die Ursache für alles ist."
Als Hauptgläubiger im Insolvenzverfahren nämlich. Tiefschlag Nummer drei also? Die Sozialdemokraten weisen den Vorwurf zurück, die Regierung habe bei der Privatisierung gepfuscht. Der Insolvenzverwalter habe sich 2014 klar für Capricorn entschieden, betont der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion. Damals hieß es, so erinnert sich Carsten Pörksen:
"Es sei alles an Voraussetzungen erfüllt, und damit war für den Gläubigerausschuss auch klar, die Entscheidung so zu treffen. Der Versuch, jetzt also dem Land den Schwarzen Peter zuzuschieben, das ist Parteipolitik, aber keine auf den Fakten basierende Feststellung der CDU."
Ab 2016 sollen sich erste Erfolge einstellen
Der Ring weiter im Schwebezustand: alte Handwerkerrechnungen können nicht beglichen werden, zukunftsweisende Investitionen nicht getätigt.
"Im Moment ist das – ich will nicht sagen eine Hängepartei",
aber so was in der Art, klagt ADAC-Sport-Vorstand Ubach von Veranstalterseite. Der ADAC gehört zum Verein "Ja zum Nürburgring". Neben dem US-Investor Nexovation klagt auch der Verein vor dem Gericht der Europäischen Union, der ersten Instanz. Bereit, das bis zum Europäischen Gerichtshof als letzter Instanz durchzufechten. Erklärtes Ziel des Vereins ist, den Ring in eine Stiftung umzuwandeln. Für Augenwischerei hält das der grüne Fraktionschef Daniel Köbler.
"Das glauben die ja selber nicht. Ja, also erstens wäre das beihilferechtlich gar nicht möglich, das wissen die auch, die streuen den Leuten nur Sand in die Augen. Zweitens ist gar nicht klar, wo eigentlich das Kapital herkommen soll. Das halte ich für 'ne Fata Morgana, die sollten einfach aufhören, die Leute vor Ort zu belügen. Ich glaub‘, viel wichtiger ist, dass wir das Nürburgringschutzgesetz gemacht haben, das heißt, dass wir den öffentlichen Zugang gesichert haben, dass der Nürburgring nicht einfach irgendwie abgeschlossen werden kann und nur privat vermarktet für wenige Leute, sondern dass er offen bleibt für die Region."
So beschlossen von der rot-grünen Mehrheit im Landtag, damit habe die Koalition das Nötige und Mögliche getan. Wie aber füllt man täglich auch in langen Wintermonaten Museum, Sportarena, Gastronomie und Großdisco in der kalten, dünn besiedelten Eifel? Wie erhält man die 250 Arbeitsplätze am Ring. Für diese schier unlösbare Aufgabe ist Carsten Schumacher zuständig. Ende des Jahres steht sein Vertrag zur Verlängerung an. Er würde wohl weitermachen, weil er Chancen für den Ring sieht. Fernsehproduzenten, Messe- und Kongress-Veranstalter zeigten Interesse, die riesigen Hallen am Ring zu bespielen,
"so dass ich eigentlich optimistisch bin, dass wir im Jahr 2016 erste Erfolge sehen werden."
Warum das Messe- und Kongressgeschäft in mehr als einer Stunde Fahrtzeit von Flughäfen und Bahn-Knotenpunkten florieren sollte, bleibt allerdings das Geheimnis der Optimisten am Ring. Fest steht: seit fast hundert Jahren läuft das Geschäft an der weltberühmten Rennstrecke ähnlich bewegt wie ihre Topografie: kurvenreich, mal auf der Höhe mit hervorragenden Aussichten, mal im dunklen Tal.
"Der Nürburgring muss weiterleben"
Mehr als einmal wurde überlegt, den Rennsport in der Eifel abzublasen. Dank staatlicher Finanzspritzen ging es aber immer weiter. Mit Rennen und Privatfahrten, mit grandiosen Siegen und fürchterlichen Unfällen. Doch heutzutage wäre jeder weitere staatliche Zuschuss eine illegale Subvention. Der Nürburgring 2015: zum privatwirtschaftlichen Erfolg verdammt. In Sicht ist das Gelingen längst nicht. Doch für Rennsport-Fans wie Christian Frank gibt es keinen Zweifel:
"Es muss funktionieren. Na ja, es ist vielleicht etwas übertrieben: das Kolosseum in Rom steht noch. Und wieso sollte der Nürburgring in der Eifel nicht mehr stehen?"
Der Rallye-Copilot wird demnächst am Nürburgring berufsbegleitend Motorsport-Management studieren. Die Hochschule Kaiserslautern bietet das Fernstudium mit Präsenztagen an der Rennstrecke an. Nicht nur am Nürburgring zu fahren, ist die Vision des Dreißigjährigen, sondern auch hier zu arbeiten. Seine Überzeugung: Ein Mythos kann nicht sterben:
"Das muss weiterleben, und das wird weiterleben, gar keine Frage."