Kochshows, Kaffeebecher und Rassismus
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Wie tarnt die Neue Rechte ihre Ideologie? Design-Forscher Daniel Hornuff hat die Ästhetik der Rechtsextremen untersucht und banale Einfallslosigkeit entdeckt - eine bewusste Strategie und Teil eines ästhetischen Angriffs auf die offene Gesellschaft.
Rechtsextreme Online-Shops verkaufen Spruch-Tassen. Angebliche Hilfsorganisationen propagieren Rassismus. Auf YouTube stehen vegane Kochkurse für Neonazis. Was steckt dahinter? In seinem Buch "Die Neue Rechte und ihr Design" untersucht Daniel Hornuff die ästhetischen Methoden, mit denen die Neue Rechte ihre Ideologie verbreitet. Er nennt dies einen "ästhetischen Angriff auf die offene Gesellschaft".
Hornuff, der an der Kunsthochschule in Kassel Design lehrt, liefert eine Analyse der Ästhetik verschiedenster rechter und rechtsextremer Kampagnen. Besonders interessiert habe ihn das große Spektrum – von Wahlplakaten über Online-Kampagnen und virale Videos bis zu rechten Werbeartikeln wie Spruch-Tassen ("Mein Kaffee ist so bitter wie Merkels Politik"). Bei aller Bandbreite gebe es eine große Gemeinsamkeit, sagte Hornuff: nämlich das komplette Fehlen einer klassisch faschistischen Ästhetik. "Man versucht, die offenen Gesellschaft nicht mehr mit ihrem ästhetischen Gegenteil zu konfrontieren. Sondern man versucht, die Stilprinzipien, die in der Gesellschaft schon angelegt sind, aufzugreifen, um eben diese Gesellschaft von innen heraus zu verändern."
Vom Kaffeebecher bis zur gefälschten NGO
Die neurechte Bewegung greife damit die Gesellschaft nicht vom Rand aus an, betonte Hornuff. "Das Problematische – und aus meiner Sicht auch Gefährliche – liegt darin, dass jetzt Ästhetiken gefunden werden, die die Gesellschaft von innen heraus umzustülpen versuchen."
Auch die politische Ästhetik der offenen Gesellschaft wird kopiert: Reaktionäre Rollenbilder würden als Feminismus deklariert, Angriffe auf die liberale Demokratie als Schutz der Demokratie bezeichnet, rassistische Aktionen als Flüchtlingshilfe getarnt. Als Beispiel nannte Hornuff die ‚Alternative Help Association‘ mit Slogans wie: "Erste Familien kehren nach Syrien zurück". "Da hat tatsächlich die ‚Identitäre Bewegung‘ eine Pseudo-NGO-Organisation gegründet, die fährt nach Syrien, sammelt Spenden ein, versucht vor Ort eine Arztpraxis wiederaufzubauen oder Buslinien instand zu setzen. Aber das alles unter der Maßgabe, ein ‚ethnopluralistisches‘ Programm umzusetzen, also dafür zu sorgen, dass Kulturen nicht durchmischt werden."
Bewusst banales Design soll Normalität vortäuschen
Wer sich die Instagram-Accounts oder den Facebook-Account oder die Homepage und deren jeweiliges Design ansehe, könne diese kaum von den Seiten anderer, echter Menschenrechts-NGOs unterscheiden. Es entstehe der Eindruck, hier werde Gutes unter der Maßgabe eines pluralistischen Weltbildes getan. Hornuff: "Tatsächlich geschieht genau das Gegenteil. Man versucht, durch eine liberale, pluralistische Ästhetik ein ausgrenzendes, rassistisches Weltbild zu fundieren."
Auf die Frage, ob auch das banale Design und die scheinbare ästhetische Einfallslosigkeit beispielsweise der Spruch-Kaffeebecher womöglich Absicht sei, um möglichst "normal" zu wirken, sagte Hornuff: "Genau das würde ich unterstellen." Es gehe darum, den Rechtsextremismus ästhetisch zu normalisieren. "Die Design-Intelligenz, die sich darin ausdrückt, zeigt sich gerade nicht darin, dass ganz besonders avancierte Gestaltungslösungen gefunden werden. Sondern sie zeigt sich eher darin, dass vorhandene, schon etablierte Gestaltungskonventionen nun mit radikal anderen und radikalen politischen Inhalten gefüllt werden." Das sei einerseits die strategische Stärke des Designs der Neuen Rechten. Zugleich sei es aber eine Schwäche, da das Design damit auf die Pluralität der Gesellschaft angewiesen und von ihr abhängig sei.