Das Doppelgesicht der Quote
Die Vereinbarkeit von Kindern und Karriere ist die Lebenslüge der Gleichstellungspolitik. Jeder, der sich im realen Leben ein wenig auskennt, weiß, dass Spitzenpositionen in Wirtschaft und Politik das totale Engagement erfordern - 80-Stunden-Wochen sind keine Seltenheit. Deshalb haben extrem erfolgreiche Frauen keine Kinder.
Wer das nicht anerkennen will, muss zu einer Ideologie Zuflucht nehmen, die heute zwar sehr lautstark propagiert wird, aber wohl keinen fühlenden Menschen jemals wirklich überzeugen wird - nämlich zu der Ideologie, dass Kinder ihre leibliche Mutter gar nicht so dringend brauchen, sondern auch durch andere Bezugspersonen gut betreut werden können.
Die stärkste Unterstützung finden die Feministinnen heute bei den Ökonomen, die Frauen als brachliegende wirtschaftliche Ressource betrachten. Alle starren auf die Zahlen bei der Besetzung von Führungspositionen. Wie hoch ist der Anteil weiblicher Professoren an deutschen Universitäten? Wie viele Dax-Unternehmen werden von Frauen geführt? Die Gutmeinenden wollen Gleichheit statt Freiheit - und zwar Ergebnisgleichheit statt Chancengleichheit - und zwar Ergebnisgleichheit nicht für die einzelnen Frauen, sondern für die Gruppe der Frauen als ganze. Als ob Gleichberechtigung statistisch messbar an der Zahl von Frauen in bestimmten hoch bezahlten Berufen und Spitzenpositionen sei.
Was in Amerika seit Jahrzehnten "affirmative action" heißt, nennen wir hier in Deutschland Gleichstellungspolitik. Sie kämpft gegen Diskriminierung mit der Wunderwaffe der Repräsentation, also mit Hilfe der Quote. Nicht die individuelle Leistung zählt, sondern die Gruppenzugehörigkeit. Damit aber wird die berechtigte Kritik von Diskriminierung ad absurdum geführt. Früher gab es Menschen, deren individuelle Leistung aufgrund einer bestimmten Gruppenzugehörigkeit nicht anerkannt wurde.
Heute werden Menschen aufgrund einer bestimmten Gruppenzugehörigkeit gefördert, und zwar unabhängig von ihrer individuellen Leistung. Also hat sich nur das Vorzeichen der Diskriminierung gewandelt. Früher hat man Schwarze und Frauen diskriminiert - so gut ihre Leistungen auch waren. Heute werden Schwarze und Frauen gefördert - so schlecht ihre Leistungen auch sein mögen. Und hier wird die Sache dialektisch: Jede Gleichstellungspolitik diskriminiert diejenigen, die es aus eigener Kraft geschafft haben, zum Beispiel Frauen auf C4-Professuren.
Was sind eigentlich Quoten? Es gibt nicht unbegrenzt viele Geschäftsführer in DAX-notierten Unternehmen; es gibt nur eine klar begrenzte Anzahl von Parlamentssitzen im Deutschen Bundestag; und auch die Zahl von Professorenstellen an Universitäten lässt sich nicht beliebig vermehren. Hier haben wir es mit absoluten Knappheiten zu tun. Die Forderung nach Quoten zielt auf eine Vorabzuschreibung wertvoller Stellen an Gruppenmitglieder.
Auch wenn sie politisch nicht erfüllt wird, kann man die Quotenforderung als Warnung verstehen, dass die politisch Korrekten nicht bereit sind, das Ergebnis eines individuellen Wettstreits um begrenzte Chancen hinzunehmen. Denn jeder Wettbewerb um knappe Positionen ist ein Kampf um Vorrang. Das heißt aber: Es entsteht immer eine Nachfrage nach Ungleichheit. Man muss Männer benachteiligen, wenn man Frauen nach vorne bringen will.
Aber man kann die Diskriminierungen der Vergangenheit nicht wieder gut machen. Schon gar nicht durch Diskriminierung und öffentliche Bußrituale der Männer. Mit jedem Schritt der Gleichstellungspolitik entfernen wir uns weiter vom gesunden Menschenverstand, der einem sagt, was gut genug ist.
Die eigentlichen Opfer der Frauenquote sind die Frauen.
Norbert Bolz, Professor für Kommunikationstheorie, wurde 1953 in Ludwigshafen geboren. Er studierte in Mannheim, Heidelberg und Berlin Philosophie, Germanistik, Anglistik und Religionswissenschaften. In seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit der Ästhetik Adornos, in der Habilitationsschrift mit dem "Philosophischen Extremismus zwischen den Weltkriegen". Seit 1992 ist Bolz Professor für Kommunikationstheorie am Institut für Kunst- und Designwissenschaften der Universität Essen. Sein neuestes Buch trägt den Titel "Die Konformisten des Andersseins" (München 1999).
Die stärkste Unterstützung finden die Feministinnen heute bei den Ökonomen, die Frauen als brachliegende wirtschaftliche Ressource betrachten. Alle starren auf die Zahlen bei der Besetzung von Führungspositionen. Wie hoch ist der Anteil weiblicher Professoren an deutschen Universitäten? Wie viele Dax-Unternehmen werden von Frauen geführt? Die Gutmeinenden wollen Gleichheit statt Freiheit - und zwar Ergebnisgleichheit statt Chancengleichheit - und zwar Ergebnisgleichheit nicht für die einzelnen Frauen, sondern für die Gruppe der Frauen als ganze. Als ob Gleichberechtigung statistisch messbar an der Zahl von Frauen in bestimmten hoch bezahlten Berufen und Spitzenpositionen sei.
Was in Amerika seit Jahrzehnten "affirmative action" heißt, nennen wir hier in Deutschland Gleichstellungspolitik. Sie kämpft gegen Diskriminierung mit der Wunderwaffe der Repräsentation, also mit Hilfe der Quote. Nicht die individuelle Leistung zählt, sondern die Gruppenzugehörigkeit. Damit aber wird die berechtigte Kritik von Diskriminierung ad absurdum geführt. Früher gab es Menschen, deren individuelle Leistung aufgrund einer bestimmten Gruppenzugehörigkeit nicht anerkannt wurde.
Heute werden Menschen aufgrund einer bestimmten Gruppenzugehörigkeit gefördert, und zwar unabhängig von ihrer individuellen Leistung. Also hat sich nur das Vorzeichen der Diskriminierung gewandelt. Früher hat man Schwarze und Frauen diskriminiert - so gut ihre Leistungen auch waren. Heute werden Schwarze und Frauen gefördert - so schlecht ihre Leistungen auch sein mögen. Und hier wird die Sache dialektisch: Jede Gleichstellungspolitik diskriminiert diejenigen, die es aus eigener Kraft geschafft haben, zum Beispiel Frauen auf C4-Professuren.
Was sind eigentlich Quoten? Es gibt nicht unbegrenzt viele Geschäftsführer in DAX-notierten Unternehmen; es gibt nur eine klar begrenzte Anzahl von Parlamentssitzen im Deutschen Bundestag; und auch die Zahl von Professorenstellen an Universitäten lässt sich nicht beliebig vermehren. Hier haben wir es mit absoluten Knappheiten zu tun. Die Forderung nach Quoten zielt auf eine Vorabzuschreibung wertvoller Stellen an Gruppenmitglieder.
Auch wenn sie politisch nicht erfüllt wird, kann man die Quotenforderung als Warnung verstehen, dass die politisch Korrekten nicht bereit sind, das Ergebnis eines individuellen Wettstreits um begrenzte Chancen hinzunehmen. Denn jeder Wettbewerb um knappe Positionen ist ein Kampf um Vorrang. Das heißt aber: Es entsteht immer eine Nachfrage nach Ungleichheit. Man muss Männer benachteiligen, wenn man Frauen nach vorne bringen will.
Aber man kann die Diskriminierungen der Vergangenheit nicht wieder gut machen. Schon gar nicht durch Diskriminierung und öffentliche Bußrituale der Männer. Mit jedem Schritt der Gleichstellungspolitik entfernen wir uns weiter vom gesunden Menschenverstand, der einem sagt, was gut genug ist.
Die eigentlichen Opfer der Frauenquote sind die Frauen.
Norbert Bolz, Professor für Kommunikationstheorie, wurde 1953 in Ludwigshafen geboren. Er studierte in Mannheim, Heidelberg und Berlin Philosophie, Germanistik, Anglistik und Religionswissenschaften. In seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit der Ästhetik Adornos, in der Habilitationsschrift mit dem "Philosophischen Extremismus zwischen den Weltkriegen". Seit 1992 ist Bolz Professor für Kommunikationstheorie am Institut für Kunst- und Designwissenschaften der Universität Essen. Sein neuestes Buch trägt den Titel "Die Konformisten des Andersseins" (München 1999).