Das dusselige Dutzend

Ein Airport ohne Flugzeuge, ein Tiefseehafen ohne Schiffe – manche Verkehrsprojekte sind nicht nur umstritten, sondern schlichtweg überflüssig. Der BUND hat gleich zwölf umweltschädliche und verkehrstechnisch sinnlose Projekte identifiziert.
Flaute im Tiefwasserhafen
Der JadeWeserPort in Wilhelmshaven
Von Knut Benzner

Mikkel Andersen: "Rechts ist der Jadebusen, richtig, mit unserem Wendebecken, 700 Meter Durchmesser, Platz ist da."

Vor uns die Carrier:

"Vor uns die Straddle-Carrier ..."

Daneben:

"Unser Yard, Containerabstellfläche ..."

Übungscontainer?

"Ja, sind sie aber nicht, dafür sind sie zu teuer, das sind die teuersten Container, die´s gibt, das sind nämlich Reefa-Container, die da rum stehen ..."

Und links: Leere. Gespenstische, durchaus bedrückende, bei Nebel sicherlich schemenhafte Leere.
Die Eröffnung. Wie sich das gehört. Ein Ministerpräsident sprach:

David McAllister: "Also, Wilhelshaven ist die deutsche Antwort auf Rotterdam, es ist der erste deutsche Tiefwasserhafen ..."

Was hätte David McAllister, inzwischen Ex-Ministerpräsident, auch sonst sagen sollen. Wobei Wilhelmshaven nie Antwort auf Rotterdam werden sollte. Anschließend sprach der Bundeswirtschaftsminister, in diesem Falle Philipp Rösler:

"Eine Volkswirtschaft wie Deutschland könnte gar nicht funktionieren ohne eine gut ausgebaute Infrastruktur, ohne funktionierende Logistik."

Dann wurde getrommelt, dass sich die Balken bogen. Und heute? Letztlich wie damals. Ein Deich und Schafe. Wir sind in Nordniedersachsen, Schaf und Deich bilden eine natürliche Lebensgemeinschaft. Schließlich ... Ein Parkplatz, die Lkw-Ein- und Ausfahrt, viel Fläche sowie ein Gebäude. Hinter dem Gebäude und rechts und links davon: Der Hafen. Im Gebäude: Die Verwaltung.

"Ich heiße Mikkel Andersen, ich bin hier in Wilhelmshaven tätig bei Eurogate."

Von Eurogate wird der Hafenbetrieb durchgeführt. Wenn es denn nennenswerten Hafenbetrieb gäbe. Mikkel Andersen, Däne mit momentanem Wohnsitz in Oldenburg, ist 35 und Geschäftsführer der Eurogate Container Terminal Wilhelmshaven GmbH & Co.KG.

"Ich hab´ das ganze Thema `Operation und Vorbereitung Betrieb´ war denn meine Aufgabe."

Seit 2008. Acht Kräne zum Be- und Entladen, Key-Cranes, der Welt größten, und über Tiefgang wird nur dann gesprochen, wenn man Probleme mit ihm hat. Mikkel Andersen:

"Mit 18 Metern mindestens Wassertiefe, dann ist Wassertiefe für uns hier eigentlich gar kein Problem, und für unsere Kunden auch nicht. Die können rein und raus fahren so wie sie wollen."

Aber es kommt keiner.

"Das ist richtig. Aber das hängt bestimmt nicht von der Wassertiefe ab."

Andersen hat Humor, was?!

Zwei Schiffe pro Woche

"Momentan fertigen wir zwei Schiffe die Woche ab, Montagmorgen und Montagabends, immer noch Maersk-Line hier als Ankerkunde, das ist momentan das, was wir machen."

Dienstags, mittwochs, donnerstags, freitags, samstags und sonntags also frei?

"Ja, frei nicht, es sind zwar keine Schiffe, aber selbstverständlich sind wir dabei auf alle Ebene, das zu ändern, das ist klar."

Mit Kurzarbeit?

"Kurzarbeit. Ja, wir haben Kurzarbeit, ja, wie soll ich sagen?"

Etwa, dass die Idee, knapp 400 Langzeitarbeitslose und Hartz-IV-Empfänger als Kranführer, Computerfachmänner, Logistiker usw., was man in einem Hafen eben so braucht, anzulernen, auszubilden und zu beschäftigen, eigentlich eine gute Idee war.

"Das haben wir gemacht, die haben fast alle deren Abschluss gekriegt und sind heute auch hier im Einsatz, wenn da, wenn da Schiffe sind."

Aber, es kommen, wie gesagt, ja keine. Okay, montags kommen zwei – und dann sind ein paar der beschäftigten im Einsatz.

"In der Logistikbranche haben wir nicht nur mit Deutschland zu tun. Wenn ganz Südeuropa nichts kaufen möchte und wenn es auch noch andere Ecken gibt, wo es momentan Schwierigkeiten gibt, ja dann sind wir die ersten, die davon betroffen sind."

Übersetzt: Kein Verkehr auf Grund der Weltmarktlage, die sich in Stagnation, Rezession und, was Südeuropa betrifft, Depression befindet. Hätte es 2012, so Andersen, ein vernünftiges Wachstum gegeben ...

"... wär das genug, um `ne vernünftige Auslastung hier bei uns in Wilhelmshaven zu haben. Und das is´ halt leider nich´ gekommen."

Heute, jetzt gerade, im Augenblick, abgesehen von drei Männern, die in Schutzanzügen übers Gelände laufen und Wartungsarbeiten machen, arbeitet niemand.

"Korrekt"

Ein Hafen jener Größe werde, meint Mikkel Andersen, indessen nicht auf zwei, drei Jahre hin geplant. Sondern zukunftsgerichtet.

"Unser Vertrag hier in Wilhelmshaven läuft 40 Jahre. Wir planen schon langfristig. Das ist zu erwarten."

Die Kräne, die Suprastruktur, deren Lebensdauer davon abhängt, wie oft sie genutzt werden, werden zurzeit geschont. Die Carrier, die Selbstfahrer, die die Container, sobald sie vom Schiff sind, von A nach B bringen, auch.

"Aber es ist klar, wir haben alles vorbereitet, um dann ganz oben mitspielen zu können, und das werden wir auch tun."

Weitere acht Brücken, also weitere acht Be- und Endladezonen sind schließlich geplant. Die Gesamtkosten des Experimentes? Gut eine Milliarde.

Flughafen ohne Passagiere
Der Airport Magdeburg-Cochstedt
Von Christoph Richter

Weiterbauen also allen Unkenrufen zum Trotz. Leere scheint kein Argument zu sein, wenn es um die Frage geht nach dem Sinn bestimmter Verkehrsprojekte. Dieser Ansicht scheint man jedenfalls auch am Airport Magdeburg-Cochstedt zu sein. Obwohl von dem Regionalflughafen auf der grünen Wiese gerade mal vier Maschinen pro Woche abheben, wird so getan als würde hier alles bestens funktionieren. Dabei hapert es manchmal schon am Rolltor, wie unser Landeskorrespondent Christoph Richter feststellen musste.

"Wo ist die Kurbel?"
"Geht nicht mit der Kurbel."
"Warum geht das nicht?"
"Geht eben nicht."

Aller Anfang ist schwer. Das Rolltor zum Check-in am Flughafen Magdeburg klemmt. Wurde ja auch lange nicht bewegt.

"Ja … sehr schön …"
"Müsst ihr mal die Feuerwehr rufen …"

Das war im April. Fünf Monate war der Flughafen Magdeburg-Cochstedt International, wie er ganz offiziell heißt, geschlossen. Seit April ist er wieder im Betrieb. Mittlerweile auch wieder das Rolltor. Und die Maschinen heben ab. Viermal pro Woche. Zweimal nach Palma de Mallorca, zweimal nach Girona bei Barcelona.

"… ja sensationell. Vier Flüge. Traumhaft."

Luke Moser, 21-jähriger BWL-Student aus Berlin. Er fliegt heute nach Mallorca.

"Wir haben auch erst gedacht, das wäre in Magdeburg. Und haben gebucht, bevor wir auf die Karte geschaut haben. Dann haben wir Cochstedt in Google Maps eingegeben, da hat man Magdeburg noch gar nicht gesehen, als es reingezoomt hat. Na gut es ging jetzt …. auch wenn es sich mit der Landstraße hingezogen hat."

Mitten auf einem Feld, auf halber Strecke zwischen Magdeburg und dem Harz liegt der Flughafen Magdeburg-Cochstedt. Kürzel: CSO. Der Tower ist mit modernster Technik ausgestattet. Das Terminal hat zwei Check-in-Schalter. In der Halle dröhnt Ballermann-Musik. Der Glamourfaktor hält sich in Grenzen.

Rund 60 Millionen Euro hat der Ausbau des ehemaligen Militärflughafens den Steuerzahler gekostet. Nach dem Mauerfall hatten die sachsen-anhaltischen Landesfürsten den Anschluss zur weiten Welt im Sinn. Die Vision: ein gigantisches Luftdrehkreuz Magdeburg. Der Ort: der frühere Militärflughafen der Sowjets auf dem Hochplateau im Harzvorland.

Ein Flughafen zum Schnäppchenpreis

Die Betriebsgenehmigung kam 1994. Doch bis das erste Flugzeug abhob, sollten fünf Jahre vergehen. Dann zwei Jahre Betrieb. Dann, 2001, ging die Betreibergesellschaft aus Land, Landkreis und Anteilseignern pleite. Wieder Stille. Bis 2010 die aus Kopenhagen stammende Development A/S den Ladenhüter kaufte. Statt für 60 Millionen zum Schnäppchenpreis von einer Million Euro: Für einen voll funktionsfähigen Airport. Mit Tower, Hangars und allem was dazu gehört.

Doch Sachsen-Anhalts einziger internationaler Flugplatz – wie es großspurig heißt - macht weiter Sorgen. Dieses Jahr rechnet man mit gerade mal 45.000 Fluggästen, rund 40 Prozent weniger als im Vorjahr. Dabei bräuchte der Flughafen 1,5 Millionen Passagiere um eine schwarze Null zu schreiben. Uwe Hädicke – Flughafenbesitzer in Neuhardenberg – und Geschäftsführer der Flughafengesellschaft Magdeburg-Cochstedt ficht das nicht an.

"Es ist von Anfang an klar gewesen, dass wir hier einen langen Atem brauchen. Und wir die Chance von Cochstedt erst in der Zukunft sehen, wenn der Standort Berlin sich entwickelt hat. Weil die gesamte Branche, sowohl Cargo als auch Passagierluftfahrt trifft ihre Entscheidung erst, wenn BER fertig ist."

Derzeit ist der Flughafen Magdeburg-Cochstedt allerdings auf Gedeih und Verderb einer einzigen Airline ausgeliefert: dem Billigflieger Ryanair. Für Uwe Hädicke: kein Problem. Obwohl nicht mal er weiß, ob Ryanair im nächsten Jahr überhaupt noch mit Magdeburg plant. Letztes Jahr hatte bereits Germania aufgegeben. Uwe Hädicke, Sohn eines NVA-Kampffliegers, bleibt trotzdem gelassen.

"Lufthansa hat uns klipp und klar gesagt, dass sie auf solche Flughäfen etwas fernab nicht gehen. Es ist eben so. Es muss sich alles entwickeln. Wir werden da nicht nervös, wenn jetzt nicht Holterdiepolter die Kundschaft Schlange steht."

Ein Flughafen ohne Kundschaft? Hädicke meint verlockende Angebote zu haben: Kein Nachtflugverbot, viele kleine Privatflieger, die kommende Cargo-Halle. 2016 wolle man Gewinn machen. Eine optimistischer Einschätzung, die der wirtschaftspolitische Sprecher des sachsen-anhaltischen Landesvorstandes der Grünen Andreas Gernegroß nicht teilt:

"Wenn man das aus Umwelt- und verkehrstechnischer Sicht sieht, ist das ziemlich abstrus, was da passiert. Es hat keiner was davon, wenn jemand 130 Kilometer anreist und dann hier mit einer Maschine startet, die dann auch noch mal die Ökobilanz verschlechtert. Aus umwelttechnischer Sicht absolut nicht zu begrüßen."

Auch bei der CDU, die ursprünglich hochfliegende Pläne mit dem Regionalflughafen hatte, beäugt man die aktuelle Entwicklung des Flughafen "Flughafen Magdeburg Cochstedt International" mittlerweile mit Sorge. Thomas Webel, christdemokratischer Verkehrsminister in Sachsen-Anhalt bleibt derzeit nur die Hoffnung, dass das Geschäftsmodell mit gerade mal wöchentlich vier Flügen funktionieren möge.

"Ja, wir können uns nur auf die Aussagen des Unternehmens verlassen. Und ich werde kein Unternehmen schlecht reden, was solvent ist, was seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommt. Zurzeit bin ich noch optimistisch."

Dennoch: Sollten im Flughafen die Leuchtfeuer ausgehen, wird der Steuerzahler einspringen müssen. Rund 60 Mitarbeiter würden arbeitslos und es gäbe diverse Firmen, deren offene Rechnungen noch beglichen werden müssten. Auch der Imageschaden wäre nicht zu unterschätzen, schließlich würde Sachsen-Anhalt dann einen voll funktionsfähigen Flughafen einfach so verfallen lassen. Trotz aller Kritik und Zweifel - es gibt ja auch Menschen, die sich mächtig über diesen Flughafen freuen. Direkte Nachbarn zum Beispiel:

"Ich kann mit dem Fahrrad herfahren, das Fahrrad hier hinstellen, kann in das Flugzeug einsteigen und in den Süden fliegen. Was will ich mehr? Schon schön."

Die unendliche Geschichte einer umstrittenen Autobahn
Die A 49
Von Anke Petermann

Bleibt die Frage, ob alle Nachbarn des Flughafen Magdeburg-Cochstedt diese Ansicht teilen. Auf der andren Seite – andere Bundesländer haben ja auch ihre defizitären Regionalflughäfen. Kassel-Calden in Nordhessen zum Beispiel läuft auch nicht gerade rund. Und wenn wir schon mal hier sind. Nordhessen besticht geradezu mit verkehrstechnischen Superlativen, die man sich durchaus mal anschauen könnte: Da gibt es auf der Strecke Frankfurt-Berlin den ICE Halt Kassel-Wilhelmshöhe. Mit der A 7 hat Nordhessen Teil an Deutschlands längster Autobahn und mit der B 3 Teil an Deutschlands längster Bundesstraße. Aber was ist das? Zwischen A 7 und B 3 fällt auf den Autokarten im nordhessischen Schwalm-Eder-Kreis ein merkwürdiger roter Stummel auf: die A 49, geplant schon in den 20er-Jahren, begonnen Anfang der 70er. endet heute auf halber Strecke südlich von Fritzlar sozusagen auf dem Acker und wird dort zur Lokalstraße. "Dusselig" finden das Autobahngegner und -befürworter gleichermaßen. Doch da endet die Einigkeit. Anke Petermann über die unendliche Geschichte einer umstrittenen Autobahn.

Auf den Wiesen oberhalb von Frankenhain nahe dem hessischen Schwalmstadt übertönen ein Dutzend Bagger, Laster und Planierraupen Saatkrähen und Feldlerchen. Die Baufahrzeuge wühlen ein großes Erdloch, Platz für einen Autobahntunnel, der die A 49 unterirdisch fortsetzt - mitten durch die Schwalm, das fruchtbare nordhessische Becken mit seinen Wiesen und Getreidefeldern.

"Es gibt auch noch Baumreihen und Feldgehölze und Streuobstwiesen usw., von daher eine sehr beschauliche, idyllische Landschaft,"

meint Jörg Haafke, Vorsitzender der Bürgerinitiative "Schwalm ohne Autobahn". Am schlimmsten finden Haafke und seine umweltbewegten Mitstreiter an der Trasse, die hier weitergebaut werden soll,

"dass hier ein Industrieelement in die Schwalm kommt, was die Schwalm selber überhaupt nicht braucht, denn die Autobahn ist ein Transit-Autobahn, die hat ca. 35.000 bis 40.000 Fahrzeuge am Tag, das sind über 25.000, die nur durchfahren, also von Mailand nach Kopenhagen letztendlich."

Transit, der weder Wohlstand noch Arbeit bringt, meinen die Autobahngegner der Umweltschutzorganisationen BUND und Nabu, dafür aber Lärm und Abgase. Tödlich für Schlierbach, Frankenhain und andere bislang intakte alte Fachwerk-Dörfer im "Rotkäppchenland". Die Schwälmer Tracht mit rotem Mützchen soll die Brüder Grimm inspiriert haben.

Tunnel durch die Märchenlandschaft

Jetzt aber wird der 900 Meter lange Tunnel mitten in die Märchenlandschaft gesprengt und gebohrt - Lärm- und Landschaftsschutz für die benachbarten Kliniken der Diakonie. Erst wenn die Betonröhre 2016 fertig ist, wird die eigentliche Autobahn weitergebaut. Derzeit endet die A 49 auf einer Lokalstraße inmitten von Äckern. Und zwar südlich von Borken in Hessen, einem früheren Braunkohle-Ort, wo vor 25 Jahren Bergleute bei einem Grubenunglück starben. Norbert Heller ist Vorsitzender von "Pro A 49" und stammt aus der 14.000-Einwohner-Stadt.

"Mein Elternhaus stand an der B 3, da sind die Teller manchmal aus dem Schrank gefallen, solche Erschütterungen gibt das."

Die Bundesstraßen 3 und 454 durchqueren die Orte, deshalb kämpft Norbert Heller gemeinsam mit den lärmgeplagten Anwohnern seit Jahrzehnten für die Autobahn, die zwischen den Bundesstraßen verläuft. Der Vorsitzende von "Pro A 49" freute sich, als zum Start des neuen Zwölf-Kilometer-Abschnitts 2011 Regierungsprominenz aus Berlin anreiste.

"Da habe ich meinen Spaten mitgebracht und stand dann auch zufällig neben dem Bundesverkehrsminister. Den hab’ ich dann gefragt, den Herrn Ramsauer: Ist eigentlich Geld da, dass überhaupt weitergebaut werden kann? Daraufhin hat er mir gesagt: Geld steht zur Verfügung. Es kann weitergebaut werden, und ich kann Ihnen versprechen, es geht weiter."

Insgesamt soll der Weiterbau zur A 5 mit seinen drei Abschnitten fast 600 Millionen kosten. Offiziell freigegeben für den neuen Abschnitt sind bislang aber erst 60 Millionen Euro zur Bauvorbereitung. Schon 50 Millionen davon verschlingt der neue Tunnel. Klingt nach einer alten Variante der unendlichen A 49-Story. Immer wenn Baurecht da war, gab es kein Geld. Doch Hessens Verkehrsminister Florian Rentsch will sich beim Bund dafür stark machen, dass weitere Mittel fließen. Dass endlich wieder gebaut wird, verbucht der Liberale als Erfolg der schwarz-gelben Koalition, die im September auf Wiederwahl hofft.

"Gerade jetzt ist eine Klage noch mal zurückgenommen worden bei der A 49, das ist ein Zeichen dafür, dass die Naturschutzverbände sehen, dass wir so gut planen, dass wir bei allen Klagen, die angestrengt haben, verloren haben , und ich glaube das zeigt, wir haben sehr sauber gearbeitet, teilweise mit sehr viel Aufwand, weil umweltrechtliche Maßnahmen teilweise eine Dimension einnehmen, die man sich nicht vorstellen kann. Wir bauen einen Autobahn-Kilometer in Deutschland mittlerweile für 30 Millionen Euro, dabei sind über Zweidrittel Umweltkosten …"

Das Einlenken des Bundes für Umwelt und Naturschutz versteht Rentsch allerdings falsch. Der Verband findet die Trasse nicht plötzlich umweltverträglich, musste allerdings einsehen, dass das geänderte Bundesnaturschutzgesetz dem Artenschutz bei Straßenbauprojekten weniger Raum gibt. Erreicht hatten Naturschützer nur, dass die Trasse im südlichen Streckenabschnitt aus dem Herrenwald verlegt werden musste. Dort hätte sie den Lebensraum für ein europaweit bedeutsames Vorkommen von seltenen Kammmolchen zerschnitten. Mit der Zerschneidung von Landschaften, Lärm- und Abgasbelastung dürften die Umweltschutzverbände vor Gericht ja nicht argumentieren, bedauert Jörg Haafke, der die A 49 vor allem deshalb ablehnt.

"Wir werden reduziert auf die Argumentationsebene, die vom Gesetz her zugelassen ist, und das ist eine Herausstellung der Belange der Tierwelt letztendlich, also die Frage des Artenschutzes letztendlich. Und so bleiben dann am Schluss in der öffentlichen Wahrnehmung nur die Argumente übrig, die auf den Kammmolch abstellen. Der Kammmolch ist also sozusagen der nützliche Idiot für eine andere Verkehrspolitik."

Ein Regierungswechsel in Hessen und im Bund – darauf hoffen Haafke und seine Mitstreiter, um die A 49 in der Schwalm noch zu stoppen. Den südlichsten Zipfel des Autobahn-Stummels könne man dann zur Bundesstraße umwidmen und als Umgehungsstraße recyceln. Die rot-grüne Koalition in Hessen hatte der A 49 Mitte der 90er-Jahre schon einmal einen ausgedehnten Stillstand beschert. Norbert Heller, Kopf der Autobahnverfechter und damals noch SPD, verfluchte seinen Genossen Hans Eichel als Ministerpräsidenten und gab aus Protest sein Parteibuch zurück. Als Mitglied der Freien Wähler kämpft er heute weiter für die Autobahn. Jörg Haafke dagegen baut auf Rot-Grün. Ersatzweise auf die Leere in den öffentlichen Kassen.

Dass die Baufahrzeuge längst die riesige Tunnelschneise in die ländliche Schwalm schlagen, beeinträchtigt die Hoffnung der Umweltbewegten nicht. Die Betonröhre, ließe sich, so meint Haafke, umbauen in ein Wasserreservoir zur Elektrizitätsgewinnung.
Im Jahr 2011 wurde am Flughafen Magdeburg-Cochstedt der Testbetrieb aufgenommen.
Im Jahr 2011 wurde am Flughafen Magdeburg-Cochstedt der Testbetrieb aufgenommen.© picture alliance / dpa / Jens Wolf
Ein "Autobahn Ende"-Schild steht bei Neuental (Schwalm-Eder-Kreis) am Ausbauende der Autobahn A 49
Ein "Autobahn Ende"-Schild steht bei Neuental (Schwalm-Eder-Kreis) am Ausbauende der Autobahn A 49© picture alliance / dpa / Uwe Zucchi