Das Ebenbild Gottes
Einsatzbereit, sportlich und schön muss der Mensch sein, so zumindest schildert Andreas Schlieper das heutige Idealbild. Doch dies war nicht immer so: In dem Sachbuch "Der Traum vom besseren Menschen" begibt sich der Autor auf die Suche nach dem Menschenbild in Philosophie, Religion und Gesellschaft und macht dem Leser Mut, ein eigenes Ideal des Menschen zu entwerfen.
Der Mensch ist ein physisches und moralisches Mängelwesen. Seit er zu denken vermag, ist er mit sich unzufrieden und mit der Welt, in der zu leben ihm auferlegt ist. Unermüdlich bleibt er damit beschäftigt, weil von Priestern, Philosophen, Pädagogen, Ärzten oder Ökonomen dazu angehalten, möglichst das Beste aus sich zu machen und seine Lebenswelt, die Kultur, solchen Zwecken anzupassen. Diese Absicht hält die Geschichte in unablässiger Bewegung, in der sich die Menschen nicht gleich bleiben, sondern sich zusammen mit ihren Kulturen verändern.
Einen Streifzug durch die Geschichte der menschlichen Hoffnungen und Kulturen unternimmt Andreas Schlieper in seinem geistreich-unterhaltendem Buch: Der Traum vom besseren Menschen. Der Mensch soll den alten Adam abstreifen, um sich in Jesus Christus zu erneuern und darüber zum neuen Adam zu werden, zum neuen Menschen.
Schon die griechische Philosophen forderten dazu auf, der gottgedachten Spur zu folgen, sich selbst zu erkennen, indem man sich der Idee von der sittlichen Bestimmung des Menschen annähert, um zur Ruhe und Gelassenheit zu finden, unberührt von den Wirren einer ständig aufgeregten Welt, um darüber möglichst gottähnlich zu werden.
Diese "Ebenbildlichkeit" zu Gott ist des Menschen eigentliches "Wesen", seine wahre Natur, die seit der Ursünde verstellt und verkehrt ist. Dem Menschen in seinem geschichtlichen Handeln kann es daher auch nur darum gehen, wieder eins zu werden mit Gott. Dazu muss er seinen Ursprung, seine Quelle finden: Die Selbsterkenntnis des Menschen vollzieht sich allein in Gott, "in fonte ipso, qui deus est", wie Andreas Schlieper mit Martin Luther bemerkt.
Den Menschen als Ebenbild Gottes beunruhigt immer ein Hunger nach Höherem, aber die letzte Stufe der Vervollkommnung erreicht er erst jenseits dieser immer unzulänglichen Welt. Immerhin der Weg zu Gott, wie Theologen ihn immer noch verstehen, ist auch ein Weg zur Freiheit, zu der der Mensch wegen seiner Ähnlichkeit mit Gott berufen ist. Was wir heute Menschenwürde und Menschenrechte nennen, hängt unmittelbar mit der Freiheit eines Christenmenschen zusammen. Nichts widerspricht der Würde des zur Freiheit bestimmten Menschen so sehr, wie die Qualität des Menschen nach seiner Verwertbarkeit, seiner Verbrauchsmöglichkeiten unter dem Gesichtspunkt des Nutzens zu beurteilen, wie unter dem Diktat rein ökonomischer Gesinnung, wenn man "heutzutage wieder ohne Scham von ’human ressources’ spricht, als sei die menschliche Arbeitskraft von der gleichen Qualität wie Erdöl oder Baumwolle, von ’Humankapital’ und sogar von ’Menschenmaterial’, das sich offenbar ebenso wie alles andere Material den Anforderungen der Materialprüfung und des Controlling stellen muss".
Den Menschen vorzugsweise als Arbeitskraft einzuschätzen, dessen Aufgabe es ist, sich nützlich zu machen, anderen nicht lästig zu fallen, immer mobil, dynamisch, flexibel zu sein und geräuschlos zu funktionieren, widerspricht nicht nur dem christlichen Menschenbild, sondern dem sämtlicher philosophischer Schulen vom klassischen Athen bis zu Fichte, Hegel oder Marx.
Die europäische Philosophie ist eine ununterbrochene Bemühung, dem Menschen dabei zu helfen, sich zu befreien aus entwürdigenden Abhängigkeiten und zur Selbständigkeit zu gelangen. Daran erinnert Andreas Schlieper eindringlich. Am radikalsten verkündete diese schöpferische Freiheit Johann Gottlieb Fichte:
"Ich wollte nicht Natur, sondern mein eigenes Werk sein; ich bin es geworden, dadurch dass ich es wollte."
Nichts anderes meinte Karl Marx, wenn er verlangte, jedem die Möglichkeit zu verschaffen, nach seinen Fähigkeiten und seinen Bedürfnissen sich zum Menschen zu bilden. Freilich, was ist der Mensch oder was kann er sein?
Darüber gibt es die unterschiedlichsten Auskünfte, weil sich der Mensch in der Welt als Geschichte unablässig ändert oder verbessert, wie er jeweils annimmt. In der globalisierte Welt von heute gilt ein Menschenbild, wie es der Historiker des modernen Kapitalismus Werner Sombart 1902 entworfen hat:
"Die Unternehmenden sind es, die sich die Welt erobern; die Schaffenden, die Lebendigen: die Nicht–Beschaulichen, Nicht-Genießenden, Nicht–Weltflüchtigen, Nicht–Weltverneinenden."
Eine solche Auffassung wendet sich gegen die Aufforderung sämtlicher Theologen, Philosophen oder Pädagogen, nach Gelassenheit und innere Ruhe zu streben, statt unermüdlich am sausenden Webstuhl der Zeit tätig zu sein. Diese immer belastbaren, froh und munteren Leistungsträger gelten, wie Andreas Schlieper schildert, als Besserverdienende auch als unbedingt bessere Menschen. Sie sind immer einsatzbereit, sportlich, gesund und schön. Arbeit adelt und Schönheit ist ein Ergebnis von Disziplin und lebenslangem Training.
Der neue Manchester–Kapitalismus fühlt sich in seiner Verbesserung des Menschen bestätigt, wenn Soziologen statistisch "beweisen", dass schöne und erfolgreiche Menschen selten kriminell werden, keine kleinen Mädchen vergewaltigen und nicht anfällig für politisch radikale Ansichten sind. Wie anders verhalten sich dazu im Vergleich die Dicken, Trägen, Arbeitslosen und Hässlichen, die Unnützen und Lebensunwerten, wie begeisterte Leistungsideologen längst vor den Nationalsozialisten solche kompletten Mängelwesen nannten.
Ist der Erfolg das wichtigste für den Menschen, dann liegt es nahe, voraussichtlich Erfolglose mit Hilfe präventiver Medizin erst gar nicht in diese Welt zu lassen. Das bewahrt die Leistungsfrohen vor der netzhautkränkenden Begegnung mit Hässlichen und Lebensuntüchtigen und vor der lästigen Frage: Wohin mit ihnen?
Ein Nobelpreisträger von 1912, der französische Mediziner Alexis Carrel, empfahl 1935 alle unordentlichen und schwer disziplinierbaren Elemente, die das Vertrauen der Öffentlichkeit schwer missbraucht haben, in mit geeignetem Gas ausgestattete Einrichtungen zu überweisen, um sich ihrer so auf humane und ökonomische Weise zu entledigen. Der Wunsch, den Menschen vernünftiger, effizienter, schöner und gesünder zu machen, kann unmittelbar dazu führen, viele zu bevormunden, zu entrechten oder gar zu vernichten.
Als Freund der Freiheit verteidigt Andreas Schlieper das Recht eines jeden, sich der Umerziehung in einer moralisch-pädagogischen Planwirtschaft durch Wohlfahrtsausschüsse zu verweigern, in die sich zunehmend Regierungen wandeln, die eine schöne neue Welt mit neuen, schönen Menschen ermöglichen wollen. Sein Buch möchte deshalb Zaghaften Mut machen, nicht zu resignieren unter dem Druck staatlich–gesellschaftlicher Fürsorge oder der natürlichen Auslese im umfassenden Wettbewerb.
Andreas Schlieper: Der Traum vom besseren Menschen
Ein Streifzug durch die Geschichte unserer Hoffnungen
Wjs Verlag, Berlin 2007
Einen Streifzug durch die Geschichte der menschlichen Hoffnungen und Kulturen unternimmt Andreas Schlieper in seinem geistreich-unterhaltendem Buch: Der Traum vom besseren Menschen. Der Mensch soll den alten Adam abstreifen, um sich in Jesus Christus zu erneuern und darüber zum neuen Adam zu werden, zum neuen Menschen.
Schon die griechische Philosophen forderten dazu auf, der gottgedachten Spur zu folgen, sich selbst zu erkennen, indem man sich der Idee von der sittlichen Bestimmung des Menschen annähert, um zur Ruhe und Gelassenheit zu finden, unberührt von den Wirren einer ständig aufgeregten Welt, um darüber möglichst gottähnlich zu werden.
Diese "Ebenbildlichkeit" zu Gott ist des Menschen eigentliches "Wesen", seine wahre Natur, die seit der Ursünde verstellt und verkehrt ist. Dem Menschen in seinem geschichtlichen Handeln kann es daher auch nur darum gehen, wieder eins zu werden mit Gott. Dazu muss er seinen Ursprung, seine Quelle finden: Die Selbsterkenntnis des Menschen vollzieht sich allein in Gott, "in fonte ipso, qui deus est", wie Andreas Schlieper mit Martin Luther bemerkt.
Den Menschen als Ebenbild Gottes beunruhigt immer ein Hunger nach Höherem, aber die letzte Stufe der Vervollkommnung erreicht er erst jenseits dieser immer unzulänglichen Welt. Immerhin der Weg zu Gott, wie Theologen ihn immer noch verstehen, ist auch ein Weg zur Freiheit, zu der der Mensch wegen seiner Ähnlichkeit mit Gott berufen ist. Was wir heute Menschenwürde und Menschenrechte nennen, hängt unmittelbar mit der Freiheit eines Christenmenschen zusammen. Nichts widerspricht der Würde des zur Freiheit bestimmten Menschen so sehr, wie die Qualität des Menschen nach seiner Verwertbarkeit, seiner Verbrauchsmöglichkeiten unter dem Gesichtspunkt des Nutzens zu beurteilen, wie unter dem Diktat rein ökonomischer Gesinnung, wenn man "heutzutage wieder ohne Scham von ’human ressources’ spricht, als sei die menschliche Arbeitskraft von der gleichen Qualität wie Erdöl oder Baumwolle, von ’Humankapital’ und sogar von ’Menschenmaterial’, das sich offenbar ebenso wie alles andere Material den Anforderungen der Materialprüfung und des Controlling stellen muss".
Den Menschen vorzugsweise als Arbeitskraft einzuschätzen, dessen Aufgabe es ist, sich nützlich zu machen, anderen nicht lästig zu fallen, immer mobil, dynamisch, flexibel zu sein und geräuschlos zu funktionieren, widerspricht nicht nur dem christlichen Menschenbild, sondern dem sämtlicher philosophischer Schulen vom klassischen Athen bis zu Fichte, Hegel oder Marx.
Die europäische Philosophie ist eine ununterbrochene Bemühung, dem Menschen dabei zu helfen, sich zu befreien aus entwürdigenden Abhängigkeiten und zur Selbständigkeit zu gelangen. Daran erinnert Andreas Schlieper eindringlich. Am radikalsten verkündete diese schöpferische Freiheit Johann Gottlieb Fichte:
"Ich wollte nicht Natur, sondern mein eigenes Werk sein; ich bin es geworden, dadurch dass ich es wollte."
Nichts anderes meinte Karl Marx, wenn er verlangte, jedem die Möglichkeit zu verschaffen, nach seinen Fähigkeiten und seinen Bedürfnissen sich zum Menschen zu bilden. Freilich, was ist der Mensch oder was kann er sein?
Darüber gibt es die unterschiedlichsten Auskünfte, weil sich der Mensch in der Welt als Geschichte unablässig ändert oder verbessert, wie er jeweils annimmt. In der globalisierte Welt von heute gilt ein Menschenbild, wie es der Historiker des modernen Kapitalismus Werner Sombart 1902 entworfen hat:
"Die Unternehmenden sind es, die sich die Welt erobern; die Schaffenden, die Lebendigen: die Nicht–Beschaulichen, Nicht-Genießenden, Nicht–Weltflüchtigen, Nicht–Weltverneinenden."
Eine solche Auffassung wendet sich gegen die Aufforderung sämtlicher Theologen, Philosophen oder Pädagogen, nach Gelassenheit und innere Ruhe zu streben, statt unermüdlich am sausenden Webstuhl der Zeit tätig zu sein. Diese immer belastbaren, froh und munteren Leistungsträger gelten, wie Andreas Schlieper schildert, als Besserverdienende auch als unbedingt bessere Menschen. Sie sind immer einsatzbereit, sportlich, gesund und schön. Arbeit adelt und Schönheit ist ein Ergebnis von Disziplin und lebenslangem Training.
Der neue Manchester–Kapitalismus fühlt sich in seiner Verbesserung des Menschen bestätigt, wenn Soziologen statistisch "beweisen", dass schöne und erfolgreiche Menschen selten kriminell werden, keine kleinen Mädchen vergewaltigen und nicht anfällig für politisch radikale Ansichten sind. Wie anders verhalten sich dazu im Vergleich die Dicken, Trägen, Arbeitslosen und Hässlichen, die Unnützen und Lebensunwerten, wie begeisterte Leistungsideologen längst vor den Nationalsozialisten solche kompletten Mängelwesen nannten.
Ist der Erfolg das wichtigste für den Menschen, dann liegt es nahe, voraussichtlich Erfolglose mit Hilfe präventiver Medizin erst gar nicht in diese Welt zu lassen. Das bewahrt die Leistungsfrohen vor der netzhautkränkenden Begegnung mit Hässlichen und Lebensuntüchtigen und vor der lästigen Frage: Wohin mit ihnen?
Ein Nobelpreisträger von 1912, der französische Mediziner Alexis Carrel, empfahl 1935 alle unordentlichen und schwer disziplinierbaren Elemente, die das Vertrauen der Öffentlichkeit schwer missbraucht haben, in mit geeignetem Gas ausgestattete Einrichtungen zu überweisen, um sich ihrer so auf humane und ökonomische Weise zu entledigen. Der Wunsch, den Menschen vernünftiger, effizienter, schöner und gesünder zu machen, kann unmittelbar dazu führen, viele zu bevormunden, zu entrechten oder gar zu vernichten.
Als Freund der Freiheit verteidigt Andreas Schlieper das Recht eines jeden, sich der Umerziehung in einer moralisch-pädagogischen Planwirtschaft durch Wohlfahrtsausschüsse zu verweigern, in die sich zunehmend Regierungen wandeln, die eine schöne neue Welt mit neuen, schönen Menschen ermöglichen wollen. Sein Buch möchte deshalb Zaghaften Mut machen, nicht zu resignieren unter dem Druck staatlich–gesellschaftlicher Fürsorge oder der natürlichen Auslese im umfassenden Wettbewerb.
Andreas Schlieper: Der Traum vom besseren Menschen
Ein Streifzug durch die Geschichte unserer Hoffnungen
Wjs Verlag, Berlin 2007