Das Edinburgh International Festival

Mit weitem Blick gegen den Brexit

04:57 Minuten
Zuschauer bei der Eröffnung des Edinburgh International Festivals
Feierlich eröffnet wurde das Edinburgh International Festival. © picture alliance / Photoshot
Von Oliver Kranz |
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Die Sorge vor dem Brexit überschattet auch das International Festival im schottischen Edinburgh. Die Unsicherheit und eine drohende Rezession gehören zu den größten Befürchtungen der Festivalmacher.
In Edinburgh hat das International Festival begonnen – eines von fünf Festivals, die im August in der Stadt parallel laufen. Da gibt es auch ein Kunst- und ein Literaturfestival, den Military Tattoo und das Fringe Festival, bei dem jeder teilnehmen kann.
Die schottische Stadt Edinburgh ist in Planquadrate aufgeteilt. An der Royal Mile, wo die meisten Touristen unterwegs sind, tritt ein Straßenkünstler neben dem anderen auf – Dudelsackspieler neben Rappern, Artisten neben Clowns, Zauberer neben Standup-Comedians.
"Edinburgh ist immer schön und lebendig, aber im August ist die Stadt wie verwandelt", sagt die Kulturstadträtin Amy McNeese-Mechan. "Die Bevölkerungszahl verdoppelt sich von 500.000 auf mehr als eine Million. So viele Gäste reisen an – aus der ganzen Welt, aber auch aus England und Schottland." Weltoffenheit, sagt sie, gehöre in der Stadt zur DNA. Daran habe auch die Diskussion über den Brexit nichts geändert. Beim Referendum hätten in der Stadt drei Viertel der Bewohner für einen Verbleib in der EU gestimmt.

Wachsen trotz Brexit

McNeese-Mechan verweist auf die Geschichte des Festivals: "Am Ende des Zweiten Weltkriegs, Europa war zerstört, hatte man hier die Idee, dass Kultur die Menschen zusammenbringt. Es wurden die Musiker eingeladen, die früher bei den Wiener Philharmonikern gespielt hatten, die sich seit Beginn des Krieges nicht mehr gesehen hatten, und dazu noch ein paar Theatergruppen. Das Signal wurde verstanden. Das Festival ist immer mehr gewachsen."
Das Wachstum ist vor allem dem Fringe-Festival zu verdanken, das 1947 von acht Theaterkompanien gegründet wurde, die nicht zum Edinburgh International Festival eingeladen worden waren. Beim Fringe kann jeder auftreten, der auf eigene Kosten in die Stadt kommt. 4000 Produktionen sind in diesem Jahr zu sehen. Das Fringe ist das größte Kunstfestival weltweit. Es wächst und wächst – allen Brexit-Diskussionen zum Trotz.

Besuch ohne Visum

Noch sind die Rahmenbedingungen günstig, sagt Shona McCarthy, die Leiterin des Festivals. "Im Augenblick braucht man kein Visum, um am Fringe-Festival teilzunehmen oder bei der Organisation mitzuarbeiten. Ein einfacher Einladungsbrief genügt. Wir bemühen uns sehr, diesen Status zu behalten." McCarthy ist sich nicht sicher, ob das gelingen wird.
Und auch Fergus Linehan, ihr Kollege vom Edinburgh International Festival, macht sich Sorgen: "Das größte Problem, das der Brexit mit sich bringt, ist die Unsicherheit." Er brauche einen Planungsvorlauf, um das Festival vorzubereiten. Doch wisse niemand, wo man in drei oder vier Jahren stehen werde. "Schon jetzt hat unsere Währung an Wert verloren, ich kann also weniger Geld ausgeben, um Künstler einzukaufen. Unsere größte Angst ist, dass das Land durch den Brexit in eine Rezession rutscht."
LA Philharmonie Orchester bei der Eröffnung des Edinburgh International Festival 2019 mit dem Dirigenten Gustavo Dudamel.  |
Das LA Philharmonie Orchester wurde bei der Eröffnung in Edinburgh gefeiert.© picture alliance / Photoshot
Dabei hat Linehan in diesem Jahr noch einmal aus dem Vollen geschöpft. Zur Festivaleröffnung gab es ein riesiges kostenloses Open-Air-Konzert der Los Angeles Philharmonic mit Filmmusik aus "Star Wars", "Harry Potter" und "Jurassic Park". Hinzu kommt ein Theaterprogramm mit sehr politischen Stücken – etwa der Produktion "Kiinalik" aus Kanada.
Die Singer-Songwriterin Evalyn Parry steht gemeinsam mit der Geschichtenerzählerin Laakkuluk Williamson Bathory vor einer Videowand, auf der arktische Landschaften vorüberflimmern. Sie berichten über ihre Herkunft. Parry stammt aus Toronto, Bathory von einer Insel ganz im Norden Kanadas. Sie gehört der Volksgruppe der Inuit an, deren nomadische Lebensweise von der kanadischen Regierung bekämpft wird. Viele Inuit wurden zwangsumgesiedelt.

Blick auf Thema Migration

Geschildert wird eine Landnahme. Den Inuit wurden zwar Reihenhäuser zur Verfügung gestellt, doch zugleich verloren sie den Kontakt zu ihrer Heimat. Die Selbstmordraten stiegen. Linehan vergleicht das mit dem Prozess der Kolonialisierung, bei dem weiße Europäer in vielen Teilen der Welt mit Gewalt die Ureinwohner verdrängt hätten. "Heute wird immer behauptet, die Einwanderung beträfe nur die reichen Länder des Westens", sagt Linehan. "Das war zu den Kolonialzeiten anders. Uns geht es darum, mit einem größeren Zeithorizont auf das Thema Migration zu blicken."
Linehan hat noch weitere Produktionen eingeladen, die das Thema aufgreifen. Das diesjährige Festival setzt nicht nur auf große Events, sondern auch auf Stücke, die den Blick weiten – über die britischen Grenzen hinaus.
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