Das Eigene geht im Gemeinsamen auf

Von Susanne von Schenck · 29.09.2010
Die Flensburger Andrea Paluch und Robert Habeck schreiben seit über zehn Jahren zusammen Bücher. Die beiden verstehen sich als Team und haben das gemeinsame Schreiben in ihren Alltag integriert.
Jeder für sich ist nicht so gut wie beide zusammen – so lautet einstimmig das Credo von Andrea Paluch und Robert Habeck. Schon während des Studiums übersetzte das Paar erfolgreich Lyrik aus dem Englischen. Dann beschlossen sie, auch gemeinsam Romane zu schreiben.

"Weil wir wussten, dass wir gemeinsam uns beruflich und persönlich uns Freiheiten geben, sind wir zusammen geblieben. Dass wir ein Paar geblieben sind, ist eng mit der Literatur verflochten."

Robert Habeck, Anfang 40, ist kräftig gebaut und etwas untersetzt, ein zupackender Typ. Andrea Paluch ist eine lebhafte Frau mit einem feinen Gesicht, das von kurzgeschnittenen braunen Haaren umrahmt wird.

"Also, ich könnte nicht mit jedem Menschen schnell ein Buch schreiben, ich kann das mit Robert, weil wir unsere Kommunikation derartig perfektioniert haben. Dass es mit Robert so gekommen ist, das ist irgendwie ein Zufall gewesen. Ich wollte ja gar nicht Schriftstellerin werden. Als Mädchen wollte ich immer Flötistin werden."

Sie stammt aus Hannover, er aus Lübeck. Kennengelernt haben sich die beiden Nordlichter in einer studentischen Theatergruppe in Freiburg. Er spielte einen Angeklagten, sie seinen Henker. Das hatte Folgen. Inzwischen leben Andrea Paluch und Robert Habeck mit ihren vier Söhnen in Schleswig-Holstein, seit Kurzem in Flensburg, in einer alten Villa, die sie fast fertig renoviert haben.

Ihr erster Roman "Hauke Haiens Tod", vor zehn Jahren entstanden, spielt mit einem literarischen Schlüsselwerk Schleswig-Holsteins, mit Theodor Storms dramatischer Novelle "Der Schimmelreiter". Das Autorenduo verwandelte die Geschichte um den Deichgrafen Hauke Haien in einen "Heimatthriller", verlegte sie in die Gegenwart und machte die Stormschen Nebenfiguren zu düsteren Protagonisten: wortkarge Gestalten, kommunikationsgestört und auch verstört, rohe Gesellen, die fast alle Dreck am Stecken haben.

"Schleswig-Holstein spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle in unseren Büchern. Nicht alle spielen in Schleswig Holstein, einige explizit, 'Hauke Haiens Tod' offensichtlich, ne Adaptation des 'Schimmelreiters'. Oder auch 'Zwei Wege in den Sommer' atmet sehr diesen Schleswig-Holsteinischen Sommer. Aber vom Lebensgefühl der Menschen, diesem Leben am Wasser, den langen Sommerabenden, schwingt diese Stimmung durch."

Ihre Bücher entstehen am Küchentisch. Dort diskutieren Andrea Paluch und Robert Habeck nächtelang über Genre, Figurenkonstellation und Aufbau. Was im Gespräch überzeugt, schreiben sie dann nieder – in zahlreichen Fassungen.

"Wir lesen uns den Text so oft vor, bis niemand mehr was mäkelt, und dann ist er fertig."

Im Lauf der Jahre haben sie ihre Zusammenarbeit perfektioniert. Das Eigene geht dabei restlos im Gemeinsamen auf. Kein Problem, betonen beide, offenbar frei von schriftstellerischen Eitelkeiten. Ein neuer Ton entsteht. Der sei ihr Markenzeichen, sagt Andrea Paluch.

"Der ist einerseits manchmal sehr knapp und präzise und pointiert, andererseits manchmal auch sehr rührend. Manchmal kommt es mir vor wie eine Wanderung auf dem schmalen Grad zum Kitsch, zu Tränen rührend, das finde ich besonders an dem Paluch-Habeck-Ton."

Ihre Lebens- und Arbeitsgemeinschaft ändert sich, als sich Robert Habeck den Grünen anschließt. Erst wird er Kreisvorsitzender, dann Fraktionsvorsitzender, und beinahe wäre er in Berlin gelandet. Nebenbei findet er zwar noch Zeit, zwei Sachbücher zu schreiben, eines über linken Patriotismus, ein zweites über "verwirrte Väter", aber das gemeinsame, sehr viel aufwendigere Verfassen von Texten schafft er nicht mehr. Schade, sagt der überzeugte Grüne, und vermisst es.

"Ja, das tue ich sehr und bilde mir auch ein, dass es irgendwann kein Verlust ist, nicht mehr Politiker sein zu können, sondern dann wieder Bücher schreiben zu können. Das merke ich schon sehr, dass diese Allmacht über Figuren und Stoffe ne ganz andere Form von Freiheit oder Kreativität darstellt als jetzt die Politik."

Schade, sagt auch Andrea Paluch.

"Für die Zusammenarbeit ist es traurig, finde ich. Aber für Robert als Mensch ist es super-toll, dass er sich jetzt auf einem anderen Feld austoben kann. Ich sehe, was der für Energie hat und was der leisten kann. Eigentlich wäre der hier unterfordert gewesen. Das ist auf jeden Fall ne neue Chance, hier was anderes auf die Beine zu stellen."

Diese Chance ergreift auch sie. Andrea Paluch plant ein neues, diesmal ganz eigenes Romanprojekt. Und die 40-Jährige hat sich einen Jugendtraum erfüllt: Sie singt in einer Rockband.

Ob als Politiker, als Autorenduo oder als Musikerin – im Leben von Andrea Paluch und Robert Habeck ist Bewegung. Sie wird vermutlich auch wieder zu einem gemeinsamen Buch führen. Nur wann, das ist noch ungewiss.


Bücher von Andrea Paluch und Robert Habeck (Auswahl):
"Hauke Haiens Tod"
"Der Schrei der Hyänen"
"Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf"
"1918 – Revolution in Kiel"
"Zwei Wege in den Sommer"