"Das Einzige, was ich will, ist schreiben"
Es waren vor allem Geschichten, die dem irisch-amerikanischen Schriftsteller Frank McCourt das Überleben in der Kindheit ermöglichten. Seine Erinnerungen an jene Zeit hat er in "Die Asche meiner Mutter" festgehalten. Mit seinen Memoiren verkaufte er als Senior Millionen von Büchern.
Mit seiner unglücklichen Kindheit im Irland der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts hat Frank McCourt seinen Frieden gemacht, indem er sie niederschrieb. Nach seinen drei autobiografischen Büchern "Die Asche meiner Mutter", "Ein rundherum tolles Land" sowie "Tag und Nacht und auch im Sommer" resümierte er lakonisch:
McCourt: "Eine glückliche Kindheit lohnt sich ja kaum."
Das seltene Erzähltalent eines Frank McCourt bildete sich in eben diesen unglücklichen Kindertagen zwischen Hunger, häuslicher Gewalt und niemals ausheilenden Augenentzündungen.
McCourt: "In meiner Kindheit gab es nichts anderes außer Geschichten. (...) Wir hatten kein Geld. Wenn meine Mutter im Kino war, kam sie nach Hause, machte Tee. Wir saßen vor dem Feuer und sie erzählte uns den Film Bild für Bild für Bild. Es war so gut, als ob man selbst da gewesen wäre. Mein Vater erzählte Geschichten bis hin zur Mythologie und Geschichte. Oder er hat Geschichten erfunden. Jeder erzählte Geschichten. Es gab nichts anderes. Wir hatten keinen Fernseher, wir hatten kein Radio, das Einzige, was wir hatten, war unser Mund und die englische Sprache."
Die Geschichten halfen dem am 19. August 1930 geborenen McCourt, seine Kindheit zu überleben. Sein Vater war Alkoholiker und stürzte die Familie ins Verderben. In die "Asche meiner Mutter" erzählte McCourt von der Armut und Trostlosigkeit in dem dreckigen kleinen Ort Limerick, in dem eigentlich nie die Sonne schien. Nass und kalt war das Wetter dort das ganze Jahr über. Aber McCourt gewann dem Elend immer auch skurrile Aspekte ab. Die tragikomische Gratwanderung gelang McCourt, indem er aus der Sicht eines anfangs vierjährigen Jungen erzählte. Der naive Blick des Kindes verwandelte die Szenerie:
"Der Lehrer sagt, es ist herrlich, für den Glauben zu sterben, und Dad sagt, es ist herrlich für Irland zu sterben, und ich frage mich, ob es wohl auf der Welt jemanden gibt, der möchte, dass wir leben. Meine Brüder sind tot, und meine Schwester ist tot, und ich frage mich, ob sie für Irland gestorben sind oder für den Glauben."
McCourt gelang es, aus seinen Lebenserinnerungen sprachlich hochstehende Literatur zu machen. Geradezu musikalisch komponierte er seine Memoiren und erschrieb sich eine gewaltige Leserschaft. McCourt kann man mittlerweile in 40 Sprachen lesen. Die Gesamtverkaufszahl liegt im zweistelligen Millionenbereich. Der Mann, der als bettelarmer irischer Einwanderer 1949 in die USA kam, gehörte an seinem Lebensabend zu den Dauergästen auf der Bestsellerliste der New York Times. Literaturgeschichtlich ist es ein Jammer, dass McCourt erst im Rentenalter mit dem Schreiben begann.
"Ich war zu beschäftigt. Ich musste unterrichten. Und wenn man fünf Klassen unterrichtet – 175 Schüler an einem Tag – kann man nicht nach Hause gehen und einen großen amerikanischen Roman schreiben. Oder etwas anderes. Man ist einfach zu erschöpft. (...) Ich habe es bereut, nicht schon früher mit dem Schreiben begonnen zu haben. (...) Ich war über 60. So alt! Ich mag es gar nicht sagen, aber da ist man alt! Es ist wie der Versuch, einen Marathon zu laufen, wenn du alt bist. Dir fehlen einfach die richtigen Muskeln. Ich konnte nicht die intellektuellen und künstlerischen Muskeln entwickeln fürs Schreiben. Aber ich hab's trotzdem getan."
Frank McCourt stand mit seinem Schreiben in einer typisch irischen Traditionslinie mit Autoren wie George Bernhard Shaw, Sean O’Casey und natürlich James Joyce waren literarische Stammväter. McCourt wehrte sich gegen sein Schicksal und blieb in seinem Schreiben immer bei sich. Unglückliche Kindheit in Irland, glücklose Emigrantenjahre in den USA und ein 30-jähriger Kampf in New Yorker Klassenzimmern – das sind die Themen seiner drei großen Memoiren-Bände. Unvergesslich wird jedem McCourt-Leser sicher die Stelle aus "Tag und Nacht und auch im Sommer" sein, als der Lehrer McCourt über die zum größten Teil von den Schülern selbst verfassten Entschuldigungszettel nachdenkt:
Wie war es möglich, dass ich diese Fundgrube bisher nicht beachtet hatte, diese Juwelen der Fiktion, Phantasie, Kreativität, Frömmelei, des Selbstmitleids, der Familienprobleme, der explodierenden Boiler, einstürzenden Decken, Feuersbrünste, Babys und Haustiere, die auf Schulaufgaben pinkelten, unerwarteten Entbindungen, Herzinfarkte, Schlaganfälle, Fehlgeburten, Raubüberfälle? Aus dem Ofen schlugen Flammen, die Tapete geriet in Brand. Und die Feuerwehr hat uns die ganze Nacht nicht mehr ins Haus gelassen und Sie können sich vorstellen, wie schwer es für meinen Ronny war, sich für die Schule fertig zu machen. Ich hoffe, Sie entschuldigen ihn ausnahmsweise, und es wird nicht wieder vorkommen.
Mit den insgesamt 1400 Seiten Erinnerungsarbeit schuf McCourt ein bitter-komisches Dokument der Heimatlosigkeit im 20. Jahrhundert. Der spätberufene Ausnahmeautor scherte sich wenig um Ruhm und Geld. Für ihn zählten in seinen letzten Lebensjahren nur noch geschriebene Worte:
"Ich mache mir nichts aus Geld. Ich habe genug. Ich möchte nicht noch mehr Geld haben. Bitte gebt mir kein Geld mehr! Ich habe keinen unerfüllten Wunsch mehr. Ich habe alles. Das Einzige, was ich will, ist schreiben. ... Das ist alles."
McCourt: "Eine glückliche Kindheit lohnt sich ja kaum."
Das seltene Erzähltalent eines Frank McCourt bildete sich in eben diesen unglücklichen Kindertagen zwischen Hunger, häuslicher Gewalt und niemals ausheilenden Augenentzündungen.
McCourt: "In meiner Kindheit gab es nichts anderes außer Geschichten. (...) Wir hatten kein Geld. Wenn meine Mutter im Kino war, kam sie nach Hause, machte Tee. Wir saßen vor dem Feuer und sie erzählte uns den Film Bild für Bild für Bild. Es war so gut, als ob man selbst da gewesen wäre. Mein Vater erzählte Geschichten bis hin zur Mythologie und Geschichte. Oder er hat Geschichten erfunden. Jeder erzählte Geschichten. Es gab nichts anderes. Wir hatten keinen Fernseher, wir hatten kein Radio, das Einzige, was wir hatten, war unser Mund und die englische Sprache."
Die Geschichten halfen dem am 19. August 1930 geborenen McCourt, seine Kindheit zu überleben. Sein Vater war Alkoholiker und stürzte die Familie ins Verderben. In die "Asche meiner Mutter" erzählte McCourt von der Armut und Trostlosigkeit in dem dreckigen kleinen Ort Limerick, in dem eigentlich nie die Sonne schien. Nass und kalt war das Wetter dort das ganze Jahr über. Aber McCourt gewann dem Elend immer auch skurrile Aspekte ab. Die tragikomische Gratwanderung gelang McCourt, indem er aus der Sicht eines anfangs vierjährigen Jungen erzählte. Der naive Blick des Kindes verwandelte die Szenerie:
"Der Lehrer sagt, es ist herrlich, für den Glauben zu sterben, und Dad sagt, es ist herrlich für Irland zu sterben, und ich frage mich, ob es wohl auf der Welt jemanden gibt, der möchte, dass wir leben. Meine Brüder sind tot, und meine Schwester ist tot, und ich frage mich, ob sie für Irland gestorben sind oder für den Glauben."
McCourt gelang es, aus seinen Lebenserinnerungen sprachlich hochstehende Literatur zu machen. Geradezu musikalisch komponierte er seine Memoiren und erschrieb sich eine gewaltige Leserschaft. McCourt kann man mittlerweile in 40 Sprachen lesen. Die Gesamtverkaufszahl liegt im zweistelligen Millionenbereich. Der Mann, der als bettelarmer irischer Einwanderer 1949 in die USA kam, gehörte an seinem Lebensabend zu den Dauergästen auf der Bestsellerliste der New York Times. Literaturgeschichtlich ist es ein Jammer, dass McCourt erst im Rentenalter mit dem Schreiben begann.
"Ich war zu beschäftigt. Ich musste unterrichten. Und wenn man fünf Klassen unterrichtet – 175 Schüler an einem Tag – kann man nicht nach Hause gehen und einen großen amerikanischen Roman schreiben. Oder etwas anderes. Man ist einfach zu erschöpft. (...) Ich habe es bereut, nicht schon früher mit dem Schreiben begonnen zu haben. (...) Ich war über 60. So alt! Ich mag es gar nicht sagen, aber da ist man alt! Es ist wie der Versuch, einen Marathon zu laufen, wenn du alt bist. Dir fehlen einfach die richtigen Muskeln. Ich konnte nicht die intellektuellen und künstlerischen Muskeln entwickeln fürs Schreiben. Aber ich hab's trotzdem getan."
Frank McCourt stand mit seinem Schreiben in einer typisch irischen Traditionslinie mit Autoren wie George Bernhard Shaw, Sean O’Casey und natürlich James Joyce waren literarische Stammväter. McCourt wehrte sich gegen sein Schicksal und blieb in seinem Schreiben immer bei sich. Unglückliche Kindheit in Irland, glücklose Emigrantenjahre in den USA und ein 30-jähriger Kampf in New Yorker Klassenzimmern – das sind die Themen seiner drei großen Memoiren-Bände. Unvergesslich wird jedem McCourt-Leser sicher die Stelle aus "Tag und Nacht und auch im Sommer" sein, als der Lehrer McCourt über die zum größten Teil von den Schülern selbst verfassten Entschuldigungszettel nachdenkt:
Wie war es möglich, dass ich diese Fundgrube bisher nicht beachtet hatte, diese Juwelen der Fiktion, Phantasie, Kreativität, Frömmelei, des Selbstmitleids, der Familienprobleme, der explodierenden Boiler, einstürzenden Decken, Feuersbrünste, Babys und Haustiere, die auf Schulaufgaben pinkelten, unerwarteten Entbindungen, Herzinfarkte, Schlaganfälle, Fehlgeburten, Raubüberfälle? Aus dem Ofen schlugen Flammen, die Tapete geriet in Brand. Und die Feuerwehr hat uns die ganze Nacht nicht mehr ins Haus gelassen und Sie können sich vorstellen, wie schwer es für meinen Ronny war, sich für die Schule fertig zu machen. Ich hoffe, Sie entschuldigen ihn ausnahmsweise, und es wird nicht wieder vorkommen.
Mit den insgesamt 1400 Seiten Erinnerungsarbeit schuf McCourt ein bitter-komisches Dokument der Heimatlosigkeit im 20. Jahrhundert. Der spätberufene Ausnahmeautor scherte sich wenig um Ruhm und Geld. Für ihn zählten in seinen letzten Lebensjahren nur noch geschriebene Worte:
"Ich mache mir nichts aus Geld. Ich habe genug. Ich möchte nicht noch mehr Geld haben. Bitte gebt mir kein Geld mehr! Ich habe keinen unerfüllten Wunsch mehr. Ich habe alles. Das Einzige, was ich will, ist schreiben. ... Das ist alles."