Das Ende der TV-Serie "Lindenstraße"

Auserzählt wie ein gedrucktes Telefonbuch

02:38 Minuten
Um drei Darstellerinnen der "Lindenstraße" steht ein Kamerateam herum.
Sie war einmal Kult, die Fernsehserie "Lindenstraße". Nach fast 35 Jahren ist Schluss. Unser Autor bedauert das nicht. © WDR/Steven Mahner
Von Michael Watzke |
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Die ARD sendet die letzte Folge der TV-Serie "Lindenstraße". In München jubelt unser Autor Michael Watzke: Er sieht schon lange keinen Anlass mehr, der betulich-tantigen Endlos-Soap kostbare Lebenszeit zu opfern. Und das kann er gut begründen.
Erstens: 
Mal angenommen – nur angenommen – das Corona-Virus erwischt mich, ich komme in die Hölle, der Teufel stellt mich vor die Wahl: "A – Du musst täglich zehn Folgen "Lindenstraße" schauen – oder B…" "B!" würde ich rufen! Soll mir der Teufel die Zehennägel rausreißen, aber bitte keine "Lindenstraße"!

Zweitens: Diese Serie war schon vor zehn Jahren so auserzählt wie ein gedrucktes Telefonbuch. Spätestens als Else Kling verstarb - sie ruhe in Frieden - gab es keinen Grund mehr, der "Lindenstraße" auch nur eine halbe Stunde Lebenszeit zu opfern.

Drittens: 
Diese Lebenszeit ist zu kostbar, um sie hölzernen Dialogen, konstruierten Handlungssträngen und abgestandenen Persönlichkeitskrisen verstaubter Darsteller zu opfern. Selbst die billigste Netflix-Serie ist heutzutage spannender erzählt und professioneller produziert als Hans W. Geißendörfers betulich-tantige Endlos-Saga. "Bad Banks" – das ist deutsches TV der Zukunft.

Viertens: Eine Folge der "Lindenstraße" anzuschauen, fühlt sich für mich an, als fände ich in der hintersten Ecke des Kellers einen vergilbten 80er-Jahre-Zeitungsartikel mit einer Konzertkritik von "Bronski Beat". Ich fühle einen kalten Schauer der Peinlichkeit auf dem Rücken, weil ich die vor ewigen Zeiten mal gut fand. Und ich denke sofort: Gibt es die noch?! Im Fall von Bronski Beat: Nein. Im Fall der "Lindenstraße": Ja, bis morgen Abend! Und dann hat sich endlich auch das erledigt.

Fünftens: 
Ich als Münchner habe nie verstanden, warum ein kölscher Produzent glaubte, er könne bajuwarisches Lebensgefühl überzeugend in ein Serienschema pressen. Ich bin mal zufällig in die echte Münchner Lindenstraße eingebogen, im schicken Stadtteil Harlaching. Ein Promi-Bungalow neben der nächsten Protz-Villa. DAS wäre Stoff für eine gesellschafts-kritische Soap über München von heute.
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