Ein deutsches Trümmerfeld
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Deutschland sollte eine Weltmacht werden, die von keiner Macht bezwungen werden kann: Mit diesem Anspruch zog Hitler 1933 in die Reichskanzlei in Berlin ein. Zwölf Jahre später war sein Regime am Ende und hinterließ eine riesige Trümmerlandschaft.
"Nichts konnte dem Regime noch helfen. Unabwendbar war sein Zusammenbruch, als am 23. März 1945 im Münchner Hofbräuhaus noch einmal – zum letzten Mal – die nationalsozialistischen Führer Bayerns zusammenkamen. Hier hatte der Aufstieg des Adolf Hitler begonnen; in diesem Saal hatte er seine ersten Gefolgsleute gefunden, und hier hierher war er immer wieder zurückgekehrt in den Jahren seiner Triumphe. Das war vorbei."
So beginnt Manfred Rexin seine letzte von 25 Folgen der Sendereihe "Regime unter dem Hakenkreuz", die 1983 im West-Berliner RIAS ausgestrahlt wurde.
Der langjährige Leiter des RIAS-Bildungsprogramms hatte die ganze Fülle der Tondokumente aus der NS-Zeit im Deutschen Rundfunkarchiv ausgewertet und für eine Rundfunkdokumentation verarbeitet, die in ihrem Umfang, in ihrer thematischen Breite und der Intensität des Erzählens Rundfunkgeschichte gemacht hat.
Leichenberge und moralische Verwüstungen
Die Hitler-Bewegung, die in den 1920er-Jahren aufgebrochen war, um Deutschland wieder groß zu machen, hinterließ am Ende Leichenberge und Trümmerfelder unvorstellbaren Ausmaßes. "Ein deutsches Trümmerfeld" – dieser Titel bezieht sich nicht nur auf die sichtbaren Zerstörungen, sondern auch auf die unsichtbaren: die moralischen Verwüstungen nach den Verbrechen unter dem Hakenkreuz.
Im Frühjahr 1945 rückten die alliierten Truppen unaufhaltsam im Deutschen Reich vor und näherten sich dem Führerbunker, in dem sich Hitler mit seinem Gefolge verschanzt hatte. Werner Naumann, Staatssekretär und Stellvertreter von Joseph Goebbels im Propagandaministerium, musste am 23. März in München zugeben, dass sich die Lage dramatisch zuspitzte:
"Die Situation ist nun inzwischen so kritisch und so ernst geworden, dass der Einsatz der gesamten nationalsozialistischen Aktivität vonnöten ist. ... Ich weiß, dass es heute sehr schwer ist für einen politischen Leiter draußen in einer Ortsgruppe, wenn er seinen Volksgenossen die Fragen beantworten soll, ob der Krieg denn noch einen Sinn habe, ob man überhaupt noch siegen könne. ... Die Luftlage ist ja auch nicht besser geworden, sondern sie wird von Tag zu Tag schlimmer. Hat das denn noch einen Sinn? Wie stellt denn der Führer sich das vor? Müssen wir nicht kapitulieren, müssen wir nicht nachgeben?"
Durchhalteparolen statt Kapitulation
All diese Fragen wurden vom Staatssekretär, auch von Goebbels im selben Monat mit Durchhalteparolen beantwortet und der Absage an jeden Gedanken der Kapitulation. Goebbels sagte am 11. März in Görlitz:
"So wie der Führer die Krisen der Vergangenheit bewältigt hat, so wird er auch diese bewältigen. ... Und ich glaube so fest daran, ... dass wir den Feind schlagen und zurückjagen werden, und ich glaube so fest, dass wir eines Tages den Sieg an unsere Fahnen heften werden."
Die Realität war eine andere – vorrückende Truppen der Alliierten und Luftangriffe: "Achtung! Wir geben eine Luftlagemeldung. Die gemeldeten feindlichen Kampf- und Jagdverbände mit der Spitze im Raume von Norderney mit Ostkurs…"
"Statisten auf einer verwüsteten Bühne"
Als kleiner Junge hatte Manfred Rexin 1939 persönlich den Kriegsausbruch in Danzig erlebt:
"Frühes Kindheitsbild, das sich mir einprägte – wie ich an diesem Tag, vierjährig, neben meinen Eltern in einer großen Menschenmenge am Hafen von Neufahrwasser stand. In einiger Entfernung sahen wir die ‚Schleswig-Holstein‘, ein deutsches Linienschiff, das die polnischen Stellungen auf der Westerplatte beschoss. Ich weiß, dass das tiefe Dröhnen der Schiffsgeschütze mich verstörte, aber die Erwachsenen lachten und trösteten den heulenden Jungen: Es sei doch alles ganz ungefährlich. ... Nach meiner Erinnerung war die Stimmung in der Menge am Hafen heiter, gelöst. ... Nun, fünfeinhalb Jahre später, saß niemand mehr als interessierter und distanzierter Zuschauer in einer Loge. Die Bewohner Danzigs waren zu Statisten auf einer verwüsteten Bühne geworden."
Vergeblich versuchte ein Werwolf-Sender als "Sender der deutschen Freiheitsbewegung" noch zum Widerstand aufzustacheln, aber Joseph Goebbels musste am 25. April 1945 bekanntgeben, dass inzwischen auch Berlin zur Frontstadt geworden war – und verband dies mit der ohnmächtigen Drohung:
"Jeder Berliner ist für sein Haus und seine Wohnung selbst verantwortlich. Häuser und Wohnungen, die weiße Fahnen zeigen, haben kein Anrecht mehr auf Schutz und Gemeinschaftshilfe und werden dementsprechend behandelt werden."
Der Tod klopft an die Türen Berlins
Was auf die Menschen in Berlin zukam, hatte zuvor der sowjetische Schriftsteller Ilja Ehrenburg kundgetan:
"Nicht nur Divisionen und Armeen marschieren auf Berlin. Die Leichen all der Unschuldigen aus den Massengräbern, Gräben und Schluchten marschieren auf Berlin. ... Die Stiefel und Schuhe der in Majdanek erschossenen und vergasten Männer, Frauen und Kinder – sie alle marschieren nach Berlin. Der Tod klopft an die Türen in der Joachimsthaler Straße, in der Kaiserallee, Unter den Linden und in allen verfluchten Straßen dieser verfluchten Stadt. ... Wir vergessen nichts."
Rexins Sendung endet mit einer Erinnerung an eine Rede, die Hitler 1938 gehalten hatte: Das deutsche Volk habe die Völkerwanderung überstanden, die Glaubenskämpfe, den 30-jährigen Krieg, die Napoleonischen Kriege, den Ersten Weltkrieg – "es wird auch mich überstehen", höhnte er.
Manfred Rexin beschließt seine Sendung mit den Worten: "Die Deutschen haben ihn überstanden – aber um welchen Preis."