Das Ende eines Dorfes und seines Doms
Im rheinischen Immerath fand am vergangenen Sonntag die letzte Messe statt. Der Energie-Riese RWE lässt 19 Dörfer für den Tagebau verschwinden, darunter auch Immenrath. Der "Immerather Dom", wie ihn der Volksmund nennt, wird deshalb schon mal prophylaktisch entwidmet.
"Wir rufen zum Herrn, dass er uns seine Kraft und seinen Beistand schenke. Herr, erbarme dich …"
Der 69-jährige Pfarrer Günter Salentin feiert seine letzte Messe im Immerather Dom, einem neoromanischen Gotteshaus mit zwei mächtigen Türmen. Das Gotteshaus hat endgültig seine Pforten geschlossen. Am vergangenen Sonntag wurde die Kirche entwidmet. Das ewige Licht wurde gelöscht. Das Allerheiligste, die Hostien, wurden hinausgetragen. Zur letzten Messe gekommen ist auch Gisela Paech. Aufgrund der politischen Entscheidung für Garzweiler II, für den Braunkohlebergbau, mussten alle Immerather ihre Häuser an RWE Power verkaufen. Wegen dieser Vertreibung sei ihr Mann, der mit Leib und Seele Landwirt war, an Gram gestorben, sagt Gisela Paech.
"Der Sohn bearbeitet den Betrieb, aber er weiß nicht wohin. Er hat bestes Land, er baut Spinat, Bohnen, Kartoffeln, Getreide und Zuckerrüben."
Marlies Bereit vom Kirchenvorstand ist schon vor vier Jahren umgesiedelt worden - wenige Kilometer weiter nach Immerath-Neu. Allerdings:
"Eine neue Heimat ist es nicht. Solange das hier existiert, ist man doch damit verbunden."
In der vergangenen Woche kamen neue Diskussionen auf. Nach Medienbericht gibt es Überlegungen bei RWE Power, den Tagebau früher zu beenden, sodass man auf Dörfer wie Immerath verzichten könnte. Doch für die Immerather kommt diese Meldung zu spät:
"Aber in dem Ort kann man auch nicht mehr leben: vernagelte Fenster, abgerissene Dachrinnen, es ist nicht mehr lebenswert."
Pfarrer Günter Salentin wird noch deutlicher: Wenn es stimme, dass RWE auf Dörfer wie Immerath nun verzichten könne, dann sei das – so wörtlich – eine Schweinerei den Menschen gegenüber. Falls es aber nur ein taktisches Manöver des Energiekonzerns sei, um die Politik unter Druck zu setzen, dann sei das eine Unverschämtheit. Man spiele mit den Gefühlen der Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen.
In den 90er Jahren stand Günter Salentin als Dechant an der Spitze des Widerstandes gegen den Energiekonzern und dessen Pläne, für die Braunkohle 19 Orte verschwinden zu lassen. Damals erklärte der Pfarrer, man werde keinen Quadratmeter Kirchenland hergeben. Doch es kam anders. Nachdem das Oberverwaltungsgericht die Klagen gegen die Räumung der Dörfer ablehnte, gab das Bistum Aachen den Widerstand auf. Zu früh, meint Günter Salentin heute:
"Das Bistum hat die Gemeinden unterstützt, dann hat das Bistum gesagt: Jetzt wird die Sache zu teuer, wir geben euch keine finanzielle Unterstützung mehr, und dafür war es für uns als kleiner Ort nicht mehr tragbar oder das Risiko war zu groß."
Die Gemeinde konnte den Klageweg nicht weiter beschreiten. Dabei hatte Bischof Heinrich Mussinghoff bei seiner Amtseinführung 1995 Garzweiler II als "ökologisch und sozial unverträglich" sowie als "unverantwortlich" bezeichnet. An die markigen Worte des Bischofs will Franz Kretschmann, Sprecher des Bistums Aachen, heute nicht mehr so gern erinnert werden.
"Letztendlich ist die Kirchengemeinde der Verhandlungspartner von RWE Power, und ich kann nur sagen, dass die Verhandlungen zum Abschluss gebracht sind."
Die Kirchengemeinde hat den Dom, einige Gebäude sowie ihre Ländereien an RWE Power verkauft. Es sind etliche Millionen Euro geflossen, aber über die konkrete Summe schweigen die Gemeindevertreter und der Sprecher des Bistums Aachen, Franz Kretschmann.
"Es macht keinen Sinn nach der Entscheidung noch zu kämpfen gegen den Braunkohletagebau. Die Entscheidung ist getroffen."
Doch nicht alle haben aufgegeben. Der Immerather Bürger Stephan Pütz und der BUND, der Bund für Umwelt und Naturschutz, sind mit ihrer Klage mittlerweile beim Bundesverfassungsgericht angekommen. Das will in den kommenden Wochen entscheiden, ob das alte, aus nationalsozialistischer Zeit stammende Gesetz noch immer gilt, nämlich dass das Bergrecht über dem Grundrecht steht, dass Menschen und Dörfer verschwinden müssen zu Gunsten der Braunkohle. Dirk Jansen vom BUND hätte sich – auch seitens der Kirchen - mehr Unterstützung gewünscht:
"Fakt ist: wir waren mit dem einen oder anderen Privaten allein auf weiter Flur im Widerstand gegen Garzweiler II."
Aber Franz Kretschmann vom Bistum Aachen beharrt:
"Die Entscheidung ist getroffen. Ich glaube, es ist für die Menschen erst einmal wichtig, dass sie ihre neue Heimat bekommen."
Doch von einer neuen Heimat mag Pfarrer Günter Salentin nicht sprechen.
"Heimat finden Sie da, wo ich innerlich ganz zu Hause bin … Es ist da, wo ich meine Wurzeln habe, die kann man nie wieder anderswo finden."
Die riesigen, monströsen Bagger rücken immer näher. Die letzten Tage von Immerath haben begonnen. Es ist ein Anachronismus. Trotz Energiewende verschwindet weiter Dorf um Dorf für die Braunkohle. Selbst wenn sich das Bundesverfassungsgericht gegen die einseitige Ausdehnung des Braunkohletagebaus entscheidet, selbst wenn RWE Power aus wirtschaftlichen Gründen die Produktion vorzeitig beendet: Für Immerath und seinen Dom ist es dann zu spät.
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"Der Sohn bearbeitet den Betrieb, aber er weiß nicht wohin. Er hat bestes Land, er baut Spinat, Bohnen, Kartoffeln, Getreide und Zuckerrüben."
Marlies Bereit vom Kirchenvorstand ist schon vor vier Jahren umgesiedelt worden - wenige Kilometer weiter nach Immerath-Neu. Allerdings:
"Eine neue Heimat ist es nicht. Solange das hier existiert, ist man doch damit verbunden."
In der vergangenen Woche kamen neue Diskussionen auf. Nach Medienbericht gibt es Überlegungen bei RWE Power, den Tagebau früher zu beenden, sodass man auf Dörfer wie Immerath verzichten könnte. Doch für die Immerather kommt diese Meldung zu spät:
"Aber in dem Ort kann man auch nicht mehr leben: vernagelte Fenster, abgerissene Dachrinnen, es ist nicht mehr lebenswert."
Pfarrer Günter Salentin wird noch deutlicher: Wenn es stimme, dass RWE auf Dörfer wie Immerath nun verzichten könne, dann sei das – so wörtlich – eine Schweinerei den Menschen gegenüber. Falls es aber nur ein taktisches Manöver des Energiekonzerns sei, um die Politik unter Druck zu setzen, dann sei das eine Unverschämtheit. Man spiele mit den Gefühlen der Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen.
In den 90er Jahren stand Günter Salentin als Dechant an der Spitze des Widerstandes gegen den Energiekonzern und dessen Pläne, für die Braunkohle 19 Orte verschwinden zu lassen. Damals erklärte der Pfarrer, man werde keinen Quadratmeter Kirchenland hergeben. Doch es kam anders. Nachdem das Oberverwaltungsgericht die Klagen gegen die Räumung der Dörfer ablehnte, gab das Bistum Aachen den Widerstand auf. Zu früh, meint Günter Salentin heute:
"Das Bistum hat die Gemeinden unterstützt, dann hat das Bistum gesagt: Jetzt wird die Sache zu teuer, wir geben euch keine finanzielle Unterstützung mehr, und dafür war es für uns als kleiner Ort nicht mehr tragbar oder das Risiko war zu groß."
Die Gemeinde konnte den Klageweg nicht weiter beschreiten. Dabei hatte Bischof Heinrich Mussinghoff bei seiner Amtseinführung 1995 Garzweiler II als "ökologisch und sozial unverträglich" sowie als "unverantwortlich" bezeichnet. An die markigen Worte des Bischofs will Franz Kretschmann, Sprecher des Bistums Aachen, heute nicht mehr so gern erinnert werden.
"Letztendlich ist die Kirchengemeinde der Verhandlungspartner von RWE Power, und ich kann nur sagen, dass die Verhandlungen zum Abschluss gebracht sind."
Die Kirchengemeinde hat den Dom, einige Gebäude sowie ihre Ländereien an RWE Power verkauft. Es sind etliche Millionen Euro geflossen, aber über die konkrete Summe schweigen die Gemeindevertreter und der Sprecher des Bistums Aachen, Franz Kretschmann.
"Es macht keinen Sinn nach der Entscheidung noch zu kämpfen gegen den Braunkohletagebau. Die Entscheidung ist getroffen."
Doch nicht alle haben aufgegeben. Der Immerather Bürger Stephan Pütz und der BUND, der Bund für Umwelt und Naturschutz, sind mit ihrer Klage mittlerweile beim Bundesverfassungsgericht angekommen. Das will in den kommenden Wochen entscheiden, ob das alte, aus nationalsozialistischer Zeit stammende Gesetz noch immer gilt, nämlich dass das Bergrecht über dem Grundrecht steht, dass Menschen und Dörfer verschwinden müssen zu Gunsten der Braunkohle. Dirk Jansen vom BUND hätte sich – auch seitens der Kirchen - mehr Unterstützung gewünscht:
"Fakt ist: wir waren mit dem einen oder anderen Privaten allein auf weiter Flur im Widerstand gegen Garzweiler II."
Aber Franz Kretschmann vom Bistum Aachen beharrt:
"Die Entscheidung ist getroffen. Ich glaube, es ist für die Menschen erst einmal wichtig, dass sie ihre neue Heimat bekommen."
Doch von einer neuen Heimat mag Pfarrer Günter Salentin nicht sprechen.
"Heimat finden Sie da, wo ich innerlich ganz zu Hause bin … Es ist da, wo ich meine Wurzeln habe, die kann man nie wieder anderswo finden."
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