Das europäische Schweige-Epos - die EPIC-Studie
Fast 20 Jahre ist es her, dass die größte Ernährungsstudie überhaupt, die European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition-Studie begonnen wurde. Sie sollte der Forderung nach fünfmal am Tag Obst und Gemüse Nachdruck zu verleihen. Jetzt liegt das Endergebnis vor. Doch seltsamerweise schweigen die Ernährungspäpste. Genaueres von unserem Lebensmittelchemiker
Erinnern Sie sich noch an die vehementen Aufrufe, fünfmal am Tag Obst und Gemüse zu speisen? Das sollte uns vor Krebs schützen; bis zu 50 Prozent weniger Krebsfälle wurden von den Ernährungsmedizinern uns in Aussicht gestellt. Fünf mal 400 Gramm, also lausige zwei Kilo am Tag würden schon reichen. Diese Empfehlung galt weltweit für alle Menschen ab dem zarten Alter von zwei Jahren.
Da es damals keinerlei Studien gab, die mit einer sauberen Methodik den Nutzen von Obst und Gemüse nachgewiesen hatten, wurde die berühmte EPIC-Studie ins Leben gerufen – die European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition. Sie sollte den Umfang des Krebsschutzes in harte Zahlen fassen. Europaweit wurde über eine halbe Million Menschen erfasst, zehn Länder haben sich daran beteiligt. Begonnen wurde 1992, abgeschlossen wurde die Erhebung im Jahre 2000. Danach wurden der Öffentlichkeit ein paar Häppchen vorgeworfen - aber nun ist das lange Schweigen gebrochen, endlich wurde das amtliche Endergebnis in einem amerikanischen Fachblatt publiziert.
Darin lesen wir als ersten Satz – den die Elite von Europas Ernährungsforschern formuliert hat: "Es wird allgemein angenommen, dass man Krebs durch eine hohe Aufnahme von Obst und Gemüse vorbeugen kann. Leider haben die uneinheitlichen Ergebnisse vieler Studien es nicht erlaubt, eine inverse Beziehung zwischen dem Obst- und Gemüsekonsum und dem allgemeinen Krebsrisiko zu etablieren." Will sagen, die Studienlage war immer diffus und es gab nie Beweise für den allerorten verkündeten Schutz vor Krebs durch artiges Essen. Die Fünf-am-Tag-Kapagne war also nicht eine Gesundheitsmaßnahme, sondern eine Marketingidee mit ungewissem Ausgang.
Das offizielle Ergebnis der Studie spricht nun von "einer sehr kleinen inversen Assoziation" zwischen Obst, Gemüse und Krebs. Da Schutz liegt rein rechnerisch bei maximal drei Prozent und ist damit statistisch wertlos - umso mehr, als der günstige Effekt für "schwere Trinker" gilt, die große Mengen an Obst und Gemüse essen. Spätestens hier weiß man, dass da offenbar ganz heftig an den Daten herummassiert wurde. Die Experten haben dafür ja auch fast zehn Jahre gebraucht.
Das Deutsche Ärzteblatt verweist in einem Bericht über das Ergebnis der EPIC-Studie darauf, dass dies schon vorher Stand der Dinge war: "Die seit den Fünfzigerjahren durchgeführten prospektiven Studien konnten die optimistischen Annahmen (in Sachen Krebsschutz d. A.) nicht bestätigten. Selbst für den Darmkrebs konnte eine frühere Meta-Analyse keine signifikante protektive Wirkung finden."
Nun verweisen die Betreiber dieser sündteuren Studie darauf, dass es zwar mit dem Krebs nix war, aber Obst und Gemüse könnten ja vor anderen Krankheiten schützen – und da gäbe es schon in anderen Studien entsprechende Hinweise. Aha. Warum nehmen die Spezialisten nicht gleich ihre eignen Daten? Damit könnten sie das ja unschwer belegen. Man braucht doch nur zu gucken, ob Personen, die viel Obst und Gemüse gegessen eher gestorben sind oder länger lebten als diejenigen, die das aßen, was ihnen bekam. Diese Daten haben die Forscher natürlich. Aber sie fehlen.
Sollte das Ergebnis etwa noch bitterer gewesen sein? Darauf deuten andere Beobachtungen hin: Als die Fünf-am-Tag-Kapagne losgetreten wurden, füllten sich sehr schnell die Wartezimmer unserer Gastroenterologen. Denn vor allem Frauen litten dadurch unter massiven Verdauungsproblemen. Darüber hinaus blieb beispielsweise bei Frauen, die viel Obst aßen, häufiger die Regel aus. Der Körper hat offenbar die Notbremse gezogen.
Man braucht keine Studien um zu wissen, dass derjenige der Obst oder Gemüse verträgt, der es gerne isst, sich damit den Bauch vollschlagen kann. Und wer‘s nicht verträgt, sollte lieber was Bekömmlicheres speisen. Mahlzeit!
Literatur:
Bofetta P et al: Fruit and vegetable intake and overall cancer risk in the European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC). Journal of the National Cancer Institute 2010; 102: 529-537
Willett WC: Fruits, vegetables, and cancer prevention: Turmoil in the produce section. Journal of the National Cancer Institute 2010; 102: 510-511
Anon; Obst und Gemüse schützen (kaum) vor Krebs. Deutsches Ärzteblatt 7. April 2010
Gaskins AJ et al: Effect of daily fiber intake on reproductive function: the BioCycle Study. American Journal of Clinical Nutrition 2009; 90: 1061-1069
Da es damals keinerlei Studien gab, die mit einer sauberen Methodik den Nutzen von Obst und Gemüse nachgewiesen hatten, wurde die berühmte EPIC-Studie ins Leben gerufen – die European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition. Sie sollte den Umfang des Krebsschutzes in harte Zahlen fassen. Europaweit wurde über eine halbe Million Menschen erfasst, zehn Länder haben sich daran beteiligt. Begonnen wurde 1992, abgeschlossen wurde die Erhebung im Jahre 2000. Danach wurden der Öffentlichkeit ein paar Häppchen vorgeworfen - aber nun ist das lange Schweigen gebrochen, endlich wurde das amtliche Endergebnis in einem amerikanischen Fachblatt publiziert.
Darin lesen wir als ersten Satz – den die Elite von Europas Ernährungsforschern formuliert hat: "Es wird allgemein angenommen, dass man Krebs durch eine hohe Aufnahme von Obst und Gemüse vorbeugen kann. Leider haben die uneinheitlichen Ergebnisse vieler Studien es nicht erlaubt, eine inverse Beziehung zwischen dem Obst- und Gemüsekonsum und dem allgemeinen Krebsrisiko zu etablieren." Will sagen, die Studienlage war immer diffus und es gab nie Beweise für den allerorten verkündeten Schutz vor Krebs durch artiges Essen. Die Fünf-am-Tag-Kapagne war also nicht eine Gesundheitsmaßnahme, sondern eine Marketingidee mit ungewissem Ausgang.
Das offizielle Ergebnis der Studie spricht nun von "einer sehr kleinen inversen Assoziation" zwischen Obst, Gemüse und Krebs. Da Schutz liegt rein rechnerisch bei maximal drei Prozent und ist damit statistisch wertlos - umso mehr, als der günstige Effekt für "schwere Trinker" gilt, die große Mengen an Obst und Gemüse essen. Spätestens hier weiß man, dass da offenbar ganz heftig an den Daten herummassiert wurde. Die Experten haben dafür ja auch fast zehn Jahre gebraucht.
Das Deutsche Ärzteblatt verweist in einem Bericht über das Ergebnis der EPIC-Studie darauf, dass dies schon vorher Stand der Dinge war: "Die seit den Fünfzigerjahren durchgeführten prospektiven Studien konnten die optimistischen Annahmen (in Sachen Krebsschutz d. A.) nicht bestätigten. Selbst für den Darmkrebs konnte eine frühere Meta-Analyse keine signifikante protektive Wirkung finden."
Nun verweisen die Betreiber dieser sündteuren Studie darauf, dass es zwar mit dem Krebs nix war, aber Obst und Gemüse könnten ja vor anderen Krankheiten schützen – und da gäbe es schon in anderen Studien entsprechende Hinweise. Aha. Warum nehmen die Spezialisten nicht gleich ihre eignen Daten? Damit könnten sie das ja unschwer belegen. Man braucht doch nur zu gucken, ob Personen, die viel Obst und Gemüse gegessen eher gestorben sind oder länger lebten als diejenigen, die das aßen, was ihnen bekam. Diese Daten haben die Forscher natürlich. Aber sie fehlen.
Sollte das Ergebnis etwa noch bitterer gewesen sein? Darauf deuten andere Beobachtungen hin: Als die Fünf-am-Tag-Kapagne losgetreten wurden, füllten sich sehr schnell die Wartezimmer unserer Gastroenterologen. Denn vor allem Frauen litten dadurch unter massiven Verdauungsproblemen. Darüber hinaus blieb beispielsweise bei Frauen, die viel Obst aßen, häufiger die Regel aus. Der Körper hat offenbar die Notbremse gezogen.
Man braucht keine Studien um zu wissen, dass derjenige der Obst oder Gemüse verträgt, der es gerne isst, sich damit den Bauch vollschlagen kann. Und wer‘s nicht verträgt, sollte lieber was Bekömmlicheres speisen. Mahlzeit!
Literatur:
Bofetta P et al: Fruit and vegetable intake and overall cancer risk in the European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC). Journal of the National Cancer Institute 2010; 102: 529-537
Willett WC: Fruits, vegetables, and cancer prevention: Turmoil in the produce section. Journal of the National Cancer Institute 2010; 102: 510-511
Anon; Obst und Gemüse schützen (kaum) vor Krebs. Deutsches Ärzteblatt 7. April 2010
Gaskins AJ et al: Effect of daily fiber intake on reproductive function: the BioCycle Study. American Journal of Clinical Nutrition 2009; 90: 1061-1069