Unda Hörner: "1939 - Frauen im Exil"
Ebersbach & Simon, 2022,
256 Seiten, 24 Euro
"1939 - Frauen im Exil"
Der Kinderpsychologin Anna Freud (1895 -1982), Tochter von Sigmund Freud, gelang es, rechtzeitig vor den Nationalsozialisten nach London zu fliehen. Sie galt in England bald als Koryphäe. © Imago / Everett Collection
Vom Willen, das eigene Leben weiterzuleben
12:05 Minuten
1939 war ein Schicksalsjahr für viele NS-kritische europäische Intellektuelle. Wer konnte, floh vor den Nationalsozialisten, etliche andere verloren ihr Leben. Unda Hörner porträtiert zwölf Frauen, die eines eint: ihre Unbeirrbarkeit.
Im Frühjahr 1939 verleibte sich das nationalsozialistische Regime die Tschechoslowakei ein, im Spätsommer marschierte die deutsche Armee in Polen ein – der Beginn des Zweiten Weltkriegs.
Für viele NS-kritische Künstlerinnen und Künstler und Intellektuelle war 1939 ein Schicksalsjahr. Speziell für jene, die bis 1939 noch in Deutschland oder in einem anderen europäischen Land, in das die Wehrmacht bald einmarschieren sollte, ausgeharrt hatten.
Weitermachen - trotz Entwurzelung
Die Autorin Unda Hörner hat in ihrem neuen Buch „1939 – Frauen im Exil“ Exilantinnen in den Blick genommen und begleitet zwölf von ihnen durch das Jahr. Monat für Monat beschreibt sie wichtige Ereignisse im Leben von unter anderem Simone de Beauvoir, Gisèle Freund, Ingrid Warburg, Erika Mann, Anna Freud oder Annemarie Schwarzenbach.
Hörner, die nach einem ähnlichen Konzept, bereits über die Jahre 1919 und 1929 geschrieben hat, wählte ihre Protagonistinnen mit Bedacht. So unterschiedlich diese auch sind – einige waren im sicheren Exil, andere kämpften noch um ihr Leben – gibt es etwas, das sie eint.
„Es gibt diesen unbedingten Willen, das eigene Leben weiterzuleben und sich nicht, trotz dieser schlimmen Wechselfälle, trotz der Entwurzelung und dieses Gezwungenseins, neu zu erfinden. Es gibt bei all diesen Frauen den 100-prozentigen Willen, sich nicht beirren zu lassen in dem, was ihr Lebenskern ist“, sagt die Autorin.
Anna Freud wurde zur Koryphäe
Für einige war das Jahr 1939, trotz der Schrecken des bald darauf ausbrechenden Krieges, tatsächlich der Beginn einer Karriere: Nach Sigmund Freuds Tod, im September 1939 im Londoner Exil, trug Tochter Anna dessen Erbe weiter, wurde zur Koryphäe in der Kinderpsychologie und bildete später zahlreiche Psychologinnen und Psychologen aus.
Für andere, wie Franz Kafkas ehemalige Gefährtin, die tschechische Journalistin Milena Jesenská, wurde das von den Nazis besetzte Prag zur tödlichen Falle. Die Dichterin Else Lasker-Schüler beispielsweise verzweifelte im Exil und starb vereinsamt und verarmt in Jerusalem.
(mkn)