Das Fernweh ein Turban
Glasklare und fein geschliffene Prosaminiaturen vereint das neue, wunderbare Buch von Nagib Machfus. Der ägyptische Nobelpreisträger ließ sich dabei von Träumen inspirieren. Humanismus kann dabei die Form eines Handkarrens annehmen oder das Fernweh als Turban erscheinen.
Nagib Machfus sei, so hieß es in einigen Nachrufen nach seinem Tod im August 2006, ein "Pharao der Literatur" gewesen. Ein solcher Titel ergibt sich wohl mit feuilletonistischer Zwangsläufigkeit aus der Kombination "Ägypter" und "groß, herausragend".
Dabei lag dem Nobelpreisträger Machfus nichts ferner als das Aristokratische: Seine Romane und Erzählungen sind Alltagsgeschichten über kleine Leute; und die wenigen historischen Pharaonen-Romane aus der Frühzeit seines Schaffens sollte man tatsächlich als getarnte Kommentare zur ägyptischen Gegenwart lesen. Auch Machfus` publizistische Einlassungen zum politischen Geschehen waren stets die eines sehr bewussten Citoyen, eines Staatsbürgers.
Sein letztes Buch, das nun als "Das Buch der Träume" auf Deutsch erschienen ist, bildet da keine Ausnahme, obwohl es sehr viel rätselhafter anmutet als seine anderen Werke, kleinteiliger, fragmentarischer. Es besteht aus kleinen Prosastücken, von denen keins länger ist als zwei Buchseiten. Machfus schrieb sie, nachdem er 1994, als damals schon über 80-Jähriger, bei einem Überfall fanatischer Islamisten schwer verletzt worden war und das Schreiben langsam wieder lernen musste.
Nach und nach erschienen diese "Träume aus der Erholungszeit" in einer ägyptischen Wochenzeitschrift. Ein wenig irreführend ist diese Bezeichnung schon: diese glasklaren und fein geschliffenen Prosaminiaturen sind wunderbare Stücke Literatur, die von gewöhnlichen Traumprotokollen wirklich sehr weit entfernt sind.
Er arbeite lange daran, erklärte Machfus dieses ungewöhnlichste seiner literarischen Unternehmen, aus seinem räumlichen Eindruck eines Traums eine Geschichte zu machen: "Jede beginnt mit einem Traum, und jede transzendiert den fraglichen Traum. Nur so wird daraus Literatur."
Dieses Verfahren ergibt jeweils einen ungeheuer starken Eindruck, der über ganz einfache Worte, ohne jedes Geschwurbel und literarische Knalleffekte zustande kommt. Die Emotionalität von Träumen liegt in der symbolischen Aufladung der wenigen Dialoge, der höchst alltäglichen Dinge und Orte und der kargen Handlungsabläufe. Humanismus nimmt vielleicht die Form eines Handkarrens an und Fernweh erscheint als Turban. Aber auch solche Entschlüsselungen drängen sich nur ganz nahe an der Oberfläche auf und sind keineswegs eindeutig: in diesen Traumgeschichten liegt immer noch eine weitere Möglichkeit im nächsten Satz, eine Gefahr, ein Wunsch, eine Befürchtung, eine Liebe, ein Abschied, eine Welt.
Man kann an Nagib Machfus` Traumbuch sehr, sehr lange lesen. Man wird davon oft berührt sein, unangenehm oder auch wohlig, wie nach einem schlechten oder einem guten Traum. Obwohl es ganz wie eines aussieht - es ist mehr als einfach ein Buch.
Rezensiert von Katharina Döbler
Nagib Machfus, Das Buch der Träume,
Aus dem Arabischen von Doris Kilias
Unionsverlag, Zürich 2007
Gebunden, 191 Seiten, 16,90 €
Dabei lag dem Nobelpreisträger Machfus nichts ferner als das Aristokratische: Seine Romane und Erzählungen sind Alltagsgeschichten über kleine Leute; und die wenigen historischen Pharaonen-Romane aus der Frühzeit seines Schaffens sollte man tatsächlich als getarnte Kommentare zur ägyptischen Gegenwart lesen. Auch Machfus` publizistische Einlassungen zum politischen Geschehen waren stets die eines sehr bewussten Citoyen, eines Staatsbürgers.
Sein letztes Buch, das nun als "Das Buch der Träume" auf Deutsch erschienen ist, bildet da keine Ausnahme, obwohl es sehr viel rätselhafter anmutet als seine anderen Werke, kleinteiliger, fragmentarischer. Es besteht aus kleinen Prosastücken, von denen keins länger ist als zwei Buchseiten. Machfus schrieb sie, nachdem er 1994, als damals schon über 80-Jähriger, bei einem Überfall fanatischer Islamisten schwer verletzt worden war und das Schreiben langsam wieder lernen musste.
Nach und nach erschienen diese "Träume aus der Erholungszeit" in einer ägyptischen Wochenzeitschrift. Ein wenig irreführend ist diese Bezeichnung schon: diese glasklaren und fein geschliffenen Prosaminiaturen sind wunderbare Stücke Literatur, die von gewöhnlichen Traumprotokollen wirklich sehr weit entfernt sind.
Er arbeite lange daran, erklärte Machfus dieses ungewöhnlichste seiner literarischen Unternehmen, aus seinem räumlichen Eindruck eines Traums eine Geschichte zu machen: "Jede beginnt mit einem Traum, und jede transzendiert den fraglichen Traum. Nur so wird daraus Literatur."
Dieses Verfahren ergibt jeweils einen ungeheuer starken Eindruck, der über ganz einfache Worte, ohne jedes Geschwurbel und literarische Knalleffekte zustande kommt. Die Emotionalität von Träumen liegt in der symbolischen Aufladung der wenigen Dialoge, der höchst alltäglichen Dinge und Orte und der kargen Handlungsabläufe. Humanismus nimmt vielleicht die Form eines Handkarrens an und Fernweh erscheint als Turban. Aber auch solche Entschlüsselungen drängen sich nur ganz nahe an der Oberfläche auf und sind keineswegs eindeutig: in diesen Traumgeschichten liegt immer noch eine weitere Möglichkeit im nächsten Satz, eine Gefahr, ein Wunsch, eine Befürchtung, eine Liebe, ein Abschied, eine Welt.
Man kann an Nagib Machfus` Traumbuch sehr, sehr lange lesen. Man wird davon oft berührt sein, unangenehm oder auch wohlig, wie nach einem schlechten oder einem guten Traum. Obwohl es ganz wie eines aussieht - es ist mehr als einfach ein Buch.
Rezensiert von Katharina Döbler
Nagib Machfus, Das Buch der Träume,
Aus dem Arabischen von Doris Kilias
Unionsverlag, Zürich 2007
Gebunden, 191 Seiten, 16,90 €