Das Geheimnis der Zahl Zwölf

Hartmut Zinser im Gespräch mit Nana Brink |
"Die Zwölf ist eine faszinierende Zahl", sagt der Ethnologe Hartmut Zinser - und zwar in allen Kulturen. Denn sowohl die alten Sumerer als auch die Chinesen hätten den Himmel in zwölf Sternbilder aufgeteilt. Es gebe zwölf Mondumläufe oder die zwölf Planeten. Die Zwölf sei "eine gewissermaßen durch die Natur vorgegebene Zahl".
Nana Brink: Haben Sie heute schon mal auf den Kalender geblickt? Es ist der 12.12. 2012 – kein normales Datum, ein Datum zum Heiraten, weshalb es schon seit Monaten natürlich keine Termine mehr für diesen Tag in den Standesämtern gibt, und sogar in den Krankenhäusern stellt man sich auf mehr Geburten ein dank Kaiserschnitt. Also der 12.12. 2012 ist ja auch ein nettes Geburtsdatum.

Warum sind wir eigentlich so fasziniert von solchen Zahlenkombinationen? Welche Symbolik versteckt sich hinter ihnen? – Am Telefon der "Ortszeit" ist jetzt ein echter Spezialist, der Religionswissenschaftler und Ethnologe Professor Hartmut Zinser. Schönen guten Morgen, Herr Zinser!

Hartmut Zinser: Guten Morgen!

Brink: Bleiben wir mal beim heutigen Datum: es ist die Zwölf. Ist die Zwölf eine besondere Zahl?

Zinser: Ja, durchaus. Wir haben zwölf Stämme Israels, wir haben zwölf Jünger Jesu, wir haben zwölf Mondumläufe, zwölf Monate, wir haben die Zwölf-Zahl der Götter bei Römern und Griechen. Sie finden die Zahl Zwölf in der Kulturgeschichte und in der Religionsgeschichte in unserem Kulturkreis recht häufig.

Brink: Was hat sie für eine Bedeutung? Können Sie das noch mal erklären?

Zinser: Die Menschen suchen Orientierung und sie haben in vielen Fällen keine klare Orientierung. Sie wissen nicht, ob sie so oder so handeln sollen, sie wissen nicht, was man machen soll, oder sind jedenfalls unsicher darin. Und dazu suchen sie Orientierung und da haben sie viele Methoden, sich irgendeine Orientierung zu verschaffen. Wenn ihnen ihre Vernunft und ihre Gefühle nicht weitersagen, dann wendet man sich zum Beispiel an die Numerologie – so heißt das fachmäßig -, also an irgendwelche Zahlensysteme, die mehr oder weniger zufällig zusammenkommen, und die bieten den Menschen dann Orientierung, so oder so zu handeln oder es auch zu unterlassen.

Brink: Und wenn wir auf die Zwölf noch mal kommen – Sie haben ja das angespielt: die Zwölf und auch andere Zahlen spielen ja in der Bibel und im Christentum eine große Rolle.

Zinser: Nicht nur im Christentum. Sehen Sie, wir haben normalerweise zwölf Mondumläufe in einem Sonnenjahr - das stimmt nicht ganz, es sind eigentlich zwölfeinhalb. Die 28 Tage Mondumlauf – 28,5, aber so genau nehme ich es jetzt mal nicht – sind zwölf Umläufe und das ist sozusagen eine gewissermaßen durch die Natur vorgegebene Zahl so wie andere Zahlen auch. Zum Beispiel die Fünf: Sie haben fünf Finger oder fünf Zehen. Und Sie haben zwei Augen und zwei Nasenlöcher und einen Mund. Das sind sozusagen körperlich erfahrbare Zahlen, die dann immer gerne herangezogen werden für irgendwelche Spekulationen und Konstruktionen.

Brink: Aber wenn wir noch mal aufs Christentum zurückkommen – Sie sind ja Religionswissenschaftler. Diese Zahlen, gerade die Zahl zwölf ist ja auch sehr aufgeladen. Wird ihr dann so eine bestimmte Eigenschaft zugeschrieben, eine göttliche Magie? Kann man das vielleicht so ein bisschen laienhaft beschreiben?

Zinser: Man kann sagen, dass zwölf eine gewisse Idealzahl ist, also zwölf Stämme, womit der gesamte Weltkreis umgeben ist, zwölf Jünger, womit sozusagen alle missioniert werden können, und insofern hat sie ein gewisses Ideal, wobei Sie dürfen auch nicht vergessen, bei uns ist es auch so: Die Zwölf ist ja keine Zahl des Dezimal- oder Zehnersystems. Eins bis Zwölf gezählt hat viele Vorteile und viele Kulturen auch bei uns zählten früher bis zwölf als Einheit, weil die Zwölf kann man durch drei und vier und zwei teilen. Die Zehn kann man nur durch zwei teilen.

Brink: Also sehr spezifisch gehen wir schon in die Mathematik hinein. – Ich bleibe noch mal ein bisschen bei unserer Faszination. Sie haben gesagt, wir suchen nach Orientierung, deshalb suchen wir auch vielleicht nach Zahlen, nach irgendetwas, was uns eine Orientierung gibt, was wir zählen können, also begreifen können. Das ist, wie Sie sagten, nicht nur im Christentum so, sondern es geht auch anderen Menschen in anderen Kulturen so.

Zinser: Numerologie oder Zahlenspekulationen sind schon berichtet aus dem alten Orient, also aus Mesopotamien und aus Ägypten und werden von dorther auch transportiert. Wir haben zwölf Sternbilder von den alten Sumerern übernommen. Das ist ja rein zufällig, sie könnten den Himmel ja auch in 14 einteilen oder in wie viele Zahlen auch immer. Aber nein: es sind zwölf, und auch im chinesischen System sind es zwölf. Das ist also verbreitet und auch kulturübergreifend ist die Zwölf eine faszinierende Zahl. Und wenn dann so ein Zufall zustande kommt, der 12.12. 2012, wo man dreimal zwölf hat, na, das kann doch nur ein glücksverheißender Zufall sein.

Brink: Nun gibt es auch Zahlen, die nicht unbedingt Glück verheißen, sondern auch Unglück. Ist das so bei ungeraden Zahlen? Da gibt es ja auch so einen Mythos, man setzt keine ungerade Zahl von Menschen an einen Tisch zum Beispiel.

Zinser: Ja, das hat eine alte Tradition auch wiederum aus der römischen Zeit. Ungerade Zahlen galten als eher Unglück bringend. Das geht aber nicht ganz auf. Eine Eins ist eine ungerade Zahl, aber einer ist Gott und folglich kann es keine schlechte Zahl sein. Drei ist die Trinität, Gott Vater, Gott Sohn, Gott Heiliger Geist, kann also auch keine Unglückszahl sein.

Eine Fünf ist dann schon anders, eine Sieben ist eine Addition von männlich und weiblich, Vier steht für weiblich, Drei für männlich, das ist von den Geschlechtsorganen genommen, vier Schamlippen und Penis und die beiden Testikel. So ist eine Sieben zusammengesetzt.

Neun sind die Musen, das ist also auch keine Unglückszahl, im Gegenteil. 13 ist dann eine doppeldeutige Zahl. Erstens: der 13. ist, wie Sie schon sagten, der Unglückliche. 13 ist aber zugleich Christus und der ist ja nun gekreuzigt worden, und insofern ist das eine unglückliche Zahl. Aber insofern Christus dann das Heil über die Welt bringt, ist es auch eine positive Zahl.

Brink: Ich sehe schon: Sie sind sehr fasziniert von Zahlen. Was ist denn Ihre Lieblingszahl, oder haben Sie auch eine Unglückszahl?

Zinser: Ich muss Ihnen gestehen, ich habe so was nicht, weder eine Lieblingszahl, noch eine Unglückszahl. Es gibt keine Tage oder Stunden, die ich vermeide. Immer wenn ich in ein Hotel komme und man sagt, ach nein, das Zimmer 13 gibt es nicht, dann sage ich, geben Sie mir ruhig das Zimmer 13. Oder in vielen Flugzeugen – das ist ja absurd – gibt es keine 13. Sitzreihe. Haben Sie mal aufgepasst? Gehen Sie mal ins nächste Flugzeug und gucken nach!

Brink: Der Religionswissenschaftler und Ethnologe Professor Hartmut Zinser. Schönen Dank für das Gespräch, Herr Zinser.

Zinser: Auf Wiederschauen!


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