"Ich nenne das sprachpolizeiliche Allüren"
Dass Banken Frauen weiter "Kunden" statt "Kundin" nennen dürfen, erleichtert den Linguisten Peter Eisenberg. Gendersternchen zu benutzen, um das Geschlecht sprachlich zu kennzeichnen, sei für ihn eine Unterwerfungsgeste.
Hans-Joachim Wiese: Marlies Krämer ist eine streitbare Frau, war es schon immer in ihrem langen 80-jährigen Leben. Sie hat zum Beispiel dafür gesorgt, dass Wetterdienste heute nicht nur Tiefdruck, sondern auch Hochdruckgebieten weibliche Vornamen geben. Oder, dass sie ihren Reisepass als Inhaberin unterschreiben darf, nicht als Inhaber.
Heute hat Marlies Krämer aber eine empfindliche Niederlage hinnehmen müssen, vor dem Bundesgerichtshof. Sie wollte erreichen, dass ihre Sparkasse sie auf Formularen nicht als Kontoinhaber oder Kunde anspricht, sondern als Kontoinhaberin oder Kundin.
Muss die Sparkasse nicht, sagt der BGH, die männliche Form stellt keine Diskriminierung dar. Professor Peter Eisenberg ist Linguist und sein Spezialgebiet ist die deutsche Grammatik. Guten Abend!
Eisenberg: Hallo, guten Abend!
Wiese: Was sagen Sie zu dem Urteil?
"Aus guten Gründen vom generischen Maskulin Gebrauch machen"
Eisenberg: Ich begrüße das Urteil, weil das Gericht nicht nur unabsehbare Folgen für die Praxis abgewendet hat, sondern weil das Gericht sich nicht dazu entschlossen hat, etwas an der deutschen Sprache zu ändern bzw. eine solche Änderung zu unterstützen.
Das sogenannte generische Maskulinum ist etwas, dass das Deutsche besitzt, was zu seiner Grammatik gehört. Das ist etwas, von dem wir auch immer wieder Gebrauch machen – aus guten Gründen Gebrauch machen.
Wiese: Also das generische Maskulinum müssen wir hier vielleicht kurz erklären: Kunde steht dann für die gesamte Gruppe, also für Kunde und Kundin.
Eisenberg: Das generische Maskulinum ist eine Gruppe von Substantiven maskulini generis, die benutzt werden, wenn man keinen Bezug auf das natürliche Geschlecht haben möchte.
Wenn Sie zum Beispiel sowas lesen wie: Die Künstler bekommen endlich eine vernünftige Altersversorgung. Oder: Das muss jetzt wieder der Steuerzahler bezahlen – dann sind diese Wörter völlig unabhängig davon, ob es sich um Frauen, Männer, Schwule, Lesben, Transgender oder sonstwas handelt. Es geht nur um die Personengruppe, die von diesem Wort genannt wird.
Wiese: Aber könnte man nicht einfach den Spieß umdrehen und dann das generische Femininum verwenden, also Kundin oder Sparerin für die ganze Gruppe nehmen?
"Das generische Femininum gibt es nicht"
Eisenberg: Das wird ja an einigen Stellen gemacht, zum Beispiel an der Universität in Leipzig und an der Universität in Potsdam. Es gibt einen feinen Unterschied zwischen dem generischen Maskulinum und dem generischen Femininum. Der besteht darin, dass es das generische Maskulinum im Deutschen gibt und das generische Femininum gibt es nicht. Das ist eine Kampfmaßnahme, die den Männern vor Augen führen will, was den Frauen zustößt mit dem generischen Maskulinum.
Wenn ich jetzt in Potsdam noch Professor wäre, würde ich mit Herr Professorin angeredet. Was eine Ausdrucksweise ist, die es im Deutschen nicht gibt.
Wiese: Es gibt aber noch andere Vermeidungsstrategien, in die Genderfalle zu tappen, zum Beispiel das große I oder das Gendersternchen. Was halten Sie davon?
"Das Gendersternchen verlangt eine Anerkennungsgeste"
Eisenberg: Also das große I ist harmlos, das steht für Bäcker und BäckerInnen, also für die beiden. Das Gendersternchen ist ganz was anderes. Das Gendersternchen möchte, dass der Benutzer dieses Zeichens, es ist ja kein Sprachzeichen. Das gibt es ja im Deutschen nicht.
Der Verwender soll anerkennen, dass alle die 53 Geschlechter, die in Deutschland zur Zeit reklamiert werden, von ihm anerkannt werden. Das heißt, das Gendersternchen hat keine sprachliche Bedeutung, so wie das große I. Sondern das Gendersternchen verlangt eine Anerkennungsgeste.
Und ich interpretiere die als Unterwerfungsgeste. Das kommt für mich überhaupt nicht in Frage, so etwas in Erwägung zu ziehen. Einfach so ein Zeichen zu erfinden und dann auch noch die Leute dazu zu zwingen, es zu verwenden, wie das in Teilen der Berliner Verwaltung geschieht. Das geht in einer demokratischen Gesellschaft gar nicht.
Wiese: Also in der Berliner Verwaltung zum Beispiel ist das Gendersternchen Pflicht. Dürfen die das überhaupt, oder geht das schon in Richtung Sprachpolizei?
Eisenberg: Ich nenne das sprachpolizeiliche Allüren. Und ob die das dürfen, das müsste man rechtlich überprüfen lassen. Genauso, wie der Fall Krämer rechtlich überprüft worden ist.
Wiese: Herr Eisenberg, über geschlechtergerechte Sprache nach dem heutigen Urteil, sprach ich mit dem Linguisten Professor Peter Eisenberg von der Universität Potsdam. Vielen Dank!
Eisenberg: Lassen sie mich einen letzten Satz sagen: Ich bin erleichtert.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.