"Das Geschäft geht weiter"

Uwe Müller im Gespräch mit Nana Brink · 08.08.2013
Nach der Eröffnung des Insolvenz-Verfahrens für den Suhrkamp-Verlag sieht "Welt"-Redakteur Uwe Müller den Streit der beiden Gesellschafter etwas entschärft, auch wenn "weiter gestritten wird vor Gericht". Müller erklärt im Mediengespräch auch, warum das Thema der aktuelle Aufmacher ist.
Nana Brink: Der Suhrkamp-Verlag macht seit Jahren Schlagzeilen, weniger mit dem Programm als mit Personalquerelen. Die beiden Suhrkamp-Gesellschafter, die Witwe des Verlegers, Ursula Unseld-Berkéwicz, und der Hamburger Medienunternehmer Hans Barlach, bekriegen sich nämlich seit Jahren. Wer hat das Sagen? Das hat seit gestern erst mal der Insolvenzverwalter. Das Amtsgericht Charlottenburg – das ist ein Stadtteil von Berlin – hat das Verfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet. Die Geschäftsführung von Suhrkamp allerdings bleibt erst mal im Amt, wird aber überwacht. – Uwe Müller, im Investigativteam bei der "Welt", hat die Geschichte als erster gehabt. Schönen guten Morgen, Herr Müller!

Uwe Müller: Guten Morgen, Frau Brink!

Brink: Ist das nun das Ende, oder ein Neuanfang für den Traditionsverlag Suhrkamp?

Müller: Es ist nicht das Ende, es werden weiterhin Bücher verlegt werden, das Geschäft geht weiter. Aber der Streit, den es zwischen den beiden Gesellschaftern gibt, der ist vielleicht etwas entschärft, aber ich bin davon überzeugt, dass er nicht endgültig beigelegt ist, sondern dass weiter gestritten wird vor Gericht.

Brink: Nun haben Sie sich dafür entschieden, das auf die Seite eins zu stellen, als Aufmacher. Das ist ja eigentlich ungewöhnlich. Wie haben Sie das begründet, oder mussten Sie dafür kämpfen?

Müller: Nein, wir mussten nicht dafür kämpfen. Die Redaktion hat das sehr gern gemacht. Suhrkamp ist eine Ikone der deutschen Verlagslandschaft, der vielleicht wichtigste Literaturverlag, eine Institution, und wenn dort so etwas Ungewöhnliches passiert, dass ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, dann kann man das natürlich auf die Seite eins stellen, wenn es nicht ganz wichtige andere weltpolitische Nachrichten gibt.

Brink: Immerhin haben wir ja auch Sommer und es lohnt sich, wie Sie gesagt haben. Sie haben es auch kommentiert und ich fand das ganz interessant, die Überschrift, die Sie für den Kommentar gewählt haben, nämlich "Verkehrte Welt". Was ist denn daran verkehrt?

Müller: Nun, Suhrkamp stellt diesen Schritt, der jetzt erfolgt ist, als einen großen Erfolg dar. Es sei ja ganz toll, dass jetzt das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Alles werde jetzt besser. Normalerweise ist es so, dass es natürlich image-schädigend für ein Unternehmen ist, wenn die Insolvenz eröffnet werden muss. Bei Suhrkamp wird das aber immer ganz anders durchbuchstabiert, und dies haben wir in diesem Kommentar, hat ein Kollege von Mir, Richard Kämmerlings, aufgegriffen.

Brink: Ich höre schon so ein bisschen Ironie auch in Ihrer Stimme. Hat Sie das auch verwundert, oder kennen Sie die Geschichte dahinter? Warum verkauft man das so als Erfolg?

Müller: Ja man glaubt bei Suhrkamp, dass jetzt der gordische Knoten gelöst ist, dass der Gesellschafterstreit damit beendet, oder doch zumindest erheblich entschärft ist und dass jetzt alles gut wird.

"Neue Rechtsform für Suhrkamp ist wichtigster Bestandteil des Insolvenzplans"

Brink: Wie geht es denn weiter? Sie haben ja ein paar interessante Thesen aufgestellt.

Müller: Wie geht es weiter? Am Dienstag hat die Richterin das Insolvenzverfahren eröffnet. Gleichzeitig ist ihr vorgelegt worden ein Insolvenzplan. Dieser Insolvenzplan sieht ein Sanierungskonzept vor, und da hat sie zwei Wochen Zeit, den zurückzuweisen, was eher nicht geschehen wird, und dann wird dieser Insolvenzplan der Gläubigerversammlung vorgelegt. Wichtigster Bestandteil ist, dass Suhrkamp eine neue Rechtsform bekommt. Bisher war Suhrkamp eine Kommanditgesellschaft, also eine Personengesellschaft; jetzt soll daraus eine Aktiengesellschaft werden, also eine Kapitalgesellschaft. Man wandelt die Rechtsform. Hintergrund dabei ist, dass man glaubt, dass in dieser neuen Rechtsform der Streit zwischen den beiden Gesellschaftern, die dann Aktionäre sein werden, nicht mehr ganz so scharf geführt werden kann. Die beiden Gesellschafter verlieren Rechte, Sonderrechte, die sie sich gegenseitig zugebilligt haben. In einer Aktiengesellschaft kann das Management etwas freier arbeiten.

Brink: Sie haben ja auch gleichzeitig schon Investoren gefunden.

Müller: Ja. Es gibt zwei Investoren, die Interesse zeigen, bei Suhrkamp einzusteigen. Da haben wir einmal die Familie Ströher, Ulrich und Sylvia Ströher. Das sind die Erben des Haarpflegekonzerns Wella. Die haben diesen Konzern verkauft, verfügen über erhebliche Mittel, über ein erhebliches Vermögen, und dort gibt es die Überlegung, dass diese Familie einsteigt bei Suhrkamp, indem sie dem Minderheitsgesellschafter Hans Barlach den Anteil abkauft. Der war aber bisher nicht, glaube ich, interessiert. Warum genau, kann ich auch nicht sagen. Vielleicht ist zu wenig geboten worden aus seiner Sicht. Das ist also das eine Angebot.

Brink: Herr Müller, wir müssen langsam zum Ende kommen. Und der zweite Investor? Können wir den ganz schnell noch sagen?

Müller: Den können wir ganz schnell sagen. Das ist DTV.

Brink: Auch ein Verlag.

Müller: Auch ein Verlag, ein Münchener Verlag, ein sehr angesehenes Haus, das Taschenbücher verlegt, mit interessanten Gesellschaftern, der Hamburger Ganske-Gruppe, …

Brink: Entschuldigung, wir müssen ein bisschen zum Ende kommen. - …, die hoffentlich dann auch dazu beitragen, dass Suhrkamp eine Zukunft hat. – Herzlichen Dank! Uwe Müller war das von der "Welt" über die Zukunft des Suhrkamp-Verlages. Dort ist ein Insolvenzverfahren eingeleitet worden.

Müller: Ich danke auch.


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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