Das Gesicht des Widerstands

Von Wolfgang Martin Hamdorf |
Der Film "Und dann der Regen" erzählt von 500 Jahren Unterdrückung und Widerstand in Lateinamerika. Und von einer Crew, die einen Film über die Vergangenheit machen möchte und von den Ereignissen der Gegenwart überrollt wird. Der Bolivianer Juan Carlos Aduviri ist im Film das Gesicht des indigenen Widerstandes.
Der Aufstand der Einheimischen gegen die Spanier unter Christoph Kolumbus ist gescheitert, aber noch auf dem Scheiterhaufen schreit Häuptling Hatuey den Siegern seinen Hass entgegen. Im Jahre 2000 will ein spanisches Filmteam diese Geschichte von der blutigen Ankunft der Konquistadoren verfilmen und gerät selbst in den Volksaufstand gegen die Privatisierung der Wasserwerke in der bolivianischen Stadt Cochebamba:

"Ist das Daniel? Was macht dieser verfluchte Idiot denn hier?" - "Was weiß ich, einen Aufstand anzetteln, ich hab es dir gleich gesagt! Und was soll ich jetzt machen? Ihn einsperren?" - "Und wir verkünden als die Bewohner von Cochebamba: Wenn die Privatisierung des Wassers nicht innerhalb von 48 Stunden aufgehoben wird, werden alle Straßen und die ganze Stadt auf unbeschwerte Zeit gesperrt."

Der spanische Film "Tambien la Lluvia" ("Und dann der Regen") erzählt von der 500-jährigen Unterdrückung der indigenen Bevölkerung auf dem lateinamerikanischen Subkontinent: Ging es am Anfang noch um Gold, wird ihr am Ende selbst das Wasser gestohlen. Für Juan Carlos Aduviri, war sein Schauspieldebüt gleich eine Doppelrolle. Er verkörpert sowohl Hatuey, den Führer der Aufständischen gegen die spanischen Eroberer, als auch Daniel, den jungen indigenen Bolivianer, der im Jahre 2000 gegen den Ausverkauf seiner Heimat kämpft, gegen Militär und Polizei.

"Als Sohn eines Bergarbeiters habe ich den Widerstand schon im Blut. Daniel fiel mir nicht schwer, er ist unser Protest heute. Hatuey war ganz anders, aber beide sind letztendlich Indigene, die gegen ihre Unterdrücker kämpfen. Die Freiheit ist ein menschliches Grundbedürfnis und diesen ganz natürlichen Instinkt wollte ich in den Film einbringen."

Mit seiner Adlernase, der dunklen Haut und den lebendigen dunklen Augen und den schmalen Lippen wird Juan Calos Aduviri im Film zum Gesicht des Widerstandes. 1976 wurde als jüngstes von sieben Geschwistern einer indigenen Bergarbeiterfamilie aus dem Altiplano, dem bolivianischen Hochland geboren.

"Wir waren eine sehr arme Familie, wir hatten nicht viele Möglichkeiten. Als Kind hatte ich keine Spielsachen, aber ich verbrachte meine Zeit mit Träumen, lebte in einer Welt der Fantasie. Als mein Vater eines Tages einen alten Schwarz-Weiß-Fernseher nach Hause brachte, war das für mich etwas ganz besonderes, es gab Zeichentrick, Nachrichten und Telenovelas, aber ich liebte ganz besonders die Spielfilme, diese wunderbar erzählten Geschichten - hier begann meine Begeisterung für das Kino."

Es war kein leichter Weg: Juan Carlos Aduviri verdiente sich zunächst seinen Lebensunterhalt als Zimmermannsgehilfe. Von seinen ersten Ersparnissen kaufte er sich einen Farbfernseher und einen VHS-Rekorder. Mit Gleichgesinnten engagierte er sich für eine auch den ärmeren Schichten zugängliche Filmkultur. Im Zuge der sozialen Reformen der ersten indigenen Regierung, die Bolivien seit 2005 regiert, wurde in seiner Heimatstadt "El Alto" eine kleine Filmschule gegründet wurde, die keine Studiengebühren erhob. Juan Carlos Aduviri studierte hier Regie und dann kam eine weitere Wende in seinem dann Leben: Eine gute Freundin lud ihn zum Casting für eine spanische Produktion in Bolivien ein. Die Regisseurin Iciar Bollain war ihm bekannt als sozial engagierte Filmemacherin:

"Wir haben zusammen Mittag gegessen und ich sah, wie klar sie ihr Projekt vor Augen hatte. Ich wollt kein Schauspieler werden, ich träumte von Regieprojekten, aber Iciar Bollaín wollte mich für die Rolle haben und ihre Sicherheit hat mich überzeugt, diesen wunderbaren Film zu machen."

Mit dem Film wurde er berühmt, nicht nur in Bolivien. Seit 2009 war Juan Carlos Aduviri viel unterwegs, in Madrid, Istanbul, Paris und Berlin und vielen anderen Städte. Stets tritt er bescheiden, höflich, aber auch entschlossen auf, aber eines hat er sich von Anfang an erkämpft: Auf festlichen Galaveranstaltungen trägt er stets den Poncho seines vor Jahren verstorbenen Vaters, den die Mutter vor Jahren gewebt hat.

Heute leitet Juan Carlos Aduviri die kleine Filmschule, an der er selbst studierte, die gerade den Ärmsten der Armen den Zugang zum Filmhandwerk ermöglichen soll. Er arbeitet an zwei Drehbüchern für Spielfilme, bei denen es um die soziale Wirklichkeit seines Heimatlandes gehen wird.

"Ich bin in einem Bergbaugebiet geboren, in einem armen konfliktreichen Wohnviertel. Wenn ich mich daran erinnere, behalte ich die Füße auf dem Boden, bei diesen ganzen Reisen in diese schönen Städte, diese wunderbare Welt des Films, in der ich mich so leicht verlieren könnte. Wenn ich nicht mehr wüsste, wo ich herkomme, wo die Wurzeln von Juan Carlos Aduviri liegen, dann würde ich vielleicht ganz hoch steigen, aber noch wahrscheinlicher ganz tief fallen. Nur wenn du weißt, wo du herkommst, dann weißt du auch, wer du bist und wo du hingehst."
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