"Das Gros der Promotionen ist völlig in Ordnung"
Als Reaktion auf die "Plagiatsjägerei" verwenden Doktoranden zu viel Energie für die Pflege ihrer Zitate und vergessen dabei, eigene Gedanken zu entwickeln, meint der Politikwissenschaftler Claus Leggewie. Er kritisiert, dass etwa Politiker promovieren, um in der Partei voranzukommen - nicht aber aus wissenschaftlichem Interesse.
Susanne Führer: Bis vor wenigen Jahren interessierten sich ja nur sehr Wenige für Doktorarbeiten. Das änderte sich dann radikal mit dem Fall Theodor zu Guttenbergs vor gut zwei Jahren. Seitdem ist die Liste der des Plagiats überführten und vor allem der des Plagiats bezichtigten Politiker immer länger geworden. Zwei von ihnen wurden ja in dieser Woche von ihren Universitäten vom Vorwurf freigesprochen, plagiiert zu haben, Frank-Walter Steinmeier und Norbert Lammert.
Was lernen wir nun aus dieser ganzen Geschichte? Die einen meinen, die deutschen Hochschulen müssten weiterhin dringend daran arbeiten, Plagiate zu verhindern. Die anderen sagen, die Plagiatsjägerei habe nichts Gutes gebracht. Zu ihnen zählt der Politikwissenschaftler Claus Leggewie, Direktor des kulturwissenschaftlichen Instituts Essen. Guten Morgen, Herr Leggewie!
Claus Leggewie: Guten Morgen!
Führer: Sind Ihrer Ansicht nach nicht die Plagiate das Problem sondern die Plagiatsjäger?
Leggewie: Beides natürlich. Plagiate sind schlimm. Wenn ich mich bei einer wissenschaftlichen Arbeit fremder Zitate, fremder Erkenntnisse, fremder Daten, fremder Schlussfolgerungen bediene, ohne das auszuweisen, ist es ein schlimmer geistiger Diebstahl. Der muss auch geahndet werden, der wird im deutschen Wissenschaftssystem auch geahndet.
Hier geht es um eine sich verselbstständigende Jägerei auf Plagiate, die von vornherein unter drei Gesichtspunkten einen Fehler hatte oder einen Bias wie man in der Wissenschaft sagt: Die Jägerei hat sich auf prominente Politiker gerichtet – das ist ein ganz kleines Segment des Wissenschaftssystems. Sie war anonym. Sie hat also nicht Ross und Reiter genannt und gesagt, ich stehe mit meinem Namen – so wie das im Fall zu Guttenberg bei einem Wissenschaftler der Fall war – für diese Aufdeckung. Und sie war durch eine oberflächliche Software geschützt. Das heißt, sie hat die Aura des Wikileaks oder so etwas für sich in Anspruch genommen, ist aber höchst unprofessionell und, wie man jetzt auch in den beiden genannten Fällen gemerkt hat, sehr unzureichend. Sie kommt zu Schlussfolgerungen einer Gesamtwahrscheinlichkeit von Plagiat, die in der Öffentlichkeit völlig falsch ankommt. Es ist deswegen sehr gut, dass in diesen beiden Fällen jetzt mal die Universitäten sich auch zur Wehr gesetzt haben.
Führer: Na ja, nun, es wurden ja aber einige auch des Plagiats tatsächlich überführt. Die ganze Geschichte fing ja an - also in der Öffentlichkeit - eben mit Theodor zu Guttenberg. Und dass man auf Prominente guckt, ist ja vielleicht verständlich, und es gibt wahrscheinlich nicht so viele promovierte Sportler oder Fernsehstars.
Leggewie: Ja, es kommt auf die Frage an, warum einer überhaupt promoviert. Was steht dahinter? Ich glaube, dass es im Falle zu Guttenberg ein Karrieremittel gewesen ist, das heißt, für Ziele, die ganz außerhalb des Wissenschaftssystems liegen. Das Gros der Promotionen, Dissertationen, die in Deutschland ablaufen im Wissenschaftssystem, ist völlig in Ordnung. Es wird sozusagen der Eindruck erweckt, das sei eine massenhafte Praxis. Das ist eben der Fehler. Wir müssen schauen, was im Wissenschaftssystem produziert wird, ob das überwiegend sauber ist, ob es einer Selbstkorrektur oder vielleicht auch einer Korrektur von außen bedarf oder ob das Wissenschaftssystem selbst in der Lage ist oder nicht, um solche natürlich immer wieder und überall vorkommenden Fehlverhalten auch zu korrigieren und gegebenenfalls auch zu sanktionieren.
Was lernen wir nun aus dieser ganzen Geschichte? Die einen meinen, die deutschen Hochschulen müssten weiterhin dringend daran arbeiten, Plagiate zu verhindern. Die anderen sagen, die Plagiatsjägerei habe nichts Gutes gebracht. Zu ihnen zählt der Politikwissenschaftler Claus Leggewie, Direktor des kulturwissenschaftlichen Instituts Essen. Guten Morgen, Herr Leggewie!
Claus Leggewie: Guten Morgen!
Führer: Sind Ihrer Ansicht nach nicht die Plagiate das Problem sondern die Plagiatsjäger?
Leggewie: Beides natürlich. Plagiate sind schlimm. Wenn ich mich bei einer wissenschaftlichen Arbeit fremder Zitate, fremder Erkenntnisse, fremder Daten, fremder Schlussfolgerungen bediene, ohne das auszuweisen, ist es ein schlimmer geistiger Diebstahl. Der muss auch geahndet werden, der wird im deutschen Wissenschaftssystem auch geahndet.
Hier geht es um eine sich verselbstständigende Jägerei auf Plagiate, die von vornherein unter drei Gesichtspunkten einen Fehler hatte oder einen Bias wie man in der Wissenschaft sagt: Die Jägerei hat sich auf prominente Politiker gerichtet – das ist ein ganz kleines Segment des Wissenschaftssystems. Sie war anonym. Sie hat also nicht Ross und Reiter genannt und gesagt, ich stehe mit meinem Namen – so wie das im Fall zu Guttenberg bei einem Wissenschaftler der Fall war – für diese Aufdeckung. Und sie war durch eine oberflächliche Software geschützt. Das heißt, sie hat die Aura des Wikileaks oder so etwas für sich in Anspruch genommen, ist aber höchst unprofessionell und, wie man jetzt auch in den beiden genannten Fällen gemerkt hat, sehr unzureichend. Sie kommt zu Schlussfolgerungen einer Gesamtwahrscheinlichkeit von Plagiat, die in der Öffentlichkeit völlig falsch ankommt. Es ist deswegen sehr gut, dass in diesen beiden Fällen jetzt mal die Universitäten sich auch zur Wehr gesetzt haben.
Führer: Na ja, nun, es wurden ja aber einige auch des Plagiats tatsächlich überführt. Die ganze Geschichte fing ja an - also in der Öffentlichkeit - eben mit Theodor zu Guttenberg. Und dass man auf Prominente guckt, ist ja vielleicht verständlich, und es gibt wahrscheinlich nicht so viele promovierte Sportler oder Fernsehstars.
Leggewie: Ja, es kommt auf die Frage an, warum einer überhaupt promoviert. Was steht dahinter? Ich glaube, dass es im Falle zu Guttenberg ein Karrieremittel gewesen ist, das heißt, für Ziele, die ganz außerhalb des Wissenschaftssystems liegen. Das Gros der Promotionen, Dissertationen, die in Deutschland ablaufen im Wissenschaftssystem, ist völlig in Ordnung. Es wird sozusagen der Eindruck erweckt, das sei eine massenhafte Praxis. Das ist eben der Fehler. Wir müssen schauen, was im Wissenschaftssystem produziert wird, ob das überwiegend sauber ist, ob es einer Selbstkorrektur oder vielleicht auch einer Korrektur von außen bedarf oder ob das Wissenschaftssystem selbst in der Lage ist oder nicht, um solche natürlich immer wieder und überall vorkommenden Fehlverhalten auch zu korrigieren und gegebenenfalls auch zu sanktionieren.
"Zu wenig Aufmerksamkeit für Entwicklung eigener Problemstellung"
Führer: Debora Weber-Wulff hat ja schon lange vor Guttenberg gesagt – also die ist Medieninformatikerin und gehört auch zu den Plagiatsjägern, wie Sie sie nennen, Herr Leggewie –, die hat ja schon lange vor Guttenberg gesagt, diese Plagiate in Promotionen seien ein systemisches Problem der Hochschulen.
Leggewie: Nämlich dann, wenn Dissertationen einfach eher pro forma gemacht werden, also wie eine Abschlussarbeit. Da werden Dinge gemacht, die in Bachelor- oder Masterarbeiten vielleicht ihren Rang haben, aber als originelle wissenschaftliche Leistung von vornherein gar nicht angelegt sind, die keine Problemstellung haben, deswegen dazu neigen, einen Haufen von Zitaten aneinanderzuklempnern, wie das Herr zu Guttenberg gemacht hat. Wenn es Arbeiten sind, die nicht betreut werden, die nicht intensiv betreut werden.
Aber nun ist es so, dass mittlerweile in Deutschland, speziell auch in den geistes-, sozial-, kulturwissenschaftlichen Fakultäten große Graduiertenkollegs entstanden sind, in denen natürlich diese Kontrolle, diese wechselseitige durch die Peers, das heißt, durch diejenigen, die auch mit Verstand eine Arbeit beurteilen können, sehr hoch ist, hat sogar zu dem Nebeneffekt geführt, dass jetzt viele Doktorandinnen und Doktoranden geradezu hasenfüßig werden und auf die Pflege und die Akkuratesse ihrer Zitate mehr Arbeit und mehr Energie und mehr Leidenschaft verwenden als auf das Hervorbringen eines originellen Textes oder die Bearbeitung einer wirklichen Problemstellung.
Führer: Über die Folgen der öffentlichen Jagd nach Plagiaten spreche ich mit dem Politologen Claus Leggewie in Deutschlandradio Kultur. Herr Leggewie, das sind jetzt ja zwei Sachen. Wenn ich Sie recht verstehe, dann hatte zum einen die öffentliche Plagiatsjägerei durchaus auch positive Folgen – die Hochschulen wurden gezwungen, mal über ihre Praxis nachzudenken und manches zu ändern –, und die …
Leggewie: Nein, Entschuldigung, dass ich unterbreche, aber das würde voraussetzen, dass die Vorkehrungen, die Hochschulen, Universitäten, Forschungsinstitute bisher getroffen haben, unzureichend waren.
Führer: Und das sehen Sie nicht so?
Leggewie: Und das würde ich im deutschen Wissenschaftssystem so nicht sehen. Wir haben es, wie gesagt, mit einem lästigen Nebensegment der Promoviererei zu tun, das heißt Politiker, die einen Titel brauchen, weil sie politisch vorankommen wollen. Es ist ein wissenschaftsexternes Problem. Das kann man abstellen. Es ist einfach auch im Falle von Herrn Lammert die Frage gewesen: Wozu hat der eigentlich diesen Doktortitel erworben? Hat er ihn erworben, um weiterhin in der wissenschaftlichen Forschung tätig zu sein oder um ein Parteiamt zu erringen? Das kann man problematisieren, aber nicht, indem man hier diese Plagiatsjägerei ansetzt, sondern indem man sich grundsätzlich darüber unterhält: Sind alle Promotionen in Ordnung? Haben sie etwas zu tun mit wissenschaftlichen Zielsetzungen? Oder dienen sie der Erhöhung einer individuellen Reputation durch eine Titelei?
In anderen Ländern, in den angelsächsischen Ländern spielt dieser Titel gar nicht so eine große Rolle. Es gibt gar keinen Anreiz für einen Politiker, für eine Politikerin, diesen Titel zu erwerben. Das ist eine typisch deutsche Tradition, die aus dem Obrigkeitsstaat kommt.
Führer: Und das sind ja möglicherweise nicht so wenige Promovenden, die einen Doktortitel haben wollen und dann nicht weiter in der Wissenschaft arbeiten wollen.
Leggewie: Genau.
Leggewie: Nämlich dann, wenn Dissertationen einfach eher pro forma gemacht werden, also wie eine Abschlussarbeit. Da werden Dinge gemacht, die in Bachelor- oder Masterarbeiten vielleicht ihren Rang haben, aber als originelle wissenschaftliche Leistung von vornherein gar nicht angelegt sind, die keine Problemstellung haben, deswegen dazu neigen, einen Haufen von Zitaten aneinanderzuklempnern, wie das Herr zu Guttenberg gemacht hat. Wenn es Arbeiten sind, die nicht betreut werden, die nicht intensiv betreut werden.
Aber nun ist es so, dass mittlerweile in Deutschland, speziell auch in den geistes-, sozial-, kulturwissenschaftlichen Fakultäten große Graduiertenkollegs entstanden sind, in denen natürlich diese Kontrolle, diese wechselseitige durch die Peers, das heißt, durch diejenigen, die auch mit Verstand eine Arbeit beurteilen können, sehr hoch ist, hat sogar zu dem Nebeneffekt geführt, dass jetzt viele Doktorandinnen und Doktoranden geradezu hasenfüßig werden und auf die Pflege und die Akkuratesse ihrer Zitate mehr Arbeit und mehr Energie und mehr Leidenschaft verwenden als auf das Hervorbringen eines originellen Textes oder die Bearbeitung einer wirklichen Problemstellung.
Führer: Über die Folgen der öffentlichen Jagd nach Plagiaten spreche ich mit dem Politologen Claus Leggewie in Deutschlandradio Kultur. Herr Leggewie, das sind jetzt ja zwei Sachen. Wenn ich Sie recht verstehe, dann hatte zum einen die öffentliche Plagiatsjägerei durchaus auch positive Folgen – die Hochschulen wurden gezwungen, mal über ihre Praxis nachzudenken und manches zu ändern –, und die …
Leggewie: Nein, Entschuldigung, dass ich unterbreche, aber das würde voraussetzen, dass die Vorkehrungen, die Hochschulen, Universitäten, Forschungsinstitute bisher getroffen haben, unzureichend waren.
Führer: Und das sehen Sie nicht so?
Leggewie: Und das würde ich im deutschen Wissenschaftssystem so nicht sehen. Wir haben es, wie gesagt, mit einem lästigen Nebensegment der Promoviererei zu tun, das heißt Politiker, die einen Titel brauchen, weil sie politisch vorankommen wollen. Es ist ein wissenschaftsexternes Problem. Das kann man abstellen. Es ist einfach auch im Falle von Herrn Lammert die Frage gewesen: Wozu hat der eigentlich diesen Doktortitel erworben? Hat er ihn erworben, um weiterhin in der wissenschaftlichen Forschung tätig zu sein oder um ein Parteiamt zu erringen? Das kann man problematisieren, aber nicht, indem man hier diese Plagiatsjägerei ansetzt, sondern indem man sich grundsätzlich darüber unterhält: Sind alle Promotionen in Ordnung? Haben sie etwas zu tun mit wissenschaftlichen Zielsetzungen? Oder dienen sie der Erhöhung einer individuellen Reputation durch eine Titelei?
In anderen Ländern, in den angelsächsischen Ländern spielt dieser Titel gar nicht so eine große Rolle. Es gibt gar keinen Anreiz für einen Politiker, für eine Politikerin, diesen Titel zu erwerben. Das ist eine typisch deutsche Tradition, die aus dem Obrigkeitsstaat kommt.
Führer: Und das sind ja möglicherweise nicht so wenige Promovenden, die einen Doktortitel haben wollen und dann nicht weiter in der Wissenschaft arbeiten wollen.
Leggewie: Genau.
"Mehr Transparenz bei Aufdeckung von Plagiaten"
Führer: Aber kommen wir mal zu der zweiten Folge, die Sie genannt haben: die Hasenfüßigkeit derjenigen, die jetzt gerade ihre Dissertation schreiben. Das verstehe ich nicht so richtig, denn eigentlich sind die Zitierregeln doch klar.
Leggewie: Ja, die sind klar. Es ist eben nur so, dass ganz viele Angst bekommen und auch Angst gemacht wird. Es ist ja zum Beispiel bei dieser zivilgesellschaftlich intransparenten Kontrolle von Dissertationen, die nachträglich vorgenommen wird, ganz schlecht, dass die Instrumente zur Plagiatskontrolle nicht in die Hände derjenige gegeben wird, die davon vielleicht unbeabsichtigt am meisten betroffen sind. Das heißt, Promovendinnen und Promovenden müssten diese Software durch ihre Förderung durch ihre Förderinstitution, durch die Universitäten, durch die Fakultäten, durch Graduiertenkollegs sozusagen an die Hand bekommen, damit sie ein hohes Maß an Selbstkontrolle ausüben können.
Ich habe das festgestellt bei Gesprächen mit Doktorandinnen und Doktoranden, dass eben hier eine große Angst herrscht. Und da auf dem akademischen Markt heute die individuelle Leistung der einzelnen Promotion, der einzelnen Publikation immer höher bewertet wird im Sinne des akademischen Ranking… Es besteht ohnehin schon eine große Vorsicht. Doktorandinnen und Doktoranden müssten eigentlich intellektuell mutig sein, sie müssten was riskieren, sie müssten tatsächlich innovativ, originell sein wollen. Hier wird aber im Grunde genommen bestehendes Wissen durch eben Zitation hundertfach abgesichert, und dadurch kommt eine bestimmte Ängstlichkeit in das akademische Tun. Das ist eigentlich der unerwünschte Nebeneffekt der Plagiatsjägerei. Das würde sich ändern, …
Führer: Und das ist doch aber auch, wenn ich das richtig verstehe, das ganze Gegenteil dessen, was eine Promotion leisten soll, denn da soll ich doch neue Gedanken, neue Erkenntnisse niederschreiben?
Leggewie: Ja, eben, und jetzt muss ich aber einen großen Teil meiner Zeit darauf verwenden, zu prüfen, ob dieses Zitat, das ich gefunden habe, bereits aus dem Zitat eines anderen Autors besteht und dergleichen mehr. In Wirklichkeit geht es genau um das, was Sie sagen: Ich brauche für eine Dissertation eine originelle Fragestellung, ich brauche einen originellen Datensatz, jedenfalls eine neue Sicht auf einen bestehenden Datensatz. Das sind eigentlich die Dinge, um die es geht. Das sind Dinge, die mit der Zitation und den An- und Abführungszeichen erst mal relativ wenig zu tun haben.
Führer: Was ist also zu tun?
Leggewie: Na ja, ich würde sagen: Wir müssen zunächst einmal bei der Plagiatsbekämpfung, also bei Menschen, die eine Software anwenden oder die VroniPlag machen, müssen wir nächst mal für Transparenz sorgen. Hier wird ja hingewiesen, wir sind diejenigen, die Transparenz ins Wissenschaftssystem hineinbringen, diese Einrichtungen sind aber selbst völlig intransparent. Sie sind oft verbunden mit Geschäftsmodellen, von denen die meisten gar nichts wissen Zweiter Punkt: Die Zivilgesellschaft kann nur sehr …
Führer: Entschuldigen Sie – Geschäftsmodelle? Meinen Sie, die Menschen werden bezahlt?
Leggewie: Herr Kamenz hat für Geld gearbeitet, klar. Er hat ein ganz kommerzielles …
Führer: Wer hat ihm Geld gegeben? Herr Kamenz ist der, das sollten wir erläutern, der Herrn Steinmeier und Herrn Lammert glaube ich auch beschuldigt hat.
Leggewie: Genau. Und er hat das getan mit einem ganz klaren Geschäftsinteresse eines von ihm betriebenen Unternehmens, und er hat sich ja auch mit einem Magazin zusammengetan, um das aufzudecken. Sie können auch bei VroniPlag Werbung entdecken. Ich nehme an, dass da ein Geschäftsmodell dahintersteckt. Ich möchte es nur wissen, ich habe gar nichts dagegen. Ich möchte nur wissen, was damit verbunden ist.
Wir haben jetzt viele solcher Einrichtungen, die internetgestützt eine neue Form der Kontrolle, sagen wir mal staatlichen oder auch privaten Handelns bilden. Die müssen natürlich ganz besonders auf ihre Transparenz, auf ihre Regeln achten. Dann können sie sich als Anwälte der Zivilgesellschaft begreifen. Ich bin immer noch der Meinung, dass die Bewertung einer Dissertation – und dafür war der Fall Steinmeier sehr exemplarisch – nur durch die Peers, also diejenigen im Wissenschaftssystem ausgeführt werden kann, die als Gutachter in Frage kommen. Das ist auch im Fall Steinmeier völlig klar: Sowohl die Begutachtung der Dissertation damals 1991 war völlig in Ordnung als auch die jetzige Kontrolle, Nachkontrolle durch die Universität Gießen, ist völlig unanfechtbar. Und es ist gut, dass die selbsternannten Kritiker des Wissenschaftssystems jetzt hier in ihre Schranken verwiesen worden sind. Alle Universitäten, alle Forschungsinstitute können weiterhin genau in dieser Richtung tätig sein, sie können ihre Kontrolle auch verbessern.
Wichtig ist aber, dass man Wissensproduktion insgesamt wieder versteht als ein kollektives Gut und eine kollektive Arbeit, an der ganz viele beteiligt sind. Es gibt eine lange Tradition der Wissenschaftsgeschichte und Soziologie, die man in dem Satz bündeln kann: "Wir stehen auf den Schultern von Riesen." Wir nehmen immer das Wissen früherer Generationen in Anspruch. Natürlich müssen wir es ordentlich zitieren, würdigen und besprechen. Es gibt also nicht die Freiheit, sich irgendetwas zu bedienen in diesem Fundus, aber es ist klar, von der ganzen Haltung, der Herangehensweise an die Wissenschaft, dass dies ein kollektives Unterfangen ist, dass Wissen ein öffentliches Gut ist, und es ist gut, wenn bestimmte Erkenntnisse, die jemand, die eine Person X gehabt hat, durch eine Person B dann weitertransferiert werden. Und das ist ein kollektives Unternehmen. Das geht in der heutigen Privatkommerzialisierung der Universitäten, des Wissenschaftssystems völlig unter.
Führer: Herr Leggewie, da ist noch viel zu diskutieren, das machen wir ein andermal. Ich wünsche Ihnen erst mal einen schönen Tag und danke Ihnen für das Gespräch!
Leggewie: Ich danke Ihnen!
Führer: Das war Prof. Dr. Claus Leggewie, der Direktor des kulturwissenschaftlichen Instituts Essen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Leggewie: Ja, die sind klar. Es ist eben nur so, dass ganz viele Angst bekommen und auch Angst gemacht wird. Es ist ja zum Beispiel bei dieser zivilgesellschaftlich intransparenten Kontrolle von Dissertationen, die nachträglich vorgenommen wird, ganz schlecht, dass die Instrumente zur Plagiatskontrolle nicht in die Hände derjenige gegeben wird, die davon vielleicht unbeabsichtigt am meisten betroffen sind. Das heißt, Promovendinnen und Promovenden müssten diese Software durch ihre Förderung durch ihre Förderinstitution, durch die Universitäten, durch die Fakultäten, durch Graduiertenkollegs sozusagen an die Hand bekommen, damit sie ein hohes Maß an Selbstkontrolle ausüben können.
Ich habe das festgestellt bei Gesprächen mit Doktorandinnen und Doktoranden, dass eben hier eine große Angst herrscht. Und da auf dem akademischen Markt heute die individuelle Leistung der einzelnen Promotion, der einzelnen Publikation immer höher bewertet wird im Sinne des akademischen Ranking… Es besteht ohnehin schon eine große Vorsicht. Doktorandinnen und Doktoranden müssten eigentlich intellektuell mutig sein, sie müssten was riskieren, sie müssten tatsächlich innovativ, originell sein wollen. Hier wird aber im Grunde genommen bestehendes Wissen durch eben Zitation hundertfach abgesichert, und dadurch kommt eine bestimmte Ängstlichkeit in das akademische Tun. Das ist eigentlich der unerwünschte Nebeneffekt der Plagiatsjägerei. Das würde sich ändern, …
Führer: Und das ist doch aber auch, wenn ich das richtig verstehe, das ganze Gegenteil dessen, was eine Promotion leisten soll, denn da soll ich doch neue Gedanken, neue Erkenntnisse niederschreiben?
Leggewie: Ja, eben, und jetzt muss ich aber einen großen Teil meiner Zeit darauf verwenden, zu prüfen, ob dieses Zitat, das ich gefunden habe, bereits aus dem Zitat eines anderen Autors besteht und dergleichen mehr. In Wirklichkeit geht es genau um das, was Sie sagen: Ich brauche für eine Dissertation eine originelle Fragestellung, ich brauche einen originellen Datensatz, jedenfalls eine neue Sicht auf einen bestehenden Datensatz. Das sind eigentlich die Dinge, um die es geht. Das sind Dinge, die mit der Zitation und den An- und Abführungszeichen erst mal relativ wenig zu tun haben.
Führer: Was ist also zu tun?
Leggewie: Na ja, ich würde sagen: Wir müssen zunächst einmal bei der Plagiatsbekämpfung, also bei Menschen, die eine Software anwenden oder die VroniPlag machen, müssen wir nächst mal für Transparenz sorgen. Hier wird ja hingewiesen, wir sind diejenigen, die Transparenz ins Wissenschaftssystem hineinbringen, diese Einrichtungen sind aber selbst völlig intransparent. Sie sind oft verbunden mit Geschäftsmodellen, von denen die meisten gar nichts wissen Zweiter Punkt: Die Zivilgesellschaft kann nur sehr …
Führer: Entschuldigen Sie – Geschäftsmodelle? Meinen Sie, die Menschen werden bezahlt?
Leggewie: Herr Kamenz hat für Geld gearbeitet, klar. Er hat ein ganz kommerzielles …
Führer: Wer hat ihm Geld gegeben? Herr Kamenz ist der, das sollten wir erläutern, der Herrn Steinmeier und Herrn Lammert glaube ich auch beschuldigt hat.
Leggewie: Genau. Und er hat das getan mit einem ganz klaren Geschäftsinteresse eines von ihm betriebenen Unternehmens, und er hat sich ja auch mit einem Magazin zusammengetan, um das aufzudecken. Sie können auch bei VroniPlag Werbung entdecken. Ich nehme an, dass da ein Geschäftsmodell dahintersteckt. Ich möchte es nur wissen, ich habe gar nichts dagegen. Ich möchte nur wissen, was damit verbunden ist.
Wir haben jetzt viele solcher Einrichtungen, die internetgestützt eine neue Form der Kontrolle, sagen wir mal staatlichen oder auch privaten Handelns bilden. Die müssen natürlich ganz besonders auf ihre Transparenz, auf ihre Regeln achten. Dann können sie sich als Anwälte der Zivilgesellschaft begreifen. Ich bin immer noch der Meinung, dass die Bewertung einer Dissertation – und dafür war der Fall Steinmeier sehr exemplarisch – nur durch die Peers, also diejenigen im Wissenschaftssystem ausgeführt werden kann, die als Gutachter in Frage kommen. Das ist auch im Fall Steinmeier völlig klar: Sowohl die Begutachtung der Dissertation damals 1991 war völlig in Ordnung als auch die jetzige Kontrolle, Nachkontrolle durch die Universität Gießen, ist völlig unanfechtbar. Und es ist gut, dass die selbsternannten Kritiker des Wissenschaftssystems jetzt hier in ihre Schranken verwiesen worden sind. Alle Universitäten, alle Forschungsinstitute können weiterhin genau in dieser Richtung tätig sein, sie können ihre Kontrolle auch verbessern.
Wichtig ist aber, dass man Wissensproduktion insgesamt wieder versteht als ein kollektives Gut und eine kollektive Arbeit, an der ganz viele beteiligt sind. Es gibt eine lange Tradition der Wissenschaftsgeschichte und Soziologie, die man in dem Satz bündeln kann: "Wir stehen auf den Schultern von Riesen." Wir nehmen immer das Wissen früherer Generationen in Anspruch. Natürlich müssen wir es ordentlich zitieren, würdigen und besprechen. Es gibt also nicht die Freiheit, sich irgendetwas zu bedienen in diesem Fundus, aber es ist klar, von der ganzen Haltung, der Herangehensweise an die Wissenschaft, dass dies ein kollektives Unterfangen ist, dass Wissen ein öffentliches Gut ist, und es ist gut, wenn bestimmte Erkenntnisse, die jemand, die eine Person X gehabt hat, durch eine Person B dann weitertransferiert werden. Und das ist ein kollektives Unternehmen. Das geht in der heutigen Privatkommerzialisierung der Universitäten, des Wissenschaftssystems völlig unter.
Führer: Herr Leggewie, da ist noch viel zu diskutieren, das machen wir ein andermal. Ich wünsche Ihnen erst mal einen schönen Tag und danke Ihnen für das Gespräch!
Leggewie: Ich danke Ihnen!
Führer: Das war Prof. Dr. Claus Leggewie, der Direktor des kulturwissenschaftlichen Instituts Essen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.