Das große Klagelied
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge sind viele Schauspielfans an diesem Wochenende in Köln ins Theater gegangen. Es gab eine neue Inszenierung von Karin Beier, die das Schauspiel wieder in die erste Reihe der deutschsprachigen Theater gebracht hat – aber es war ihre letzte Regiearbeit als Intendantin am Rhein.
Im Sommer übernimmt Karin Beier die Leitung des Hamburger Schauspielhauses. Für ihre Kölner Abschiedsinszenierung hatte sie sich ein düsteres Stück ausgesucht: "Die Troerinnen" von Euripides in der Bearbeitung von Jean-Paul Sartre.
Troja liegt in Trümmern. Die Männer sind tot, die Götter auch. Die Frauen werden in die Sklaverei verschleppt. Hoffnungslosigkeit, Trauer und Leid – mit einer Radikalität, die ihresgleichen sucht, breitet die antike Tragödie "Die Troerinnen" das Grauen des Krieges aus. Als Jean-Paul Sartre die jetzt in Köln gespielte Fassung 1965 für die Bühne bearbeitet hat, war das sein Protest gegen den Algerienkrieg. Und auch heute muss man ja nicht lange suchen nach der Aktualität des Euripides.
In ihrer Kölner Inszenierung breitet Karin Beier das Geschehen in einer fast distanzlosen Direktheit aus. Im Ausweichquartier des Schauspiels in einer Messehalle ist die Spielfläche völlig offen, eingegrenzt nur von den Metallgerüsten für die Beleuchtung, im Hintergrund steht der große Schlagzeugapparat für die Bühnenmusik, der Boden ist mit schwarzem Sand bedeckt. In diesem fast leeren Bühnenraum schafft Karin Beier suggestive Bilder, vor allem mit der Wirkung von Licht und Schatten.
Die Königin Hekuba, ihre wahnsinnige Tochter Kassandra, die junge Witwe Andromache und der Chor der trojanischen Frauen, sie alle hocken und kauern den ganzen Abend auf der Bühne, zu Anfang in dicke Steppdecken eingehüllt, im Laufe des Abends immer weiter entblößt. Jede wird ihre Szene haben im Verlauf dieses großen Klagelieds. Erschütternder Höhepunkt ist der Auftritt Andromaches. Die Witwe und Mutter wird mitten im äußersten Elend in eine noch tiefere Hölle gestoßen, wenn die Griechen ihr Kind aus ihren Armen reißen. Der letzte Erbe Trojas muss nach der grausamen Logik der Sieger sterben. Lina Beckmann gestaltet das beklemmend eindringlich, wie sie kämpft und tobt und dann ganz leer wird in ihrer Trauer, nur noch mechanisch mit den Schultern zuckt.
Schauspielermomente wie diese hätte man sich noch mehr gewünscht an diesem Abend. Aber nicht immer gelingt es Karin Beier, die Intensität durch Verdichtung zu steigern. Dann wird der Abend laut und äußerlich. Einen starken Auftritt hat auch Angelika Richter als schneidend intellektuelle Helena. Aber nicht alle Darstellerinnen meistern ihre Monologszenen mit derselben Überzeugungskraft, manchmal wirkt die emotionale Extremsituation auch manieriert und hysterisch.
Julia Wieninger als Königin Hekuba bleibt überraschend blass. Die Besetzung der Kassandra mit der Tänzerin Rosalba Torres Guerrero ist problematisch – man versteht kaum ein Wort des Textes dieser Prophetin, die sich doch vor allem an der Macht ihrer Rede berauscht. Der Einsatz eines riesigen Frauenchors, der plötzlich im Zuschauerraum sichtbar wird, bringt eher Masse als Stärke in die Aufführung.
Wenn "Die Troerinnen" also auch nicht zu Karin Beiers besten Inszenierungen zählen, so wurden die Intendantin und das Ensemble nach dieser letzten gemeinsamen Premiere doch herzlich gefeiert. Die fünf Jahre, die Karin Beier am Rhein Theater gemacht hat, haben das Kölner Schauspiel zum viel bestaunten "Theaterwunder" werden lassen. Sieben Einladungen zum Berliner Theatertreffen, zweimal "Theater des Jahres", Preise und Auszeichnungen für Karin Beier und führende Ensemblemitglieder wie Lina Beckmann – das ist schon eine eindrucksvolle Erfolgsbilanz.
Spannende Aufführungen, interessante Regie-Handschriften und großartige Schauspieler hat Karin Beier nach Köln gebracht. Ihr vitales und auch immer politisch akzentuiertes Bildertheater hat den Nerv des Publikums getroffen. Und das lange vor sich hindämmernde Schauspiel wieder mitten in die Stadt hinein katapultiert.
Informationen des Schauspiels Köln zu "Die Troerinnen"
Troja liegt in Trümmern. Die Männer sind tot, die Götter auch. Die Frauen werden in die Sklaverei verschleppt. Hoffnungslosigkeit, Trauer und Leid – mit einer Radikalität, die ihresgleichen sucht, breitet die antike Tragödie "Die Troerinnen" das Grauen des Krieges aus. Als Jean-Paul Sartre die jetzt in Köln gespielte Fassung 1965 für die Bühne bearbeitet hat, war das sein Protest gegen den Algerienkrieg. Und auch heute muss man ja nicht lange suchen nach der Aktualität des Euripides.
In ihrer Kölner Inszenierung breitet Karin Beier das Geschehen in einer fast distanzlosen Direktheit aus. Im Ausweichquartier des Schauspiels in einer Messehalle ist die Spielfläche völlig offen, eingegrenzt nur von den Metallgerüsten für die Beleuchtung, im Hintergrund steht der große Schlagzeugapparat für die Bühnenmusik, der Boden ist mit schwarzem Sand bedeckt. In diesem fast leeren Bühnenraum schafft Karin Beier suggestive Bilder, vor allem mit der Wirkung von Licht und Schatten.
Die Königin Hekuba, ihre wahnsinnige Tochter Kassandra, die junge Witwe Andromache und der Chor der trojanischen Frauen, sie alle hocken und kauern den ganzen Abend auf der Bühne, zu Anfang in dicke Steppdecken eingehüllt, im Laufe des Abends immer weiter entblößt. Jede wird ihre Szene haben im Verlauf dieses großen Klagelieds. Erschütternder Höhepunkt ist der Auftritt Andromaches. Die Witwe und Mutter wird mitten im äußersten Elend in eine noch tiefere Hölle gestoßen, wenn die Griechen ihr Kind aus ihren Armen reißen. Der letzte Erbe Trojas muss nach der grausamen Logik der Sieger sterben. Lina Beckmann gestaltet das beklemmend eindringlich, wie sie kämpft und tobt und dann ganz leer wird in ihrer Trauer, nur noch mechanisch mit den Schultern zuckt.
Schauspielermomente wie diese hätte man sich noch mehr gewünscht an diesem Abend. Aber nicht immer gelingt es Karin Beier, die Intensität durch Verdichtung zu steigern. Dann wird der Abend laut und äußerlich. Einen starken Auftritt hat auch Angelika Richter als schneidend intellektuelle Helena. Aber nicht alle Darstellerinnen meistern ihre Monologszenen mit derselben Überzeugungskraft, manchmal wirkt die emotionale Extremsituation auch manieriert und hysterisch.
Julia Wieninger als Königin Hekuba bleibt überraschend blass. Die Besetzung der Kassandra mit der Tänzerin Rosalba Torres Guerrero ist problematisch – man versteht kaum ein Wort des Textes dieser Prophetin, die sich doch vor allem an der Macht ihrer Rede berauscht. Der Einsatz eines riesigen Frauenchors, der plötzlich im Zuschauerraum sichtbar wird, bringt eher Masse als Stärke in die Aufführung.
Wenn "Die Troerinnen" also auch nicht zu Karin Beiers besten Inszenierungen zählen, so wurden die Intendantin und das Ensemble nach dieser letzten gemeinsamen Premiere doch herzlich gefeiert. Die fünf Jahre, die Karin Beier am Rhein Theater gemacht hat, haben das Kölner Schauspiel zum viel bestaunten "Theaterwunder" werden lassen. Sieben Einladungen zum Berliner Theatertreffen, zweimal "Theater des Jahres", Preise und Auszeichnungen für Karin Beier und führende Ensemblemitglieder wie Lina Beckmann – das ist schon eine eindrucksvolle Erfolgsbilanz.
Spannende Aufführungen, interessante Regie-Handschriften und großartige Schauspieler hat Karin Beier nach Köln gebracht. Ihr vitales und auch immer politisch akzentuiertes Bildertheater hat den Nerv des Publikums getroffen. Und das lange vor sich hindämmernde Schauspiel wieder mitten in die Stadt hinein katapultiert.
Informationen des Schauspiels Köln zu "Die Troerinnen"