Das Grüne Gewölbe als zweite Heimat

Von Alexandra Gerlach |
"Mein Beruf war mein Leben", sagt Christine Engemann-Wendt, Chefrestauratorin des weltberühmten Grünen Gewölbes in Dresden. Fast 40 Jahre lang hat sie sich in den Staatlichen Kunstsammlungen um die Konservierung der opulenten Juwelier- und Goldschmiedekunst des 18. Jahrhunderts gekümmert. Seit 1991 war sie Chefrestauratorin der Pretiosensammlung. Vor wenigen Tagen ist sie 65 geworden und verabschiedet sich nun in den Ruhestand, ohne zu wissen, ob es für sie einen Nachfolger geben wird.
Wenn sie im Grünen Gewölbe durch die Juwelen des Königs führt, ist Christine Engemann-Wendt in ihrem Element. Fast 40 Jahre lang hat sie im Dresdner Schatzkammermuseum restauriert und konserviert, fast jedes Stück hat sie in der Hand gehabt. Maßgeblich war sie an der Gestaltung der alten und neuen Ausstellung der Wettiner Pretiosensammlung beteiligt. Eine lange Karriere, die einst ganz unspektakulär begann:

Christine Engemann-Wendt: "Also der erste Tag in den Kunstsammlungen war ja während meines Studiums im Praktikum und wir hatten im Albertinum eine sehr sehr kleine Werkstatt und es hat mich schon ein bisschen schockiert, das eine so berühmte Sammlung mit diesen Spitzenstücken so eine etwas ja, das kann man eigentlich gar nicht als Restaurierungswerkstatt bezeichnen, es gab eine Goldschmiedewerkbrett und es gab damals ein Wasserbecken und das war es dann."

Christine Engemann, die in Dessau geborene Tochter des Bauhaus-Architekten Friedrich Engemann und seiner Frau Alma Elise, einer Kandinsky-Schülerin, war eigentlich in nüchterner Sachlichkeit aufgewachsen. Mit der Opulenz der Dresdner Pretiosen-Sammlung konnte sie sich zunächst nicht anfreunden:

"War sehr beeindruckt, aber auf der anderen Seite natürlich auch etwas irritiert, denn ich bin auch vom Elternhaus her für sehr sachliche Formen erzogen worden in einer doch verhältnismäßig sehr sachlichen Umwelt groß geworden, und im Studium natürlich auch. Da konnte ich erst mal mit dieser barocken Pracht wenig anfangen."

Erst auf den zweiten Blick, fand die junge Studentin der Metall-und Schmuckgestaltung einen Zugang zu den barocken Prachtstücken im Grünen Gewölbe. Die Arbeit an dem berühmten Hofstaat des Großmoguls faszinierte sie:

"Das ist ja die Darstellung oder die Wiedergabe einer wahren Gratulationscour, die ja wirklich so stattgefunden hat und wenn man die einzelnen Figuren, die ja frei auf der Bühne stehen, wenn man die in der Hand hat oder gar mal unter dem Mikroskop sieht, diese feine Emaillemalerei, also das ist so unglaublich, da habe ich dann doch regelrecht Feuer gefangen."

1971, nach ihrem Diplom fing sie als Restauratorin im Schatzkammermuseum an, entwickelte sich zur Spezialistin für Pretiosen des 18. Jahrhunderts und Schmuck des 16. und 17. Jahrhunderts. Sie arbeitete mit an der Restaurierung und Konservierung zahlreicher 1945 in die Sowjetunion verschleppten und 1958 zurückgekehrten Stücken und bereitete die Einrichtung des Grünen Gewölbes im Albertinum vor, einem Interim, das fast 30 Jahre Bestand haben sollte, bis zum Umzug in das wiedererrichtete Dresdner Residenzschloss.

Die kleinen barocken Juwelierplastiken aus dem Hofstaat des Großmoguls jedoch blieben ihre besonderen Schützlinge. Nach dem Auffinden gravierender Emailleschäden erhielt Engemann die Aufgabe, eine wissenschaftliche Studie zu den Ursachen zu erstellen. Am Ende stand fest, dass schadstoffhaltige Spanplatten, die bei der Einrichtung des Albertinums beim Vitrinenbau verwendet wurden, für die Emailleschäden verantwortlich waren. Diese Ergebnisse waren wegweisend für die Neueinrichtung des Grünen Gewölbes und des Historischen Grünen Gewölbes im Dresdner Residenzschloss.

"Das sind Vitrinen, von denen ich vorhin gesprochen habe, die im unteren Teil ihr Service-Fach haben, mit der Klimatisierung und dem Schadstofffilter und der Umluft. Das heißt konditionierte Luft kommt aus der einen Seite raus und wird auf der anderen abgesaugt und wieder gereinigt, als das ist ein Kreislauf."

Restaurierung sei viel mehr als nur ein Handwerk, sagt Christine Engemann-Wendt, und plädiert dafür, dass jeder Restaurator auch ein naturwissenschaftliches Studium absolvieren solle:

"Denn er muss sich in technologischen Dingen auskennen, es wäre gut, wenn er auch selbst einmal Stücke, bzw. die Technik selbst einmal gemacht hätte, um einfach das Gefühl dafür zu bekommen, also zum Beispiel Treiben oder Ziselieren oder auch Emaillieren, aber wichtig ist eben auch die naturwissenschaftliche Ausbildung."

Beinahe jedes der 4000 kostbaren Stücke aus der einst königlichen Schatzkammer hat die Chefrestauratorin im Laufe ihrer fast 40 Jahre langen Dienstzeit in der Hand gehabt. Dabei ist sie ihrem Grundsatz treu geblieben, niemals in die Geschichte eines Juwels oder einer Pretiose einzugreifen:

"Restaurieren, ... ich spreche eigentlich lieber von Konservieren, also einen Zustand erhalten, als Restaurieren, was ja streng übersetzt eigentlich wiedererstellen heißt. Und ist in den meisten Fällen verbunden mit Eingriff in das Stück und das sollte man nicht tun, weil jedes Stück natürlich in dem Zustand wie es zu uns gekommen ist, eigentlich seine Geschichte wiedergibt. Wir greifen in die Geschichte des Stückes ein, einfach wenn wir einen Zustand wieder herstellen, der sozusagen zurückgreift."

Ein falscher Eingriff könne das Stück für immer beschädigen, sagt Chefrestauratorin Engemann, die sich nun um die Zukunft um das wegweisende wissenschaftliche und restauratorische Niveau in ihrem Arbeitsgebiet in den Kunstsammlungen sorgt. Denn ob und mit wem ihre Stelle neu besetzt wird ist noch offen und angesichts der vom sächsischen Finanzminister angeordneten Sparpolitik ungewiss.