Das gute Gewissen Europas

Von Annette Wilmes |
Der Europarat versteht sich als Hüter des gemeinsamen europäischen Erbes von Menschenrechten, Demokratie, Freiheit, Pluralismus und Rechtstaatlichkeit. Als er am 5. Mai 1949 gegründet wurde, sollte er vor allem helfen, die Gräuel des Zweiten Weltkriegs in Zukunft zu vermeiden. Von zehn Staaten ins Leben gerufen, hat der Europarat heute 47 Mitglieder.
"I hope we shall become one of several continental units, which will form the pillars of the world instrument for maintaining security and be the best guarantee of maintaining peace.”"

Winston Churchill in seiner Rede vor der Beratenden Versammlung des Europarats in Straßburg am 17. August 1949. Er hoffte, dass die neue kontinentale Institution - gemeinsam mit anderen in der Welt - Sicherheit gewährleisten und den Frieden erhalten würde. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges machte sich Churchill für die europäische Einheit stark.

Am 5. Mai 1949 hatten zehn Staaten im St. James Palace in London die Satzung des Europarats unterzeichnet, der fortan seinen Sitz in Straßburg haben sollte. Die Gründerstaaten waren Belgien, Dänemark, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Schweden und das Vereinigte Königreich.

""Mr. President, I now come to the greatest and most important of all the questions that are before us.”"

Schon in seiner Rede im August 1949 vor der Beratenden Versammlung sprach sich Churchill dafür aus, dass auch Deutschland Mitglied werden sollte.

""A united Europe cannot live without the help und strength of Germany, this has always been foreseen by the European movement.”"

Am 2. Mai 1951 wurde die Bundesrepublik Deutschland als vollberechtigtes Mitglied in den Europarat aufgenommen. Am 10. Dezember 1951 sagte Bundeskanzler Konrad Adenauer in seiner Rede vor der Beratenden Versammlung in Straßburg:

""Es bedeutet viel für die politische Entwicklung Europas, dass wir hier in den Organen des Europarats eine Plattform haben, auf der sich die Repräsentanten Europas regelmäßig begegnen, ihre Sorgen und Nöte, ihre Wünsche und Hoffnungen austauschen; und zwar in einem Geiste der Fairness und der guten Nachbarschaft. Mit anderen Worten, wir haben hier das europäische Gewissen."

Im Ministerkomitee, dem Entscheidungsgremium der Organisation, kommen die Außenminister der Mitgliedsstaaten zusammen, in der Parlamentarischen Versammlung Delegierte aus den nationalen Parlamenten.

"Es geht im Europarat vorwiegend um Menschenrechtsthemen. Aber es geht natürlich auch um Themen, die das Wohlergehen der Menschheit befördern sollen - ob es Umweltschutz anbetrifft, ob es das Verhältnis der Geschlechter untereinander anbetrifft, ob es die Wissenschaftsfreiheit und andere Dinge anbetrifft. Also die Palette geht sehr weit."

Joachim Hörster, Mitglied des Bundestages, leitet die deutsche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates.

"Wir machen zum einen Berichte. In einer geringeren Zahl sprechen wir Empfehlungen aus, und dann muss sich das Ministerkomitee damit befassen und dann wird die Sache einer doch intensiven Behandlung zugeführt."

Außerdem prüft die Parlamentarische Versammlung, ob die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschrechte umgesetzt werden. Die Parlamentarier treffen sich viermal im Jahr für eine Sitzungswoche in Straßburg. Die zahlreichen Ausschüsse tagen an verschiedenen Orten.

"Häufig in Hauptstädten wie zum Beispiel Stockholm, Ljubljana, auch mal in Brüssel, in Madrid, aber auch in anderen Staaten wie im Kaukasus, in Baku, Aserbaidschan - und wo auch immer sich die Notwendigkeit ergibt."

Der Europarat, dem heute 47 Staaten angehören, stand lange im Schatten der Europäischen Gemeinschaften, aus denen sich die heutige Europäische Union entwickelte. Aber in den 90er-Jahren, nach dem Fall des "Eisernen Vorhangs", gewann der Europarat wieder besondere Bedeutung. Er hilft den ehemals kommunistisch regierten Ländern Mittel- und Osteuropas auf ihrem Weg in die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.