Das helle und das dunkle Ufer des Yalu
China ist der engste Verbündete Nordkoreas. Doch die Atomtests in Nordkorea und die Weigerung von Diktator Kim Jong Il, das Land wirtschaftlich zu öffnen, haben die Beziehungen getrübt. Nirgends werden die unterschiedlichen Entwicklungswege einstigen Bruderländer deutlicher als entlang der 1400 Kilometer langen Grenze.
Viel dichter als in Dandong kommt man an Nordkorea fast nirgendwo ran. Auf der Promenade direkt am Yalu-Fluss ist das abgeschottete Land von Kim Jong Ils zum Greifen nahe. Auf der chinesischen Seite dröhnt Musik aus den hell erleuchteten Restaurants.
Rote Leuchtreklamen tauchen die Uferpromenade in helles Licht; ein steter Strom von Autos rollt am Fluss entlang. Überall Zeichen von Aufbruch und bescheidenem Wohlstand.
Auf der anderen Seite des Flusses herrscht tiefschwarze Nacht. In der nordkoreanischen Grenzstadt Sinuiju leuchtet nicht einmal eine Straßenlaterne. Keine Autos, keine erleuchteten Fenster. Einfach nur Dunkelheit. Sogar die Brücke über den Yalu scheint in der Mitte abzubrechen. Auf chinesischer Sei-te ist sie mit blinkenden Lichterketten geschmückt. Der nordkoreanische Teil liegt im Dunkeln.
Die Brücke über den Yalu ist die Hauptverbindung zwischen China und Nordkorea. Über sie, die Freundschaftsbrücke, wird ein Großteil des Handels abgewickelt. Waren im Wert von 1,3 Milliarden Dollar wurden allein in den ersten sechs Monaten transportiert. Vormittags geht’s auf der einspurigen Trasse Richtung Nordkorea; abends kommen die Laster zurück nach China. Gleich daneben rattern die Züge über die Freundschaftsbrücke - von Peking über Dandong nach Pjöngjang.
Dandong mit seinen 800.000 Einwohnern lebt vom Handel mit Nordkorea. Eine neue mehrspurige Autobrücke über den Yalu ist in Planung – ein entsprechendes Abkommen wurde Anfang des Jahres mit Nordkorea unterzeichnet.
Der 44-jährige Shan Jie handelt seit Jahren mit Nordkorea. Von seinem Büro aus, im elften Stock des Internationalen Handelszentrums in Dandong, kann er über den Fluss blicken. An den Wänden hängen Verdienstmedaillen der Nordkoreaner.
"Wir verkaufen vor allem Waren des täglichen Bedarfs, also Waschmittel, Seife, Handtücher. All das gibt es dort drüben nicht. Noch nicht einmal einfache Nägel für den Hausgebrauch können sie fertigen."
Was darüber hinaus illegal über die Grenze geht, weiß niemand so genau. Im Juni wurden an der Grenze nach chinesischen Angaben drei Menschen von einem nordkoreanischen Grenzer erschossen. Angeblich waren es chinesische Schmuggler.
Keine 30 Kilometer außerhalb von Dandong, am Hushan, am Tigerberg, wo der Yalu im Winter zu einem schmalen Rinnsal wird, lebt die Bauernfamilie Wu. In der offenen Küche wird gekocht; im Hinterzimmer betreibt Frau Wu einen kleinen Laden. Zigaretten, Schnaps, Winterhandschuhe, Kekse – für 25 Euro packt sie Waren in einen schwarzen Plastiksack und nimmt ihre Kunden mit an die Grenze, dorthin, von wo man mit einem einzigen Sprung von China nach Nordkorea kommt – und umgekehrt.
"Hallo, mein Freund, komm mal rüber", ruft Frau Wu auf koreanisch über den Yalu.
Beim dritten Ruf taucht auf der anderen Seite ein junger Mann in blauer Kluft auf. Hier sind Ausländer, ruft Frau Wu. Ein Sprung über den Yalu, der schwarze Plastiksack wechselt den Besitzer. Der junge Mann bedankt sich in gebrochenem Chinesisch. Auf dem Schwarzmarkt, erzählt die Bauersfrau, können die jungen Nordkoreaner mit der Schmuggelware aus China ihre mageren Einkünfte aufbessern.
Fast überall zwischen Dandong und Yanji, im Dreiländereck mit Russland, gilt die Grenze als relativ durchlässig. Obwohl alle paar hundert Meter nordkoreanische Wachposten patrouillieren; und obwohl die Chinesen nicht unweit von Frau Wus Treffpunkt einen Grenzzaun errichtet haben – um die Armuts-flüchtlinge aus Nordkorea abzuhalten.
Die Nähe zu Nordkorea hat in Dandong aber auch eine besondere Art des Tourismus befördert. Ausflugsdampfer und Schnellboote nehmen chinesische Besucher zum Sightseeing mit: Armut in Nordkorea angucken. Bis wenige Meter vors nordkoreanische Ufer fährt der Bootsführer, drosselt den Motor und lässt das Boot treiben. Zu sehen bekommen die Fahrgäste rostige Kähne, heruntergekommene Häuser, Fabrikschlote, die nicht rauchen; ein marodes Riesenrad, das sich nicht dreht.
"Dort ist ein Wachturm", sagt der Bootsführer und deutet ans Ufer. Eine Gruppe von Arbeitern marschiert am Fluss entlang – würdigt die neugierigen Touristen keines Blickes.
Abends geht man in Dandong in eines der nordkoreanisch geführten Restaurants an der Promenade – das Essen dort ist gut und der baijiao, der Schnaps billig. Vor allem aber tanzen und singen bildhübsche Frauen – angeblich Töchter von nordkoreanischen Kadern. Unter strenger Aufsicht dürfen sie für eine Weile in China die Freiheiten der Marktwirtschaft kennen lernen.
In Nordkorea, sagt eine der Sängerinnen, sei alles viel besser. Die Gäste – junge aufstrebende Chinesen – lachen - und es klingt nicht besonders freundlich. Für sie ist Nordkorea schon lange kein Bruderland mehr – sondern ein Anachronismus, ein hoffnungslos zurückgebliebenes Land. Dort drüben auf der dunklen Seite des Flusses.
Rote Leuchtreklamen tauchen die Uferpromenade in helles Licht; ein steter Strom von Autos rollt am Fluss entlang. Überall Zeichen von Aufbruch und bescheidenem Wohlstand.
Auf der anderen Seite des Flusses herrscht tiefschwarze Nacht. In der nordkoreanischen Grenzstadt Sinuiju leuchtet nicht einmal eine Straßenlaterne. Keine Autos, keine erleuchteten Fenster. Einfach nur Dunkelheit. Sogar die Brücke über den Yalu scheint in der Mitte abzubrechen. Auf chinesischer Sei-te ist sie mit blinkenden Lichterketten geschmückt. Der nordkoreanische Teil liegt im Dunkeln.
Die Brücke über den Yalu ist die Hauptverbindung zwischen China und Nordkorea. Über sie, die Freundschaftsbrücke, wird ein Großteil des Handels abgewickelt. Waren im Wert von 1,3 Milliarden Dollar wurden allein in den ersten sechs Monaten transportiert. Vormittags geht’s auf der einspurigen Trasse Richtung Nordkorea; abends kommen die Laster zurück nach China. Gleich daneben rattern die Züge über die Freundschaftsbrücke - von Peking über Dandong nach Pjöngjang.
Dandong mit seinen 800.000 Einwohnern lebt vom Handel mit Nordkorea. Eine neue mehrspurige Autobrücke über den Yalu ist in Planung – ein entsprechendes Abkommen wurde Anfang des Jahres mit Nordkorea unterzeichnet.
Der 44-jährige Shan Jie handelt seit Jahren mit Nordkorea. Von seinem Büro aus, im elften Stock des Internationalen Handelszentrums in Dandong, kann er über den Fluss blicken. An den Wänden hängen Verdienstmedaillen der Nordkoreaner.
"Wir verkaufen vor allem Waren des täglichen Bedarfs, also Waschmittel, Seife, Handtücher. All das gibt es dort drüben nicht. Noch nicht einmal einfache Nägel für den Hausgebrauch können sie fertigen."
Was darüber hinaus illegal über die Grenze geht, weiß niemand so genau. Im Juni wurden an der Grenze nach chinesischen Angaben drei Menschen von einem nordkoreanischen Grenzer erschossen. Angeblich waren es chinesische Schmuggler.
Keine 30 Kilometer außerhalb von Dandong, am Hushan, am Tigerberg, wo der Yalu im Winter zu einem schmalen Rinnsal wird, lebt die Bauernfamilie Wu. In der offenen Küche wird gekocht; im Hinterzimmer betreibt Frau Wu einen kleinen Laden. Zigaretten, Schnaps, Winterhandschuhe, Kekse – für 25 Euro packt sie Waren in einen schwarzen Plastiksack und nimmt ihre Kunden mit an die Grenze, dorthin, von wo man mit einem einzigen Sprung von China nach Nordkorea kommt – und umgekehrt.
"Hallo, mein Freund, komm mal rüber", ruft Frau Wu auf koreanisch über den Yalu.
Beim dritten Ruf taucht auf der anderen Seite ein junger Mann in blauer Kluft auf. Hier sind Ausländer, ruft Frau Wu. Ein Sprung über den Yalu, der schwarze Plastiksack wechselt den Besitzer. Der junge Mann bedankt sich in gebrochenem Chinesisch. Auf dem Schwarzmarkt, erzählt die Bauersfrau, können die jungen Nordkoreaner mit der Schmuggelware aus China ihre mageren Einkünfte aufbessern.
Fast überall zwischen Dandong und Yanji, im Dreiländereck mit Russland, gilt die Grenze als relativ durchlässig. Obwohl alle paar hundert Meter nordkoreanische Wachposten patrouillieren; und obwohl die Chinesen nicht unweit von Frau Wus Treffpunkt einen Grenzzaun errichtet haben – um die Armuts-flüchtlinge aus Nordkorea abzuhalten.
Die Nähe zu Nordkorea hat in Dandong aber auch eine besondere Art des Tourismus befördert. Ausflugsdampfer und Schnellboote nehmen chinesische Besucher zum Sightseeing mit: Armut in Nordkorea angucken. Bis wenige Meter vors nordkoreanische Ufer fährt der Bootsführer, drosselt den Motor und lässt das Boot treiben. Zu sehen bekommen die Fahrgäste rostige Kähne, heruntergekommene Häuser, Fabrikschlote, die nicht rauchen; ein marodes Riesenrad, das sich nicht dreht.
"Dort ist ein Wachturm", sagt der Bootsführer und deutet ans Ufer. Eine Gruppe von Arbeitern marschiert am Fluss entlang – würdigt die neugierigen Touristen keines Blickes.
Abends geht man in Dandong in eines der nordkoreanisch geführten Restaurants an der Promenade – das Essen dort ist gut und der baijiao, der Schnaps billig. Vor allem aber tanzen und singen bildhübsche Frauen – angeblich Töchter von nordkoreanischen Kadern. Unter strenger Aufsicht dürfen sie für eine Weile in China die Freiheiten der Marktwirtschaft kennen lernen.
In Nordkorea, sagt eine der Sängerinnen, sei alles viel besser. Die Gäste – junge aufstrebende Chinesen – lachen - und es klingt nicht besonders freundlich. Für sie ist Nordkorea schon lange kein Bruderland mehr – sondern ein Anachronismus, ein hoffnungslos zurückgebliebenes Land. Dort drüben auf der dunklen Seite des Flusses.