Gil Shaham, Violine
Israel Philharmonic Orchestra
Leitung: Zubin Mehta
Zapfenstreich zum Hexensabbat
50 Jahre, ein halbes Jahrhundert: das ist auch in der Welt der klassischen Musik eine sehr lange Strecke. 1969 stand Zubin Mehta zum ersten Mal am Pult des Israel Philharmonic Orchestra. Das Ensemble aus dem Nahen Osten und der Dirigent aus Indien, der in Wien ausgebildet wurde: das entwickelte sich zu einer Partnerschaft fürs Leben.
1981 wurde Zubin Mehta in Tel Aviv zum "Musikdirektor auf Lebenszeit" ernannt. Im Alter von 82 Jahren zieht sich Mehta in dieser Saison von der aktiven Leitung des Orchesters zurück und macht dem jungen Dirigenten Lahav Shani Platz. Nun heißt es Abschied nehmen, und deswegen kam das Israel Philharmonic Orchestra zu einem "Farewell-Konzert" in die Berliner Philharmonie.
Für diesen Abend im Rahmen des Musikfestes Berlin hatten die Musiker aus Israel ein beziehungsreiches Programm mitgebracht: Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy und Hector Berlioz, zwei Antipoden der frühen Romantik – passend zum thematischen Schwerpunkt des Berliner Musikfestes, das im Zeichen des 150. Todestages von Hector Berlioz steht.
Von Berlin nach Tel Aviv
Einleitend ein Werk, das eine Brücke von Tel Aviv nach Berlin schlägt: Das Concertino für Streichorchester von Ödön Pártos ist ein musikalisches und zeitgeschichtliches Dokument. Pártos war eines der Gründungsmitglieder des Orchesters, das 1936 – im Geburtsjahr Mehtas – von dem Geiger Bronisław Huberman ins Leben gerufen wurde und europäischen Juden eine neue musikalische Heimat bot.
Pártos spielte Bratsche, war in Ungarn zunächst als Geigenvirtuose ausgebildet worden, hatte aber auch Komposition und Volksmusik bei Bartók und Kodály studiert. Im Berlin der Weimarer Republik setzte er sich mit einem Streichquartett für zeitgenössische Musik ein, ehe ihn der Rassenwahn ins Exil trieb. In Israel war Pártos als Musiker, Lehrer und Komponist eine prägende Persönlichkeit des noch jungen Musiklebens.
Schwarze Romantik und schmutzige Finger
Und welches Hauptstück setzt man bei einem solchen Anlass aufs Programm? Mehta hatte sich gegen ein feierliches, stattdessen für ein feuriges Werk entschieden, eines der mitreißendsten seiner Art: die "Symphonie fantastique" von Hector Berlioz. Dieses epochale Stück von 1830, das mit einem visionären Hexensabbat endet, ist der denkbar größte Kontrast zum Violinkonzert von Felix Mendelssohn Bartholdy mit dem Solisten Gil Shaham: klassizistische Eleganz dort, schwarze Romantik hier. So schwarz, dass Mendelssohn befand, wer eine Partitur von Berlioz in der Hand halte, der bekomme schmutzige Finger davon…
Aufzeichnung vom 16.09.2019 aus der Philharmonie Berlin
Ödön Pártos
Concertino für Streichorchester
Concertino für Streichorchester
Felix Mendelssohn Bartholdy
Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64
Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64
Hector Berlioz
"Symphonie fantastique. Épisode de la vie d’un artiste" op. 14
"Symphonie fantastique. Épisode de la vie d’un artiste" op. 14