"Das ist ja weit weg von der Realität"

Moderation: Marie Sagenschneider |
Der Vizepräsident des Dachverbandes Gesamtmetall, Otmar Zwiebelhofer, hält eine Einigung im Tarifkonflikt mit der IG Metall noch in dieser Woche für möglich. Die Arbeitgeber würden sich bewegen, sagte Zwiebelhofer. Allerdings müsse die IG Metall Abstand nehmen von ihrer Forderung nach fünf Prozent mehr Lohn und Gehalt. Diese sei "weit weg von der Realität", so Zwiebelhofer.
Sagenschneider: ... nächste und entscheidende Verhandlungsrunde, den Anfang machen die Tarifpartner in Nordrhein-Westfalen, morgen folgt dann unter anderem Baden-Württemberg, und der Südwesten gehört ja auch zu den Schlüsselbezirken der Branche, hier wurden häufig Pilotabschlüsse vereinbart. Präsident des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall ist Otmar Zwiebelhofer, er ist auch Vizepräsident von Gesamtmetall, insofern an beiden Verhandlungen heute und morgen beteiligt, und nun am Telefon von Deutschlandradio Kultur, guten Morgen, Herr Zwiebelhofer.

Zwiebelhofer: Guten Morgen, Frau Sagenschneider.

Sagenschneider: Das "Handelsblatt" berichtet heute, dass sich die Arbeitgeber nun doch bewegen, angeblich will man heute bei den Verhandlungen in Nordrhein-Westfalen ein neues Angebot vorlegen, das eine zwei vor dem Komma beinhaltet. Stimmt das so?

Zwiebelhofer: Ja, das, was wir immer gesagt haben, wenn Sie das hochrechnen, 1,2, wie Sie eben gesagt haben, Tabelle plus 0,6 Einmalzahlungen, die wir angeboten haben, das sind 1,8, und dann kommt noch die vermögenswirksame Leistung, die ja die IG Metall will, das wird noch mal mit 0,3, 0,4 bewertet, und dann sind wir schon über zwei, 2,2.

Sagenschneider: Jetzt sagen Sie, da kommt eigentlich gar nichts mehr dazu, zu dem, was Sie vorher schon angeboten hatten.

Zwiebelhofer: Es ist ja so, man geht ja irgendwann einmal in Verhandlungen aufeinander zu, das heißt, die IG Metall muss von ihren fünf Prozent, das ist ja weit weg von der Realität, runterkommen und wir werden uns natürlich irgendwann natürlich auch bewegen müssen, das ist die Dialektik jeder Tarifverhandlungen.

Sagenschneider: Ja, und zur Dialektik gehört, oder mehr gehört, dass die Gewerkschaften garantiert nicht mit der kleinen zwei zufrieden sein werden, sondern eher doch die große zwei haben wollen. Wenn nicht sogar die drei Komma.

Zweibelhofer: Also die will ja nicht nur eine hohe Zahl haben, sondern die will vor allem das, was wir nicht ertragen können, die will ja alles in der Tabelle, das heißt also, dass das sozusagen auf ewig drin bleibt. Und wir wollen ja unbedingt, und so sind wir ja angetreten, wollen wir dies Jahr auf jeden Fall eine Aufteilung zwischen einer Tabellenerhöhung, also die immer stetig bleibt, und einer so genannten Einmalzahlung, die dann auch wegfällt und die dann natürlich auch das Betriebliche, Konjunkturelle abbilden soll. Das heißt, wir wissen ja nicht am Jahresende, ob es nun wirklich so ist, wie wir das hier jetzt einschätzen, auf beiden Seiten. Und da wehrt sie sich im Moment noch gegen, aber es gibt keinen Abschluss ohne diese Einmalzahlungen.

Sagenschneider: Warum, Herr Zwiebelhofer, tun sich die Arbeitgeber so schwer ein Angebot vorzulegen, dass für die Gewerkschaften überhaupt verhandelbar ist? Denn Sie haben ja Woche um Woche verstreichen lassen, ohne auch nur im Ansatz auf die Gewerkschaften zuzugehen.

Zwiebelhofer: Das stimmt ja überhaupt nicht. Denn wir haben immer von einem Gesamtpaket gesprochen, das hat uns ja auch die IG Metall so vorgelegt, zum Beispiel will sie in Nordrhein-Westfalen einen Qualifizierungsvertrag, ja, und das ist ja eine große Hürde für viele Firmen, und auch natürlich für den Verband. Und dann wollen wir noch ein Beschäftigungsaufbauprogramm durchsetzen in dieser Tarifrunde, das ist eine Idee, die ist ganz einfach, ein Prozent Einstellung bringt zehn Minuten ohne Bezahlung für jeden Mitarbeiter oder für jede Mitarbeiterin. Bei sechs Prozent Einstellung, also neuen Einstellungen, wären es dann eine Stunde, für alle, eine so genannte Halbfinanzierung, und da tut sich die IG Metall enorm schwer, weil sie ja eigentlich gegen Beschäftigungsaufbau nicht sein kann, aber sie spürt natürlich da schon wieder an der Stelle, ach, das könnte irgendwie ein Machtverlust sein, oder da würde die 35-Stunden-Woche angegriffen, das sind ja alles so ganz große Tabus, ja.

Sagenschneider: Na, sie wären vielleicht leichter zu gewinnen, wenn man bei Lohn und Gehalt ein bisschen hoch gehen würde, denn auch Gesamtmetall sagt ja, der Branche insgesamt geht es gut.

Zwiebelhofer: Der Branche geht es gut. Und der soll es auch weiterhin gut gehen. Und wir sind halt nach wie vor in der Situation, dass wir die höchsten Personalkosten haben in der Welt. Und da müssen wir aufpassen. Das geht ja nicht so einfach, dass wir sagen, so jetzt machen wir da noch ein bisschen was drauf und dann wird es schon gut gehen. Wir können die Globalisierung ja nicht verleugnen, das kann auch die IG Metall mit ihren roten Fahnen ja nicht wegwehen, oder mit Sprüchen irgendwie zudecken.

In der Welt leben wir und bei jeder Überlegung, ich bin ja operativ tätiger Unternehmer, wo fertige ich was, das ist ja meine wöchentliche, oder tägliche Überlegung, gehe ich nach Polen, ich bin zum Beispiel übermorgen in Polen, da habe ich ein Fertigungswerk, und da geht es halt drum, was mache ich in Gaggenau, da ist mein Urwerk, oder was verlagere ich nach Polen. Und dort habe ich natürlich völlig andere Lohnverhältnisse. Und ich bin aber eigentlich derjenige, der sagt, so viel wie möglich in Deutschland natürlich Arbeitsplätze erhalten, das ist ja auch unser Slogan dieses Jahr: "Arbeit in Deutschland halten". Ich gehe ja noch einen Schritt weiter und sage, wir müssen versuchen Arbeit in Deutschland aufzubauen. Und deswegen dieses Modell.

Sagenschneider: Muss man in dieser Woche noch eine Einigung finden, weil sonst klar ist, dass ein Streik kommen wird?

Zwiebelhofer: Also zunächst mal ist überhaupt nicht klar, dass ein Streik kommen wird, denn da muss zuerst einmal eine Urabstimmung stattfinden.

Sagenschneider: Nun ja, aber man hat ja gesehen, die Warnstreiks waren zahlreich, die Beteiligung hoch. Das deutet ja schon darauf hin, dass die Streikbereitschaft auch nicht ohne ist.

Zwiebelhofer: Ja, das ist richtig. Ja, gut. Aber ich meine, die Leute sind ja oft gar nicht informiert über die Zusammenhänge. Die sehen einfach, dass es ein paar Firmen, gerade in Dax-Firmen, sehr gut geht, das ist auch erfreulich, erfreulich ist ja auch, dass die Ergebnisse insgesamt in der Branche bei 2,7 Prozent liegen, aber das ist ja nicht eine Versicherung auf die Zukunft. Wir müssen ja auch dieses langfristig sehen. Wir wollen ja eigentlich auch einen langfristigen Vertrag haben. Das heißt ja nicht nur zwölf Monate, denn dann würde man ja schon wieder bald anfangen wieder zu verhandeln, nicht. Wir haben ja vorgeschlagen, dass wir einen 24-Monate-Vertrag verhandeln, und da tut sich auch die IG Metall irgendwie im Moment noch sehr dagegen aussprechen.

Sagenschneider: Wie schätzen Sie das denn ein, Herr Zwiebelhofer, wird es in dieser Woche zu einer Einigung, wird es möglich sein?

Zwiebelhofer: Diese Woche?

Sagenschneider: Ja.

Zwiebelhofer: Also, in der Tarifpolitik ist ja fast alles möglich, gell. Also es kann heute eine Einigung geben, es kann am Freitag vielleicht eine Einigung geben, es kann aber auch am Montag nächste Woche eine Einigung geben oder an die Wand fahren, das ist auch möglich, nicht. Das ist ja das spannende an der Tarifpolitik, das man ja nie weiß, wie es letztlich ausgeht.

Sagenschneider: Otmar Zwiebelhofer, der Vize-Präsident von Gesamtmetall im Gespräch Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen.
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