Das Jahr 1914 stand im Raum

Von Ursula Welter |
Es brauchte zwölf Wahlgänge, und es war knapp: sechs zu vier Stimmen. Doch dann war Pierre Lemaitre mit seinem Buch "Auf ein Wiedersehen, dort oben" ausgezeichnet mit dem begehrtesten Literaturpreis Frankreichs. Das Thema: der Erste Weltkrieg.
Jedes Jahr im November die gleichen Szenen.

Heute rief die Medienmeute Pierre Lemaitre zu, er möge das Buch hochhalten, das, so will es die Tradition, um viertel vor eins mit dem wohl begehrtesten französischen Literaturpreis ausgezeichnet wurde – "Au revoir - là-haut" "Auf ein Wiedersehen – dort oben".

Noch trägt das Buch nicht die rote Binde, die es nun tragen darf, dafür hat sich das Leben des Autors, Jahrgang 1951, bereits verändert.

Er habe noch nie so viele Kameras, so viele Fotografen gesehen. Zu Fuß war Pierre Lemaitre ins Restaurant "Drouant" gekommen, das zwischen Louvre und alter Oper liegt, und in dem seit 1914 die Jury wöchentlich speist, um immer im November den Preisträger zu küren.

Heute brauchte es zwölf Wahlgänge und es war knapp, sechs zu vier Stimmen. Aber das Datum "1914" stand irgendwie im Raum. Frankreich bereitet sich auf die Feierlichkeiten zum Gedenken an den Ersten Weltkrieg intensiv vor. Dass heute ein Kriegsroman ausgesucht wurde, war auch deshalb keine Überraschung. "Auf ein Wiedersehen, dort oben" erzählt die Geschichte zweier Poilus, die das Schlachten des "Großen Krieges", wie er in Frankreich heißt, überlebt haben, und die zurückfinden wollen ins wirkliche Leben. Der eine, Albert, eher ein Prolet, der andere , Edouard, ein Homosexueller, das ungeliebte Kind eines autoritären Bankers. Edouard hatte eine Granate das Gesicht zerrissen, als er versuchte, Albert zu schützen.

Beide eint nach dem Waffenstillstand der Wunsch, die Überlebenden des Krieges hochleben zu lassen, sie schwindeln dabei und werden beschwindelt, ein Bild der französischen Gesellschaft, die in jedem Dorf Denkmäler errichtet für die Toten, aber außerstande ist, die Millionen schlachtfeldgeschädigten Überlebenden zu integrieren.

"Als Krimiautor, der ich ursprünglich bin, war ich sicher kein natürlicher Kandidat für diesen Preis"," sagt Pierre Lemaitre, ""Ich freue mich deshalb für die ganze Branche, denn damit ist das Signal gegeben, dass auch Krimiautoren Schriftsteller sind."

Lemaitres Roman ist kein historischer Schinken, sondern ein Publikumserfolg. Sein Verlag "Albin-Michel", von dem es im Pariser Literaturbetrieb heißt, er sei nach vielen Jahren mal wieder an der Reihe gewesen, den Prix Goncourt zu bekommen, Lemaitres Verlag also , konnte sich schon vor der Auszeichnung über gut 100.000 verkaufte Exemplare freuen.

Pierre Lemaitre ist Autodidakt, sagt von sich selbst, dass er gerne Spaß habe , und dass für ihn das ideale Buch eine Geschichte , erdacht von Dumas sei, die Tolstoi aufschreibe.

Lemaitres Eltern waren einfache Leute, er wuchs in der Banlieue auf ,und als in Frankreich in den fünfziger Jahren die Taschenbücher auf den Markt kamen, die "Livres de poche", kaufte seine Mutter jeden neuen Roman, er könne bis heute die Titel der einhundert ersten Exemplare auswendig, vertraut der frischgebackene Goncourt-Preisträger den Journalisten von "Le Monde" an.

Und hält seinen ganze Stolz in die Höhe, den traditionellen Scheck von 10 Euro, der natürlich nicht zur Bank gebracht und eingelöst wird, sondern in den Rahmen kommt.
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