Fehlende Lehrer und Ansturm auf Studienplätze
Beratungsangebote oder schnellerer Bafög-Zugang: Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) sorgte 2015 für einen besseren Zugang von Flüchtlingen zum Studium. Auch 2016 wird sich Wanka mit dem Thema Flüchtlinge und Bildung auseinandersetzen müssen – sowie mit anderen Großprojekten.
Eigentlich sah es zu Beginn des Jahres so aus, als gebe es bildungspolitisch, zumindest was den Bund angeht, nicht mehr viel zu tun. Das Kooperationsverbot in der Wissenschaft war gefallen – und damit das größte Hindernis für eine Mitwirkung des Bundes bei der Förderung von Hochschulen und Forschung. Dafür hatte der Bund den Ländern komplett die Ausbildungsförderung Bafög abgenommen. 1,8 Milliarden Euro sind so seit 2015 in den Ländern jedes Jahr frei für andere Bildungsaufgaben. Ein Erfolg für Bundesbildungsministerin Johanna Wanka – auch wenn so mancher politische Akteur von CDU und SPD die Lorbeeren eher für sich selbst verbuchen würde.
Aber in der Bildungspolitik wird eben vieles an anderer Stelle entschieden: In den Fraktionsspitzen und von den Ministerpräsidenten der Länder. Das wird Wanka oft als Schwäche ausgelegt. Doch die frühere Wissenschaftsministerin in Brandenburg und Niedersachsen kennt auch die Landesseite gut, sie steht im Stoff und hat sich als durchaus kluge Mittlerin und Strippenzieherin erwiesen. Anfang 2015 stand sie sozusagen im Zenit der Macht einer Bundesbildungsministerin. Die neuen Gestaltungsspielräume nutzen, ein bisschen mehr für den wissenschaftlichen Nachwuchs tun, Befristungen eindämmen, Karrieren für junge Wissenschaftler attraktiver machen, das stand für 2015 auf dem Plan.
Wanka reagierte mit Verzögerung
Doch dann kamen die Flüchtlinge, Bildung wurde von der großen Politik als Schlüssel zur Integration definiert. Und Wanka geriet in die Defensive. Sie reagierte mit Verzögerung, verwies auf bestehende Programme zur Alphabetisierung und Leseförderung, sowie auf Apps, mit denen Flüchtlinge auf ihren Smartphones selber Deutsch lernen könnten. Zu wenig, befanden Kritiker wie der SPD-Haushälter Swen Schulz:
"Ich habe den Eindruck, in der Debatte kommen sehr viele Themen vor, werden viele Dinge angesprochen, und auch mehrere Bundesministerien sind immer wieder im Gespräch, aber das Bundesministerium für Bildung und Forschung eigentlich eher wenig. Ich finde, es hieße, das Ressort unter Wert zu behandeln, wenn man es in der Flüchtlingsfrage außen vor ließe."
Mittlerweile hat Wanka ihre Hausaufgaben gemacht. Sie sorgte für schnelleren Bafög-Zugang für studierwillige Flüchtlinge, der Bund finanziert zusätzliche Plätze am Studienkolleg, stellt Beratungsangebote zur Verfügung, die Anerkennung von Qualifikationen und Fähigkeiten soll formloser werden.
Forderungen nach Aufstockung des Hochschulpakts
Doch ausreichen wird das nicht. Die Länder, die für die Schulen zuständig sind, stehen vor großen Herausforderungen. Mit 300.000 zusätzlichen Kindern und Jugendlichen wird gerechnet, sie brauchen Kita-Plätze, müssen beschult oder in eine Berufsausbildung gebracht werden. 20.000 zusätzliche Lehrer würden gebraucht – mindestens. Die Länder haben mit Müh' und Not gerade einmal 7800 neue Stellen für 2016 in Aussicht gestellt. Philologenverbands-Chef Heinz-Peter Meidinger sieht die Lage mit Bauchschmerzen:
"Wir fahren total auf Sicht, denn wir wissen ja, dass wir nächstes Jahr wieder, ich sag jetzt nicht mehr 300.000, sondern ich sag mal 150.000 Flüchtlingskinder in Deutschland mehr haben werden."
Doch dem Ansinnen der SPD, angesichts der vielen Flüchtlinge den nationalen Notstand in der Bildung auszurufen und ein Ende des Kooperationsverbotes auch für die Schulen zu fordern, erteilte Wanka eine Absage. Eine Mehrheit würde sich unter den Ländern dafür ohnehin nicht finden – noch nicht. Doch sich als nicht-zuständig zurücklehnen wird Wanka dennoch nicht können – dafür ist die Aufgabe zu groß.
Und noch andere Großprojekte stehen an. Die Exzellenzinitiative, mit der Bund und Länder zeitlich begrenzt Wettbewerb und Spitzenforschung an den Hochschulen fördern, kommt auf den Prüfstand. Und, anders als erwartet lässt der Ansturm der jungen Leute auf die Hochschulen nicht nach. Schon kommen Stimmen auf, die fordern, dass der Hochschulpakt, mit dem Bund und Länder den Universitäten angesichts der steigenden Studienanfänger aushelfen, noch einmal aufgestockt werden muss.