Einer deutsch-jüdischen Institution droht das Aus
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Das Jeckes-Museum dokumentiert das Leben der rund 80.000 deutschsprachigen Jüdinnen und Juden Israels, der Jeckes. Es besitzt einzigartige Exponate. Nun steht dieses "Museum deutsches Judentum" im Norden Israels vor dem Aus. Es fehlt das Geld.
Das "Museum des deutschsprachigen Judentums" entstand durch ein Missverständnis und ein Gedicht. 1970 nahm der pensionierte Lehrer Israel Shiloni an einer Tagung über die Geschichte der mitteleuropäischen Juden teil. In der Einladung stand, dass alle Vorträge auch ins Englische und Hebräische übersetzt werden würden.
Die zahlreichen Jeckes, die extra dafür nach Jerusalem reisten, nahmen an, dass die Vorträge in deutscher Sprache gehalten werden. Aber die Konferenz begann mit der kleinen "Berichtigung": Die hebräischen Vorträge sollten ins Englische übersetzt und alle englischen ins Hebräische, erzählte Shiloni in einem Dokumentarfilm des Jeckes-Museums:
"Natürlich war dieses großartige Publikum zutiefst enttäuscht. Aber man saß da mit jeckischer Treue: Man kann ja nicht aufstehen und weggehen. Und etwas hat man ja auch verstanden: Ich sah mir das herrliche Publikum an, diese kultivierten Jeckes, die früher viel Geld hatten und vor allem Bildung, Erziehung und gute Manieren. Alle waren so korrekt angezogen und ihnen war die Kultur regelrecht ins Gesicht geschrieben – dazu noch ein solcher Ernst. Plötzlich erinnerte ich mich an einen Vers des deutschen Dichters Rilke: 'Wenn eine Zeit noch einmal ihren Wert, da sie sich enden will, zusammenfasst.'"
Vom Kibbutz im Jordantal nach Nahariya
Shiloni beschloss sofort, das Schaffen dieser Jeckes zu dokumentieren und zwar in der einzigen Stadt der Welt, die von ihnen gegründet wurde: Nahariya. Dort im Norden Israels wohnte auch er.
Israel Shiloni wurde in Berlin als Hans-Herbert Hammerstein geboren. Dessen Familie wurde von den Nationalsozialisten ermordet. Für den Berliner Historiker Gideon Botsch, dessen Familie aus Nahariya stammt, war Shiloni ein Familienfreund. Die Shilonis wohnten im Kibbutz Beth Sera:
"Im Kibbutz hat er sich dann, wie viele dieser Einwanderer, gegen Kontakte mit Deutschland gesträubt - über lange Jahre. Er hat sich dann überzeugen lassen, weil er auch Leute aus der jüngeren Generation kennenlernte, dass man mit diesen jüngeren Deutschen etwas anfangen kann und wollte das dann auch unterstützen. Daraufhin sind ihm von Kibbutzniks die Scheiben eingeschmissen worden. Also fort! So hat er mir das erzählt. Dann hat er sofort die Sachen gepackt und ist nach Nahariya in die Jeckes-Stadt raus. Dort hat er sich für den deutsch-israelischen Austausch stark gemacht. Und dann hat er als Altershobby begonnen, dieses Museum aufzubauen".
Die Bilder an der Wand wurden aus Büchern ausgeschnitten
Das Museum im Rathaus von Nahariya betrieb der Autodidakt Israel Shiloni ehrenamtlich und eigenwillig. Gideon Botsch:
"Das war alles handgemacht. Er hat Bücher genommen, also er hat von den alten Jeckes die Bücher geschenkt bekommen. Er hatte eine unglaubliche Bibliothek und viele Sachen doppelt, die heute große Wertgegenstände sind und hat die dann sozusagen als das Bewahren des jüdischen Kulturerbes aufgestellt. Er hatte in den Büchern immer angestrichen, wer Jude oder jüdischer Herkunft war. Die Namen waren immer unterstrichen. Dann hatte er aus diesen Büchern Bilder ausgeschnitten, auf Pappkarton geklebt und an die Wand gemacht.
In den einzelnen Themengruppen waren die Bücher sortiert nach Geburtsdatum des Autors. Das wusste natürlich nur Shiloni in seinem Kopf, ob jetzt Börne zwei Jahre vor Heine oder nach Heine geboren ist". Übirgens: Der deutsch-jüdische Journalist und Kritiker Carl Ludwig Börne wurde 1786, ein Jahr vor dem Dichter Heinrich Heine geboren.
Von der erster Rettung zur Wellblechhütte mit Nachttopf und Spitzengardinen
1991 erkrankte Israel Shilonis Frau und er kümmerte sich lieber um sie als um das Museum. Um dieses nicht schließen zu müssen, fragten seine Kinder vergeblich bei anderen Institutionen nach Unterstützung bei der Übernahme. Schließlich erfuhr der Unternehmer und Mäzen Stef Wertheimer davon. Der aus dem badischen Kippenheim stammende Jecke beschloss, das Museum in sein Offenes Museum Tefen zu integrieren. Kunst und Kultur sollten das Interesse für seinen angrenzenden Industriepark wecken.
Als Ruthi Ofek für ein Bewerbungsgespräch zu Wertheimer ging, fragte er die Kunst- und Museumsexpertin nur, ob sie gut Deutsch sprechen könne. So stellte er die aus Salzburg stammende Ruthi Ofek ein. Seitdem organisierte sie auf 400 Quadratmeter ein professionelles Museum. Sie hat sogar ein Lieblingsexponat:
"Was wir wirklich interessantes haben, ist eine von den ersten Hütten in Nahariya. Wir haben eine originale Hütte von der Weitzmannstraße Nr. 2 ganz eingerichtet mit der Küch - mit keinem Kühlschrank, sondern einem Eisschrank, wie es damals war. Ein einfaches Bett, einen Nachttopf. Alles ist so, wie es einmal war. Was erinnert an Deutschland in dieser kleinen Hütte? - Die Bücher, das sind Goethe, Schiller usw., Heine. Auch die Spitzengardinen? - Auch!"
In solchen Wellblechhütten mussten damals sogar Industrielle, Händler und Architekten wohnen. Dennoch waren die Jeckes froh, Zuflucht vor den Nazis gefunden zu haben.
Der Begriff beschreibt heutzutage eine Tugend
In Israel galten die Deutschen als Jeckes. Für den Ursprung des Begriffs gibt es einige Erklärungen.
"Es kann die kurze Jacke sein, das Jackett, das die deutschen Juden getragen haben. Es kann auch sein vom Wort 'Jeck' vom Rheinland, das man sagt, ein Jecke ist ein Komischer."
Früher war das Wort "Jecke" in Israel ein Schimpfwort. Deswegen weigerte sich Shiloni, sein Museum Jeckes-Museum zu nennen. Im heutigen Israel ist das Wort "Jecke" eher eine Tugend.
Immer mehr junge Israelis lernen Deutsch und interessieren sich für die Jeckes. Das Museum organisierte in Kooperation mit der Jeckes-Organisation, der Vereinigung der Israelis mitteleuropäischer Herkunft, regelmäßige Familientreffen, zu denen bis zu 10.000 Menschen kamen. 2012 veröffentlichte es auch das Buch "Deutsch des Landes Israel", im Original "Milon Ben Yehuda Straße": "Das war ein Bestseller!"
Es mangelt an der Finanzierung
Elieser Ben Yehuda war einer der Erneuerer des modernen Hebräisch. Im Buch "Deutsch des Landes Israel" stehen deutsche Wörter und Begriffe, die ins Hebräische eingeflossen sind, zum Beispiel "Klapptisch", "Kurzschluss", "Schlafstunde" und "Zimmer" für eine Ferienwohnung.
Diese Kultur soll gerettet werden. Das Jeckes-Museum soll ins Hecht Museum der Universität Haifa integriert werden, sobald die Finanzierung für die kommenden zehn Jahre gesichert ist. An den Rettungsaktionen ist auch Stefan Ihrig beteiligt, der Leiter des Zentrums für Deutschland- und Europastudien an der Universität Haifa:
"Öffentliche Universitäten sind vom Budget her recht eng aufgestellt. Wir reden jetzt von diesen zehn Jahren, damit wir eine Spanne haben, in der wir das auch wissenschaftlich vertiefen können, richtig aufbauen können. Wir suchen jetzt Partner für die Langfristigkeit eher – das sind auf zehn Jahre so viereinhalb Millionen Euro, die das kosten wird. Uns fehlen noch circa dreieinhalb Millionen Euro. Jetzt ist es sehr dringend, also wir haben eigentlich nur noch bis Ende März, Anfang April, um eine langfristige Unterstützung zu sichern".