Axel Ranisch inszeniert Christine Nöstlinger
Axel Ranisch hat sein Publikum mit Filmen gerührt, dessen Helden alles andere als perfekt sind. Nun hat er sich ans Kindertheater gewagt. Und bringt mit Christine Nöstlingers "Konrad oder das Kind aus der Konservendose" eine Figur auf der Bühne, mit der er sich gut identifizieren kann.
Vorhang auf für Frau Bartolottis Hippie-Wohnzimmer, in dem sich die Pakete stapeln, denn Frau Bartolotti , genannt Berti, hat einen Bestelltick. Nur dass sie sich gar nicht erinnern kann, die große Tonne, die der Postbote diesmal herankarrt, im Shopping-Kanal gekauft zu haben.
"Wir beglückwünschen Sie herzlich zum Erwerb Ihres Konrads… Das ist nicht die Creme, aber was ist es dann?"
Konrad, ein Androide, Typ "braver Junge mit perfektem Body Mass Index" und genauso perfekten Umgangsformen: "Wo kann ich denn spielen? ... In welcher Ecke störe ich denn am wenigsten?"
Trotzdem sorgt das Roboterkind Konrad für erhebliche Störungen. Frau Berti muss Verantwortung für ihren Sohn übernehmen, gemeinsam mit ihrem Freund, dem im Gegensatz zu ihr überaus korrekten Herrn Egon. Christine Nöstlinger erzählt vom Konservenkind Konrad, 40 Jahre vor der gegenwärtigen Diskussion um Künstliche Intelligenz.
Brave Kinder können einsam sein
Aber noch mehr als aktuelle Mensch-Maschine-Szenarien, interessiert Ranisch die moderne Beziehungswelt der realen störanfälligen Menschen. Berti und Herr Egon müssen mit einem Mal gemeinsam Eltern-Verantwortung lernen und Konrad muss lernen, dass brave Kinder ganz schön einsam sein können.
Axel Ranisch: "Er denkt , dass er es richtig macht. Aber richtig ist ja nicht immer richtig. Zum Beispiel wollte der Michi vom Konrad abschreiben, aber der Konrad hat ihn nicht gelassen. Dafür hat ihn die ganze Klasse gehasst. Petzer , Streber, Einsenschreiber! Wie ist das, wenn man in der Schule ein Außenseiter ist, wenn man gehänselt wird? Wie ist das, wenn man anders ist ? Das sind auch viele Themen, die berühren auch mich."
Wie viel "Konrad" steckt in Axel Ranisch?
Ranisch: "Es gibt durchaus Parallelen, mit denen ich mich mit der Hauptfigur verbinden kann."
Abgesehen von der Konfektionsgröße: "Ich war immer sehr moppelig als kleiner Junge und ich war ein Klassik-Nerd. Ist doch sch… wenn man Tschaikowsky mag. In der Grundschule ist man doch wie so ein Außerirdischer. Wenn die Kinder hier in dem Theaterstück dem Konrad den Schulranzen vom Rücken reißen und drauf spucken. So was hat man mit mir auch gemacht."
Das dicke Kind Axel rettete sich, indem er quasi Theater spielte: "Hab' mehrfach die Schule gewechselt, und in der einen Schule habe ich mich dann gleich als Karl-Heinz vorgestellt, hatte dann so 'ne Weste an und 'ne Schiebermütze , hab' sicherlich ganz bescheuert ausgesehen. Und hab' behauptet , ich bin jemand anderes als der, der ich bin. Und hinterher hab ich kapiert, dass ich das gemacht hab, damit Angriffe von Mitschülern nicht mich treffen, sondern die Figur, die ich mir ausgedacht hab'."
Konrad machen seine Defekte liebenswert
Rollenspiel als Überlebensstrategie. Das lernt auch das Roboterkind Konrad: Als der Firmenvertreter ihn, das falsch ausgelieferte Produkt, wieder abholen will, veranstaltet er mit seiner neuen Familie ein wahres Chaostheater:
"Du bist dazu da, Deine Eltern glücklich zu machen, dafür haben wir Dich geschaffen, um Menschen glücklich zu machen!"
"Der Konrad hat aber gar nicht alle glücklich gemacht!"
"Genau, seitdem es mich gibt, streiten sich meine Eltern nur noch. Die Kitti hat gar keine Freunde wegen mir. Mein Vater muss unglaublich viel Geld bezahlen. Meine Mama steht jeden Morgen früh auf, und ich nerve die. Wahrscheinlich bin ich defekt!"
Aber genau das macht Konrad so liebenswert,"You can't always get what you want" - du bekommt nicht immer, was du willst, sangen einst die Rolling Stones, "aber vielleicht findest du, was du brauchst". Axel Ranischs Helden auf der Leinwand und auf der Bühne sind alles andere als perfekt, aber am Ende bekommen sie, das was uns allen am meisten fehlt.
"Wie die sich aufgeführt haben.. wahrscheinlich die lieben sich... ja ekelhaft, dagegen sind wir machtlos."
(Online-Fassung: ske)