Hanif Kureishi: Das letzte Wort
Aus dem Amerikanischen von Henning Ahrens
S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2015
335 Seiten, 19,99 Euro
Schmutzige Geheimnisse eines sexbesessenen Autors
Ein junger Journalist soll eine Enthüllungsbiografie über einen alternden, ebenso sexistischen wie rassistischen Autor schreiben, um das Interesse an dessen Werk anzukurbeln. Hanif Kureishi gelingt mit "Das letzte Wort" eine scharfzüngige Abrechnung mit dem Biografenwahn.
Wenn ein Egomane einen anderen beschreibt, dann fliegen die Fetzen. Genau das ist der Fall bei Hanif Kureishis jüngstem Roman "Das letzte Wort". Der britische Autor, der sich trotz großer Erfolge stets als unterbewertet fühlte, hat in leicht verschlüsselter Form einen anderen Schriftsteller porträtiert, der ebenfalls trotz zahlreicher Lobeshymnen immer unzufrieden mit seiner Rezeption war. Gemeint ist der britische Nobelpreisträger indisch V.S. Naipaul mit karibisch-indischen Wurzeln.
Im Roman wird der junge Journalist Harry von einem Verleger angeheuert, die Biografie des aus Indien stammenden Schriftstellers Mamoon zu schreiben. Der ist inzwischen 70, lebt zurückgezogen auf dem Land mit seiner zweiten Frau Liana und leidet unter Geldnot. Eine Biografie, so erhofft sich zumindest seine Frau, soll das Interesse an seinem Werk erneut ankurbeln und frische Tantiemen ins Haus bringen. Allerdings möchte Harrys Verleger eine "Hardcore-Biographie", die die schmutzigen Geheimnisse des berühmten Autors enthüllt – mit dessen Zustimmung. Für den unerfahrenen Harry eine Drahtseilakt. Er soll dem mürrischen Schriftsteller Geständnisse entlocken, darf ihn aber nie so verärgern, dass er die Veröffentlichung ablehnt.
Orientierung an der Biografie Naipauls
Die Rohdaten für Mamoons Leben hat sich Hanif Kureishi aus einer 2008 erschienenen Biografie Naipauls herausgepickt. Sie ähneln sich im Aussehen, gingen beide zum Studium nach England, blieben, begannen zu schreiben, hatten frühzeitig Erfolg, verloren die erste Frau an Krebs, sind mit einer jüngeren Frau neu verheiratet und führen ein Eremitenleben auf den Land. Sie gleichen sich auch im Temperament. So provoziert Mamoon gerne, ist bewusst verletzend, bisweilen bösartig, sexistisch, rassistisch, extrem konservativ. Er putzt seinen jungen Biografen regelmäßig runter. Mamoon ist ein Misanthrop, aber er gehört zu jenen genialen Künstlern, die "ihren Schabernack trieben und die Dinge mit dem Löffel der Wahrheit und den Rauchmitteln der Fantasie und Magie aufrührten."
Hanif Kureishi, inzwischen 60, hat hier wohl auch eigene Erfahrungen und Verletzungen mit eingearbeitet. Ihn verbindet mit dem berühmten Romanvorbild zudem die Besessenheit für Sex. Laut Biografie hatte Naipaul so manche heftige Affäre, Sadomaso-Techniken eingeschlossen. Eben dies erfährt auch Harry über Mamoon von dessen früherer amerikanischen Freundin. Der ganze Roman strotzt vor sexuellen Schimpfworten und Beleidigungen getreu der Ansicht des Romanschriftstellers. "Alles Gute bedarf einer Prise Pornographie, wenn nicht gar Perversion." Die rüde Sexsprache geht einem beim Lesen mit der Zeit auf die Nerven. Zudem ist sie überflüssig, denn der Kampf zwischen dem jungen Biografen, der unbedingt Erfolg haben möchte und dem alten Schriftsteller, dem die ganze Geschichte auf die Nerven geht, ist durchaus gut beobachtet und witzig beschrieben. Eine scharfzüngige Abrechnung mit dem Biografenwahn, der derzeit kursiert. Man langweilt sich jedenfalls so gut wie nie. Das Happy-End allerdings hätte sich Hanif Kureishi sparen können.