"Das Mädchen und der Tod"

Von Hans-Ulrich Pönack · 15.05.2013
Mit großartigen Bildern und sanftem schwarzen Humor hat Jos Stelling "Das Mädchen und der Tod" inszeniert. In dem Liebesfilm mit einem Hauch von Shakespeare brilliert Dieter Hallervorden als greiser Graf, der den Gefühlen eines jungen Paares im Weg steht.
Wir müssen unbedingt unseren Sehschalter im Kopf umpolen. Hier. Umdrehen. Sonst ist dieser holländische Überraschungsstreich nicht zu goutieren. Zu genießen. Dabei lockt schon der Name des niederländischen Coautors und Regisseurs: Der am 16. Juli 1945 in Utrecht geborene Konditorsohn Jos Stelling ist auch hierzulande unvergessen mit seinen zwei cineastischen Meisterstücken "Der Illusionist" und "Der Weichensteller". In diesen beiden Filmen zeigt sich besonders seine einzigartige Kunst der faszinierenden Wortlosigkeit. Die komischen Figuren in seinen Geschichten werden ausführlich beobachtet und drücken sich mehr über ihre Mimik als durch Worte aus. Ähnlich wunderbar auch hier.

Die Zeit(en): im ausgehenden 19. Jahrhundert. Der Ort: Tannenberg in Sachsen. Die Gedanken: Ausgehend von einem alten Band mit Gedichten des russischen Nationaldichters Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799 – 1837), in denen es um die ewige menschliche vergebliche Träumerei geht: "Liebe zerstört alles; sie ist eine Illusion". Der Ort: Ein abgelegenes verruchtes Hotel, in dem der junge Russe Nicolai Unterschlupf für eine Nacht begehrt. Nicolai befindet sich eigentlich auf der Durchreise nach Paris, wo er Medizin studieren will. Als er Elise begegnet, ist es um ihn geschehen. Aber Elise ist nicht frei, sie "gehört" dem Besitzer, einem greisen Grafen (sensationell: Dieter Hallervorden), der mit dem Geld. Dreimal wird Nicolai schließlich wieder hierher zurückkehren, um Elise "zu befreien".

Bizarre Maskerade und kauzige Figuren
Gefühle und Schicksal. In einem bizarren (Horror-)Gebäude, wo sich eine kauzige Figurenbande zusammengefunden hat. Als Knechte. Lakaien. Dienerschaft. Kurtisanen. Buckelnd vor dem, der bezahlt. Eindringlinge werden nicht geduldet. Doch als Nicolai auftaucht, wird es brenzlig. Hat die wahre Liebe etwa doch eine Chance, wenn man so unermüdlich ausdauernd auftritt wie Nicolai, der seine "Julia" als Elise gefunden hat?

Diese Bilder! Bilder, die bisweilen in ihrer bizarren Maskerade an Stanley Kubrick ("Barry Lyndon") erinnern. "Das Mädchen und der Tod" ist körpersprachlich intensiv. In einem stimmigen, stimmungsvoll-schelmischen Rhythmus zwischen Donner, Träumerei und Melancholie.

Ein grandioser Film mit großartigen Seelenbildern und mit diesen sanften schwarzhumorigen Poesiepointen. Der 28-jährige russische Schauspieler Leonid Bichevin fightet als Don Quichotte den unermüdlichen, windmühlenartigen Gefühlskampf seines Lebens. Die Niederländerin Sylvia Hoeks bemüht sich nach schönen Kräften, seine Dulcinea zu werden. Und unserem Dieter Hallervorden obliegt es, den zerstörerischen König grandios vorzugiften. Jos Stelling, dessen vorletzter Film "Duska" (2007) uns nicht erreichte, präsentiert sich jetzt mit einer erlesenen, schwarz-amüsanten kleinen Magie des Scheiterns. Mit einem Hauch von Shakespeare in der menschlichen Wildnis. Köstlich. Zum Denken und Fühlen.

Niederlande, Russland, Deutschland 2012 - Regie: Jos Stelling, Darsteller: Sylvia Hoeks, Dieter Hallervorden, Maxim Kovalevski, ab 12 Jahren, 122 Minuten

Filminfo - "Das Mädchen und der Tod"