Das Märchen vom großen Unterschied der Geschlechter
Mit ihrem Roman "Was ich liebte" und dem Sachbuch "Die zitternde Frau" hat sie sich in die Bestsellerlisten und heraus aus dem Schatten ihres Mannes Paul Auster geschrieben. Jetzt legt die US-Amerikanerin Siri Hustvedt nach: "Der Sommer ohne Männer" - ein Roman über eine Ehekrise.
"Eine Weile nachdem er das Wort Pause ausgesprochen hatte, drehte ich durch und landete im Krankenhaus."
Siri Hustvedt las im ausverkauften, fast ausschließlich von Frauen besuchten Berliner Kino Babylon aus ihrem neuen Buch. Darin erfährt die New Yorker Dichterin Mia nach dreißig Jahren Ehe von ihrem Mann, dass er eine Beziehung mit einer zwanzig Jahre jüngeren Französin angefangen habe und deshalb eine Pause von seiner Frau wolle. Der Roman einer Ehekrise, inspiriert durch reale Geschichten von Siri Hustvedts Bekannten:
"Von Männern, die plötzlich, abrupt, ohne auch nur ein Wort zu sagen, ihre Frauen für andere Frauen verlassen haben. Ohne jegliches Gespräch! Das finde ich einfach erstaunlich. So fängt doch Literatur an, dass man plötzlich stutzt und sagt: 'Wow! Wie konnte das passieren?! Was geht da im Kopf ab?' Ich habe von Männern gehört, die das Haus verlassen haben, um Zigaretten zu holen, und nie wieder zurückgekommen sind. Dieses Territorium wollte ich ausloten, dieses dialoglose Territorium."
Mia reagiert auf die Dialogverweigerung ihres Mannes mit einer schweren Depression, gibt nach einem Klinikaufenthalt schließlich in ihrer Heimatstadt in Minnesota Schreibkurse für Mädchen, verbringt dort Zeit mit ihrer Mutter und deren Freundinnen aus einem Altenheim. Dieser Sommer ohne Männer und mit viel Nachdenken über sie wandelt Mias Wut in Lebensfreude. Was anfangs nur als die Geschichte einer Ehekrise erscheint, entpuppt sich schnell als ein Generationen übergreifendes Porträt, ein tiefsinniges, aber leichtfüßiges Sinnieren über Fragen wie: Warum erscheint uns der eigene Partner manchmal als beängstigend fremd? Und wieso empfinden einige Männer die Frau an sich als derart anders, dass sie ihr die gleichen Rechte absprechen?
"Wie konnte das passieren? Dass Frauen Jahrhundert um Jahrhundert unterdrückt wurden, wenn man mal von einigen Stämmen absieht. Erst seit 1920, seit nicht einmal hundert Jahren, dürfen Frauen in den USA wählen. Sehr lange hat man doch den Intellekt mit Männlichkeit verbunden. Und noch immer scheint manch einer intellektuelle Frauen als bedrohlich zu empfinden. Das ist eine alte Geschichte."
Dem Publikum der Berliner Lesung dürfte schnell klar geworden sein: Siri Hustvedt ist eine viel zu kluge Autorin, um in die Klischeefalle zu tappen. Vielmehr entlarvt sie im Gewand ihrer Erzählerin Mia unterhaltsam die vorgefertigten Meinungen jener Menschen, die den Unterschied zwischen Mann und Frau größer machen, als er in Wirklichkeit ist. Über die einstige Vorstellung gewisser Mediziner, Frauen sollten lieber nicht denken, weil das die Eierstöcke schrumpfen lasse, hat das Publikum laut gelacht. Ebenso darüber, dass der Ich-Erzählerin Mia zufolge auch noch Wissenschaftler von heute, meist Männer, glauben, eine Frau könne zwar einen Orgasmus haben, aber im Tierreich gebe es so etwas bei Weibchen nicht. Genau das hörte Siri Hustvedt, als sie selbst an einer Diskussionsrunde von Neurowissenschaftlern und Psychiatern teilnahm:
"Ich sagte so etwas wie: 'Das kann doch nicht sein! Das macht doch - biologisch gesehen - keinen Sinn!' Aber die Männer waren felsenfest davon überzeugt: Weibchen im Tierreich haben keinen Orgasmus. Das hat mich so aufgewühlt, da habe ich selbst Fachliteratur zum Thema gelesen. Mit dem Ergebnis: Es stimmt einfach nicht. Es ist doch erstaunlich, dass all diese angesehenen Neurowissenschaftler sich so leicht einer Meinung anschließen, die in Wirklichkeit ein Märchen ist. Bei dem Thema meines Buchs habe ich also die Gelegenheit genutzt, um etwas von dieser schlechten Wissenschaft zu korrigieren."
Siri Hustvedt versteht es in ihrem Roman "Der Sommer ohne Männer", ein ernstes Thema wie die Ehekrise leicht, aber gerade nicht oberflächlich anzugehen. Sie spürt grundlegenden Fragen in einer unprätentiösen Sprache nach, die einen feinen Humor transportiert. So entlädt die Nebenfigur Abigail, eine Frau aus dem Altenheim, ihre Wut über Männer in heimlichen Stickereien. Auf einer sieht man eine Frau in High Heels, die mit einem Riesenstaubsauger den Männern den Kampf ansagt. Zitat aus dem Buch:
"Das Haushaltsgerät war damit beschäftigt, eine Miniaturstadt aufzusaugen. Ich betrachtete eingehend die beiden Beine eines winzigen Mannes, die aus dem Unterteil ragten, und die Haare eines anderen, der mit schreckgeweitetem Mund vom Luftstrom nach oben gezerrt wurde."
Die 500 Zuhörer waren sichtlich amüsiert und angetan von Siri Hustvedts Ausführungen und den gelesenen Passagen aus "Der Sommer ohne Männer". Einem Buch, das gerade keine platte Abrechnung mit dem männlichen Geschlecht ist, wie der Titel zu Unrecht suggerieren könnte, sondern ein ebenso kluger wie komischer Roman über eine Ehekrise. Allerdings kein autobiographisches Buch, erfuhr das Publikum, als Moderator Bernhard Robben die Frage wagte, ob denn bei Siri Hustvedt und Paul Auster zu Hause noch alles in Ordnung sei. Ja, alles bestens, antwortete die Autorin. Im Übrigen hätten Frauen nicht nur einen ausgeprägten Intellekt, sondern auch jede Menge Fantasie:
"We women have rather a large imagination as well as intellects."
Siri Hustvedt las im ausverkauften, fast ausschließlich von Frauen besuchten Berliner Kino Babylon aus ihrem neuen Buch. Darin erfährt die New Yorker Dichterin Mia nach dreißig Jahren Ehe von ihrem Mann, dass er eine Beziehung mit einer zwanzig Jahre jüngeren Französin angefangen habe und deshalb eine Pause von seiner Frau wolle. Der Roman einer Ehekrise, inspiriert durch reale Geschichten von Siri Hustvedts Bekannten:
"Von Männern, die plötzlich, abrupt, ohne auch nur ein Wort zu sagen, ihre Frauen für andere Frauen verlassen haben. Ohne jegliches Gespräch! Das finde ich einfach erstaunlich. So fängt doch Literatur an, dass man plötzlich stutzt und sagt: 'Wow! Wie konnte das passieren?! Was geht da im Kopf ab?' Ich habe von Männern gehört, die das Haus verlassen haben, um Zigaretten zu holen, und nie wieder zurückgekommen sind. Dieses Territorium wollte ich ausloten, dieses dialoglose Territorium."
Mia reagiert auf die Dialogverweigerung ihres Mannes mit einer schweren Depression, gibt nach einem Klinikaufenthalt schließlich in ihrer Heimatstadt in Minnesota Schreibkurse für Mädchen, verbringt dort Zeit mit ihrer Mutter und deren Freundinnen aus einem Altenheim. Dieser Sommer ohne Männer und mit viel Nachdenken über sie wandelt Mias Wut in Lebensfreude. Was anfangs nur als die Geschichte einer Ehekrise erscheint, entpuppt sich schnell als ein Generationen übergreifendes Porträt, ein tiefsinniges, aber leichtfüßiges Sinnieren über Fragen wie: Warum erscheint uns der eigene Partner manchmal als beängstigend fremd? Und wieso empfinden einige Männer die Frau an sich als derart anders, dass sie ihr die gleichen Rechte absprechen?
"Wie konnte das passieren? Dass Frauen Jahrhundert um Jahrhundert unterdrückt wurden, wenn man mal von einigen Stämmen absieht. Erst seit 1920, seit nicht einmal hundert Jahren, dürfen Frauen in den USA wählen. Sehr lange hat man doch den Intellekt mit Männlichkeit verbunden. Und noch immer scheint manch einer intellektuelle Frauen als bedrohlich zu empfinden. Das ist eine alte Geschichte."
Dem Publikum der Berliner Lesung dürfte schnell klar geworden sein: Siri Hustvedt ist eine viel zu kluge Autorin, um in die Klischeefalle zu tappen. Vielmehr entlarvt sie im Gewand ihrer Erzählerin Mia unterhaltsam die vorgefertigten Meinungen jener Menschen, die den Unterschied zwischen Mann und Frau größer machen, als er in Wirklichkeit ist. Über die einstige Vorstellung gewisser Mediziner, Frauen sollten lieber nicht denken, weil das die Eierstöcke schrumpfen lasse, hat das Publikum laut gelacht. Ebenso darüber, dass der Ich-Erzählerin Mia zufolge auch noch Wissenschaftler von heute, meist Männer, glauben, eine Frau könne zwar einen Orgasmus haben, aber im Tierreich gebe es so etwas bei Weibchen nicht. Genau das hörte Siri Hustvedt, als sie selbst an einer Diskussionsrunde von Neurowissenschaftlern und Psychiatern teilnahm:
"Ich sagte so etwas wie: 'Das kann doch nicht sein! Das macht doch - biologisch gesehen - keinen Sinn!' Aber die Männer waren felsenfest davon überzeugt: Weibchen im Tierreich haben keinen Orgasmus. Das hat mich so aufgewühlt, da habe ich selbst Fachliteratur zum Thema gelesen. Mit dem Ergebnis: Es stimmt einfach nicht. Es ist doch erstaunlich, dass all diese angesehenen Neurowissenschaftler sich so leicht einer Meinung anschließen, die in Wirklichkeit ein Märchen ist. Bei dem Thema meines Buchs habe ich also die Gelegenheit genutzt, um etwas von dieser schlechten Wissenschaft zu korrigieren."
Siri Hustvedt versteht es in ihrem Roman "Der Sommer ohne Männer", ein ernstes Thema wie die Ehekrise leicht, aber gerade nicht oberflächlich anzugehen. Sie spürt grundlegenden Fragen in einer unprätentiösen Sprache nach, die einen feinen Humor transportiert. So entlädt die Nebenfigur Abigail, eine Frau aus dem Altenheim, ihre Wut über Männer in heimlichen Stickereien. Auf einer sieht man eine Frau in High Heels, die mit einem Riesenstaubsauger den Männern den Kampf ansagt. Zitat aus dem Buch:
"Das Haushaltsgerät war damit beschäftigt, eine Miniaturstadt aufzusaugen. Ich betrachtete eingehend die beiden Beine eines winzigen Mannes, die aus dem Unterteil ragten, und die Haare eines anderen, der mit schreckgeweitetem Mund vom Luftstrom nach oben gezerrt wurde."
Die 500 Zuhörer waren sichtlich amüsiert und angetan von Siri Hustvedts Ausführungen und den gelesenen Passagen aus "Der Sommer ohne Männer". Einem Buch, das gerade keine platte Abrechnung mit dem männlichen Geschlecht ist, wie der Titel zu Unrecht suggerieren könnte, sondern ein ebenso kluger wie komischer Roman über eine Ehekrise. Allerdings kein autobiographisches Buch, erfuhr das Publikum, als Moderator Bernhard Robben die Frage wagte, ob denn bei Siri Hustvedt und Paul Auster zu Hause noch alles in Ordnung sei. Ja, alles bestens, antwortete die Autorin. Im Übrigen hätten Frauen nicht nur einen ausgeprägten Intellekt, sondern auch jede Menge Fantasie:
"We women have rather a large imagination as well as intellects."