Das Model als Mensch
Naomi Campbell oder Linda Evangelista – erst seine Fotos machten sie zu weltweit bekannten Topmodels. Außerdem fotografierte Peter Lindbergh die Großen aus Politik, Pop- und Filmbusiness. Jetzt richtet die Galerie C/O Berlin dem 65-Jährigen eine große Retrospektive aus.
Die Bluse lässig bis übers Dekolleté hinaus aufgeknöpft, die Wange an die Pappe eines "Coffee to Go"-Bechers geschmiegt, so sitzt das deutsche Starmodel Nadja Auermann da, während ihr Blick sich in den Augen des Betrachters zu verlieren scheint. Eine Aufnahme im Halbprofil, die ganz zu Peter Lindberghs Credo passt, wonach ein gutes Modefoto vor allem ein treffendes Porträt einer tollen Frau ist.
Wobei der Begriff Modefoto weit über das Abfotografieren einer neuen Kollektion von Hosen, Röcken hinausgeht. Egal ob der 65-Jährige für Designer wie Calvin Klein oder Giorgio Armani arbeitet, für Magazine wie Harpers Bazaar oder die Vogue. Ob er neue Kollektionen bewirbt oder Lifestyle-Artikel bebildert. Nie ist das Model bei ihm nur Kleiderstange, sondern immer auch "Mensch".
"Alle fragen mich immer: Was ist denn ihr Trick? Da sage ich immer, da ist kein Trick. Ich mag einfach Leute unheimlich gern. Das geht dann von selber. Wie ich früher immer gesagt hab, bei Newton kommen die Leute rein ziehen sich sofort die Bluse aus und sagen Guten Morgen Helmut. Und bei mir bringen die wirklich viel von sich selber mit und sind bereit, das auch zu zeigen, weil sie denken, dann kriege ich was, was ich sonst nicht von mir sehe."
Was dabei herauskommt, muss allerdings nicht immer vorteilhaft für die Fotografierte sein. Denn maskenhaftes Make Up und hochfashionable Inszenierungen sind Lindberghs Sache nicht. So wirkt Nadja Auermann auf dem eingangs geschilderten Porträt recht müde und auf der Stirn erkennt man einige Falten. Den schönen Schein wahrt Lindbergh also nicht – da ist manches harmonisch, anderes aufregend, verrucht, verzickt – aber nichts perfekt. Das gilt für die anderen Modelfotos wie für die ebenfalls bei C/O Berlin gezeigten Prominenten-Porträts. So ist Jeanne Moreau auf einem vor sieben Jahren entstandenen, immens vergrößerten Close-Up zu sehen - mit all den Spuren ihres langen Lebens. Ja, sogar die Narben einer Schönheits-Op kann man erkennen.
"Dieses Foto da hat sie wirklich alles von sich fallen lassen und das war so ein wunderbares Foto. Das ist aber sehr, sehr hart. Und da wollte ich dieses Foto auf den Umschlag machen, von meinem vorletzten Buch. Habe gesagt, Jeanne, pass mal auf, ich zeig’ dir dieses Foto. Ich kann aber nichts dran tun. Man kann nichts dran retuschieren. Und da habe ich das Foto aus der Tasche geholt und da hat sie gesagt: Was willst du denn daran noch retuschieren? Und da wird mir das Herz warm. Und wenn ich da an die Agenten denke, die jedem Mitesser hinterhertelefonieren, der die Karriere ihrer Klienten zerstören könnte, dann finde ich das wahre Größe."
Mit viel Gefühl erzählt der in Duisburg aufgewachsene Fotograf von der Begegnung mit der Moreau – und weiteren Großen der Film- und Fashionwelt. Mit Popstars und Politikern und anderen Ausnahmeerscheinungen. Mit Tilda Swinton etwa, von der ein eindrückliches Porträt in der Ausstellung zu sehen ist. Mit Pina Bausch, die er verehrt hat. Er kann gut mit Menschen, ja er mag den Umgang mit ihnen. Weshalb man es gut nachvollziehen kann, dass Lindbergh kein Konzeptkünstler geworden ist, so wie er es nach einem Malereistudium zunächst anstrebte.
Dem 1944 im heutigen Polen als Peter Brodbeck geborenen Fotografen gelingt es sichtlich gut, die Nähe zu schaffen, die es braucht für seine Art von Bildern. Die Nähe und die Normalität. Denn seine Porträts können sowohl intime Close-Ups als auch Momentaufnahmen im Vorübergehen sein. Das zeigen etwa die 1996 auf den Straßen New Yorks entstandenen Aufnahmen. Die Frau im taillierten Mantel, von der man gerade noch den blonden Hinterkopf sieht, den Rücken und die schlanken Beine. Die Brunette, die im kleinen schwarzen Spitzenkleid am helllichten Tag vielleicht exentrisch aber nicht wirklich daneben wirkt.
"Mein Bestreben war damals, zu versuchen, die Models so in die Straße zu integrieren, dass es eben keine Models mehr sind. Also bei diesen Straßenfotos, bevor ich losging, da gibt es einen riesigen Bus mit Kabine und allem Möglichen drin. Und dann, wenn das Mädchen fertig ist, dann schnappe ich mir die und dann laufe ich mit der ganz allein rum, ohne irgend jemand, bleiben alle da im Bus sitzen. Und bewege mich so unauffällig wie möglich, kleine Kamera. Ich sehe sowieso nicht aus wie ein Fotograf, habe keine engen Lederhosen an, sondern sehe ziemlich normal aus. Und da kommt kein Mensch auf die Idee, dass da jemand Fotos macht. Und dadurch entstehen schöne, interessante Sachen."
Sicher führt Peter Lindbergh dabei auf seine Art auch Regie, sind seine Fotos auch ein wenig inszeniert. Aber sie wirken dabei selten künstlich. Vielmehr hat er das Gefühl für den richtigen Augenblick und für den Menschen. Peter Lindbergh geht an die Grenzen der Modefotografie und darüber hinaus. Und schafft damit immer wieder was ein gutes Modefoto seiner Meinung nach ist – das Porträt einer tollen Frau.
Wobei der Begriff Modefoto weit über das Abfotografieren einer neuen Kollektion von Hosen, Röcken hinausgeht. Egal ob der 65-Jährige für Designer wie Calvin Klein oder Giorgio Armani arbeitet, für Magazine wie Harpers Bazaar oder die Vogue. Ob er neue Kollektionen bewirbt oder Lifestyle-Artikel bebildert. Nie ist das Model bei ihm nur Kleiderstange, sondern immer auch "Mensch".
"Alle fragen mich immer: Was ist denn ihr Trick? Da sage ich immer, da ist kein Trick. Ich mag einfach Leute unheimlich gern. Das geht dann von selber. Wie ich früher immer gesagt hab, bei Newton kommen die Leute rein ziehen sich sofort die Bluse aus und sagen Guten Morgen Helmut. Und bei mir bringen die wirklich viel von sich selber mit und sind bereit, das auch zu zeigen, weil sie denken, dann kriege ich was, was ich sonst nicht von mir sehe."
Was dabei herauskommt, muss allerdings nicht immer vorteilhaft für die Fotografierte sein. Denn maskenhaftes Make Up und hochfashionable Inszenierungen sind Lindberghs Sache nicht. So wirkt Nadja Auermann auf dem eingangs geschilderten Porträt recht müde und auf der Stirn erkennt man einige Falten. Den schönen Schein wahrt Lindbergh also nicht – da ist manches harmonisch, anderes aufregend, verrucht, verzickt – aber nichts perfekt. Das gilt für die anderen Modelfotos wie für die ebenfalls bei C/O Berlin gezeigten Prominenten-Porträts. So ist Jeanne Moreau auf einem vor sieben Jahren entstandenen, immens vergrößerten Close-Up zu sehen - mit all den Spuren ihres langen Lebens. Ja, sogar die Narben einer Schönheits-Op kann man erkennen.
"Dieses Foto da hat sie wirklich alles von sich fallen lassen und das war so ein wunderbares Foto. Das ist aber sehr, sehr hart. Und da wollte ich dieses Foto auf den Umschlag machen, von meinem vorletzten Buch. Habe gesagt, Jeanne, pass mal auf, ich zeig’ dir dieses Foto. Ich kann aber nichts dran tun. Man kann nichts dran retuschieren. Und da habe ich das Foto aus der Tasche geholt und da hat sie gesagt: Was willst du denn daran noch retuschieren? Und da wird mir das Herz warm. Und wenn ich da an die Agenten denke, die jedem Mitesser hinterhertelefonieren, der die Karriere ihrer Klienten zerstören könnte, dann finde ich das wahre Größe."
Mit viel Gefühl erzählt der in Duisburg aufgewachsene Fotograf von der Begegnung mit der Moreau – und weiteren Großen der Film- und Fashionwelt. Mit Popstars und Politikern und anderen Ausnahmeerscheinungen. Mit Tilda Swinton etwa, von der ein eindrückliches Porträt in der Ausstellung zu sehen ist. Mit Pina Bausch, die er verehrt hat. Er kann gut mit Menschen, ja er mag den Umgang mit ihnen. Weshalb man es gut nachvollziehen kann, dass Lindbergh kein Konzeptkünstler geworden ist, so wie er es nach einem Malereistudium zunächst anstrebte.
Dem 1944 im heutigen Polen als Peter Brodbeck geborenen Fotografen gelingt es sichtlich gut, die Nähe zu schaffen, die es braucht für seine Art von Bildern. Die Nähe und die Normalität. Denn seine Porträts können sowohl intime Close-Ups als auch Momentaufnahmen im Vorübergehen sein. Das zeigen etwa die 1996 auf den Straßen New Yorks entstandenen Aufnahmen. Die Frau im taillierten Mantel, von der man gerade noch den blonden Hinterkopf sieht, den Rücken und die schlanken Beine. Die Brunette, die im kleinen schwarzen Spitzenkleid am helllichten Tag vielleicht exentrisch aber nicht wirklich daneben wirkt.
"Mein Bestreben war damals, zu versuchen, die Models so in die Straße zu integrieren, dass es eben keine Models mehr sind. Also bei diesen Straßenfotos, bevor ich losging, da gibt es einen riesigen Bus mit Kabine und allem Möglichen drin. Und dann, wenn das Mädchen fertig ist, dann schnappe ich mir die und dann laufe ich mit der ganz allein rum, ohne irgend jemand, bleiben alle da im Bus sitzen. Und bewege mich so unauffällig wie möglich, kleine Kamera. Ich sehe sowieso nicht aus wie ein Fotograf, habe keine engen Lederhosen an, sondern sehe ziemlich normal aus. Und da kommt kein Mensch auf die Idee, dass da jemand Fotos macht. Und dadurch entstehen schöne, interessante Sachen."
Sicher führt Peter Lindbergh dabei auf seine Art auch Regie, sind seine Fotos auch ein wenig inszeniert. Aber sie wirken dabei selten künstlich. Vielmehr hat er das Gefühl für den richtigen Augenblick und für den Menschen. Peter Lindbergh geht an die Grenzen der Modefotografie und darüber hinaus. Und schafft damit immer wieder was ein gutes Modefoto seiner Meinung nach ist – das Porträt einer tollen Frau.