Das Museum der Woche

Von Georg Gruber |
In Neuruppin wurden nicht nur Fontane und der Baumeister Karl Friedrich Schinkel geboren, die Stadt war im 19. Jahrhundert deutschland- und europaweit bekannt, durch ein Produkt, an das sich heute nur noch wenige erinnern: Bilderbogen. Mit 12.000 Exemplaren verfügt das <papaya:link href="http://www.neuruppinmuseum.de/" text="Museum Neuruppin" title="Museum Neuruppin" target="_blank" /> über die deutschlandweit größte Bilderbogensammlung.
"Es ist das prächtigste Bürgerhaus der Stadt, in dem das Museum untergebracht ist."

Dem Leiter des Museums Neuruppin Hansjörg Albrecht ist der Stolz auf sein Gebäude und seine Sammlung – die älteste Brandenburgs - deutlich anzumerken:

"Wer hier eintritt, tritt in eine ganz andere Atmosphäre ein."

Zu sehen sind unter anderem seltene Fundstücke aus der Bronzezeit, zum Beispiel ein kleiner bronzener Kultwagen. Über den schrieb schon Theodor Fontane, einer der großen Söhne der Stadt, in seinem Roman "Vor dem Sturm". Fontane, dem zwei Räume gewidmet sind, kannte und schätzte auch die Neuruppiner Bilderbogen, jene ungefähr Din-A-3 großen farbigen Drucke, die die preußische Stadt im 19. Jahrhundert deutschland-, ja europaweit bekannt machten.

Fontane: "Was ist der Ruhm der Times gegen die zivilisatorische Aufgabe des Ruppiner Bilderbogens?"

"Die Neuruppiner Bilderbogen waren ein Massenmedium, sie waren das bunte Bildmedium des 19. Jahrhunderts. Mit dem Pfennigartikel Bilderbogen konnte man sich Bilder von allen möglichen Dingen wirklich auch leisten, auch der kleine Mann."

Insgesamt wurden in Neuruppin über 20.000 verschiedene Motive gedruckt, in Auflage bis zu Hunderttausend Stück. Eine kleine Auswahl ist im Museum ausgestellt, im Eingangsbereich und im ersten Stock, auf dem Weg dorthin kommt man an einem Musikautomaten vorbei, wie er früher in Gaststätten stand.

"In diesem Raum gibt es praktisch alle Spielarten zu sehen, Ausschneidebogen, Bastelbogen, politische Darstellungen, religiöse Motive, Genredarstellungen. Sie sehen Alphabete, Kinderspiele, Würfelspiele und was recht beeindruckend ist, ist dieser lebensgroße Soldat, ein Bilderbogen, der für Schießübungen diente als Zielscheibe."

Zielpublikum waren Kinder und Erwachsene.
Das Museum Neuruppin beherbergt die deutschlandweit größte Sammlung, rund 12.000 verschiedene Motive. Unter der Obhut von Thomas Schmid, dem Leiter des Dokumentationszentrums.

"Ich werde Ihnen jetzt die Tür aufschließen, die sonst der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist, wir befinden uns im Archiv des Bilderbogendokumentationszentrums, also im Prinzip in den Räumen, in denen die Bilderbogen gelagert sind, in Grafikschränken. Sieht unspektakulär aus, die Spektakel kommen erst, wenn wir die Schränke aufmachen und hier die Bogen vor uns haben."

Fontane: "Sie sind der dünne Faden, durch den weite Strecken unseres eigenen Landes, lithauische Dörfer und masurische Hütten, mit der Welt draußen zusammenhängen."

Schmid: "Die Leute hatten Kunde von den Ereignissen in der Welt, über die Zeitung, von Mund zu Mund, aber die Leute wollten ein Bild von den Ereignissen haben und die lieferte ihnen der Neuruppiner Bilderbogen, das was heute die Illustrierten auch tun. Das Fürstenbild, Hochzeiten und Todesfälle, die Kriege, also illustriertes Zeitgeschehen."

Neuruppin entwickelte sich zum Zentrum der Bilderbogen-Herstellung, weil dort ein gewisser Gustav Kühn als erster auf die um 1800 erfundene Lithografie als Drucktechnik setzte und so hohe Auflagen produzieren konnte. Die Drucke waren schwarzweiß und wurden dann per Hand koloriert. Oft in Heimarbeit in den umliegenden Dörfern und wie damals üblich auch von Kindern. Die dann, wenn sie zur Schule gingen, mit Bilderbogen die Welt erklärt bekamen, ein prägendes Erlebnis.

"Es ist ja nicht die elektronische Bilderflut, die wir heute haben, wo ein Bild das andere überlagert, und das ist die kulturhistorische Bedeutung der Bilderbogen, dass sie Bilder schaffen, die in den Köpfen bleiben."

Nach dem ersten Weltkrieg wurden die Bilderbogen vom Markt verdrängt, die Leute kauften lieber Foto-Postkarten oder bunte Illustrierten. Heute sind die Bogen Dokumente, Chronik und Spiegel einer bilderarmen Zeit. Man kann aus ihnen Rückschlüsse ziehen auf das Alltagsleben, die Moden und Vorlieben der Menschen des 19. Jahrhunderts.

Oft verkauft wurden so genannte Genredarstellungen, wie der Baum der Liebe: auf dem Bild eine Eiche, in den Ästen sitzen Männer. Darunter Frauen, die versuchen, sich einen Mann herabzuschütteln, zu angeln. Oder: "Das menschliche Stufenalter" – diesen Bilderbogen zählt auch der Leiter des Museums Neuruppin Hansjörg Albrecht zu seinen Lieblingsmotiven:

"Das menschliche Stufenalter zeigt in verschiedenen Stationen, wie das Leben verläuft, das Kind im Matrosenanzug, das Älterwerden, die erste Liebe, die Hochzeit, das Älterwerden und zum Schluss das Gehen am Stock und ganz am Ende der Sarg, ein wunderschönes Motiv."

Viele der Bogen sind kleine Kunstwerke, die durch feine Zeichnung und leuchtende Farbigkeit überraschen, aus Platzgründen kann in dem Museum allerdings nur ein Bruchteil der 12.000 verschiedenen Motive gezeigt werden.

"Wir haben viele Kulturtouristen, die auf den Spuren Fontanes unterwegs sind, aber die große überregionale Geschichte sind tatsächlich die Bilderbogen, der Anspruch ist ganz klar der, mit diesem Thema auch ne größere Strahlkraft nach außen zu bekommen."