"Das muss die Frau entscheiden"
Nach Ansicht von Rita Waschbüsch müssen auch gläubige Christen die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs nicht totschweigen. Denn eine Schwangere in einer Notlage müsse nach dem Gesetz "ergebnisoffen" beraten werden, betont die Vorsitzende vom Verein Donum Vitae, der innerhalb der katholischen Kirche Schwangere in Konfliktsituationen berät.
Philipp Gessler: Es sind keine guten Zeiten für die katholische Kirche in Deutschland. Harrscher Kritik muss sie sich stellen, und Mitleid ist nur begrenzt angebracht – denn schon wieder ist sie vor allem selbst daran schuld, dass sie im Regen steht: zuerst das vorläufige Ende der Aufklärungsstudie über die Fälle des sexuellen Missbrauchs mit dem Institut des Hannoveraner Kriminologen Christian Pfeiffer. Dann das: Eine offenbar vergewaltigte, Hilfe suchende Frau wird vor ein paar Wochen von gleich zwei katholischen Kliniken in Köln abgewiesen. Die Begründung: Es könnte ja sein, dass bei der Behandlung in dem katholischen Haus auch eine Information über die Pille danach gegeben werden müsste. Dieses Medikament aber lehnt die katholische Kirche ab, weil sie darin ein Mittel der Abtreibung sieht, gegen die die Kirche schon immer leidenschaftlich gekämpft hat.
Seit zehn Tagen wird nun über diesen Fall der abgewiesenen Frau diskutiert. Ich habe vor der Sendung mit Rita Waschbüsch von der Organisation Donum Vitae gesprochen. Diese Vereinigung, die Schwangeren hilft, wurde 1999 von katholischen Laien in Deutschland gegründet, nachdem ihre Bischöfe vom Vatikan in Rom gezwungen wurden, aus dem staatlichen System der Schwangeren-Konfliktberatung auszusteigen.
Die Bundesvorsitzende Rita Waschbüsch ist eine engagierte Katholikin, die keine Angst hat vor alten Männern im Rang eines Bischofs oder Kardinals. Zunächst habe ich sie gefragt, ob Sie sich als Katholikin schämt über die Abweisung der vergewaltigten Frau durch zwei katholische Kliniken in Köln.
Rita Waschbüsch: Das war sicher ein schweres Versagen von Einzelpersonen, die sich nicht demnach verhalten haben, wie das vorgesehen ist. Ich weiß nicht, ob ich mich da schämen muss. Ich bin traurig darüber, dass es passiert ist in so einer gravierenden Situation.
Gessler: Jetzt nennen Sie das einen Einzelfall, beziehungsweise einen doppelten Einzelfall, müsste man ja sagen. Was sagt denn dieser Fall über die Stimmung in Köln? Haben in katholischen Kliniken dort alle Angst vor Kardinal Meisner?
Waschbüsch: Ich habe die Richtlinien der Cellitinnen, das ist der Orden, der die Krankenhäuser hat, gelesen. Da ist eigentlich die Geschichte recht eindeutig: dass so eine Notfallhilfe nicht verweigert werden kann. Ich würde bei allen Vorbehalten gegen manches, was der Kölner Kardinal schon mal sagt, ihn da nicht verantwortlich machen wollen. Ich glaube nicht, dass der da beteiligt war. Das war eine Ethikkommission, die die Richtlinien festgelegt hat für diese Krankenhäuser, die von außen auch kam.
Gessler: Aber es scheint doch da ein Klima der Angst zu herrschen, dass die Ärzte nicht wirklich wissen, was sie eigentlich tun dürfen und was nicht.
Waschbüsch: Ärzte müssten selbstbewusst genug sein, um Richtlinien so zu deuten, wie sie ihr Berufsethos und ihr Arbeitgeber vorschreibt. Da hat es ja wohl vorher keinen Dissens gegeben.
Gessler: Und trotzdem haben sich die Ärzte falsch verhalten.
Waschbüsch: Sie haben sich falsch verhalten. Sie haben, vielleicht aus Unsicherheit, ich weiß es nicht, sich falsch verhalten.
Gessler: Der katholische Träger der Kliniken erlaubt zwar eine Information – so haben wir jetzt gelernt – über die Pille danach, aber keine hinweisende Beratung. Wer soll das denn verstehen?
Waschbüsch: Man muss, denke ich, freien Trägern zugestehen, dass sie nach ihren weltanschaulichen Grundlagen – in dem Fall ist das die Frage des Schwangerschaftsabbruchs und die Frage des eventuellen Frühestabbruchs mit einer Pille danach – … Das muss man respektieren. Aber ein beratendes Gespräch, das heißt, eine Klarstellung auch der Dinge, die da stattfinden, das, glaube ich, ist da durchaus möglich und sollte auch sein.
Gessler: Sie haben ja jetzt auch viele Beratungsstellen in ganz Deutschland mit Donum Vitae. Informieren Sie eigentlich in Ihren Beratungsstellen über die Pille danach und empfehlen Sie diese sogar?
Waschbüsch: Wir haben Beratungsstellen im Rahmen des gesetzlichen Schwangeren-Beratungs- und Schwangeren-Konfliktberatungs-Gesetzes. Dort ist selbstverständlich vorgesehen – wie der Gesetzgeber also vorschreibt – eine ergebnisoffene Beratung. Das heißt, die Frau entscheidet in jedem Fall, was geschehen soll, nach umfänglicher, sorgfältiger und guter Beratung. Das ist die eine Sache.
Wir haben aber selbstverständlich auch unsere Wertvorstellungen, die da bedeuten – was der Gesetzgeber auch vorschreibt und nicht etwa nur unser weltanschaulicher Hintergrund –, dass wir lebenschützend sind, das heißt, eine Option in jedem Fall für Mutter und Kind haben. In dieser ganz schwerwiegenden Konfliktsituation, aber auch nicht nur in der, muss und wird Donum Vitae in jedem Fall – das gehört zur fachlich guten Beratung – immer auch informieren über Abtreibungsmethoden, über Pille danach, genauso, wie sie unsere Beraterinnen auf der anderen Seite darauf hinweisen müssen, sorgfältig, intensiv, menschlich zugewandt, was es für Möglichkeiten der Hilfe und der Begleitung gibt.
Gessler: Die deutschen katholischen Bischöfe aber halten von dieser Pille danach ja gar nichts.
Waschbüsch: Ich glaube nicht, dass die deutschen katholischen Bischöfe sich im Detail um diese Frage Pille danach gekümmert haben. Die Diskussion ist wissenschaftlich ja noch gar nicht ausdiskutiert. Es gibt die einen, die sagen, das ist ein Frühestabbruchmittel, die anderen sagen, es ist noch ein Verhütungsmittel. Aber für Donum Vitae stellt sich die Frage nicht. Wir haben in allen Dingen offen, umfänglich zu informieren und haben der Frau eine Hilfe damit zu geben, dass sie entscheidet.
Gessler: Nach der katholischen Lehre ist ja jetzt eine Abtreibung auch nach einer Vergewaltigung nicht erlaubt. Finden Sie das richtig?
Waschbüsch: Also die katholische Lehre sagt, Abtreibung ist nicht erlaubt, ist Tötung menschlichen Lebens, was ja nicht zu bestreiten ist – sagt ja auch ausdrücklich der Gesetzgeber beziehungsweise hat der Bundestag ja auch festgestellt im Zusammenhang mit Embryonenschutzgesetz, dass nach der Keimzellenverschmelzung menschliches Leben da ist.
Aber es gibt Situationen im Leben, wo sich auch kein Bischof zum Richter oder zum allwissenden Ratgeber, glaube ich, aufschwingt. Das sollte man den deutschen Bischöfen auch nicht unterstellen mit ihrer Haltung zum Schwangerschaftsabbruch. Was der Einzelne dazu sagt oder nicht, das kann ich nicht sagen, das ist auch nicht mein Recht. Aber dass der Gesetzgeber – und damit sind Bischöfe durchaus mit dem Gesetzgeber konform – das Schwangeren-Beratungs- und Hilfegesetz ja auch zum Erhalt und zum Schutz des Lebens vorgesehen hat, das ist unstreitig. Dass darüber hinaus die Kirche das kirchliche Amt mit seinen Möglichkeiten und Beratungsstellen sich nicht – durch die Ausstellung des Scheins sehen sie eine gewisse Mitwirkung am Schwangerschaftsabbruch – an der Beratungslandschaft nicht beteiligen, das ist die andere Sache. Letzteres halte ich ja für falsch, sonst hätte ich nicht Donum Vitae mitbegründet.
Gessler: Aber trotzdem ist mir jetzt nicht klargeworden, ob Sie jetzt auch dafür sind, dass man nach einer Vergewaltigung abtreiben kann oder nicht.
Waschbüsch: Das muss die Frau entscheiden. Wir sagen in unseren Beratungsstellen: Das ist die Situation, das sind die Möglichkeiten, die du hast, und du musst entscheiden. Selbstverständlich beraten wir auch, was Pille danach ist, genauso, wie wir Schwangerschaftsabbruch, der später geschieht unter Umständen, sachlich natürlich der Frau darstellen müssen. Aber wir stellen beide Seiten dar. Man darf nicht vergessen: Pille danach ist beispielsweise – es geht ja nicht immer nur um solche ganz existenziellen Konflikte wie nach einer Vergewaltigung –, das ist eine Hormonbombe ohnegleichen, die ja auch nicht ohne Auswirkungen auf die gesamtgesundheitliche Situation der Frau ist.
Gessler: Sehen Sie eigentlich einen Zusammenhang zwischen der Sexuallehre der Kirche auf der einen Seite und dem Missbrauchsskandal, der uns jetzt in letzter Zeit wieder so stark beschäftigt hat?
Waschbüsch: Das ist eine schwierige Frage, die ich nicht beantworten kann, die ja auch wissenschaftlich nicht beantwortet ist. Aber ich möchte da doch darauf hinweisen dürfen: So schrecklich und schlimm das ist und so schädlich, wie das auch wirklich war in der Handhabung, wie es ist durch die katholische Kirche, wo man wirklich den Eindruck des Vertuschens haben musste – es ist aber doch auch eine Tatsache, dass nicht, wie jetzt so getan wird, bei Kirchen es dauernd so was ist, die Probleme haben ja auch andere Gruppierungen außerhalb, siehe Odenwaldschule und so weiter. Und man muss doch sagen dürfen: Das sind, wobei jeder Fall zu viel ist, aber es sind deutlich weniger Fälle als etwa in der Gesamtgesellschaft. Nur: Bei Kirche dürfte es eben gar keine geben, und das ist schlimm und ist schrecklich. Dazu haben die Bischöfe Richtlinien erlassen.
Ich glaube aber nicht, dass man so leichthin sagen kann: Das hat mit Zölibat zu tun. Ich bin für Freiwilligen-Zölibat in meiner Kirche, also für beides, was es 1000 Jahre gegeben hat: verheiratete Priester und zölibatäre nebeneinander. Aber dieser Zusammenhang, der jetzt so bewusst hergestellt wird, der gefällt mir nicht, weil er in der Sache nicht richtig ist.
Gessler: Finden Sie denn ein Problem, um mal auf den Fall zurückzukommen in Köln, dass etwa ein Viertel aller Krankenhäuser in Deutschland katholische Kliniken sind, sich also katholisch nennen und ein eigenes Hausrecht haben, aber diese Kliniken in der Regel zu fast 100 Prozent vom Staat finanziert werden?
Waschbüsch: Aber die Katholiken und die evangelischen Christen haben das Recht, so wie Christen, die im Roten Kreuz sind oder bei der Arbeiterwohlfahrt, nach unserer Verfassung in ihrem Sinne, nach ihrer Weltanschauung Krankenhäuser zu betreiben, und genauso wie alle anderen freien Träger dieser Gesellschaft mit Krankenkassen die Dinge auszuhandeln.
Und warum sollten sie von den Krankenkassen nicht finanziert werden, wenn andere, auch weltanschaulich gebundene Träger, die eben vielleicht in ganz anderer Richtung, finanziert werden? Die Bundesrepublik will subsidiär dem Bürger die Möglichkeit, gewissermaßen nach seiner Fasson die Dinge zu betreiben, überlassen, und da dürfen sie doch den Katholiken das gleiche Recht, wie das alle haben, nicht absprechen.
Gessler: Wie ist denn jetzt der Vertrauensverlust wieder gutzumachen, den der Kölner Vorfall verursacht hat?
Waschbüsch: Ich denke, dass in der Pressekonferenz, so habe ich das jedenfalls mitgekriegt, man da sehr offen umgegangen ist, sich auch entschuldigt hat. Aber das ist unstreitig, dass es, weil ja auch in der katholischen Kirche es durch die Missbrauchsgeschichten, durch die schrecklichen Dinge, muss ich schon sagen, rumort hat, das ist ein erneuter, schlimmer Vertrauensverlust. Ich wundere mich aber über doch auch ein paar Dinge in dem Zusammenhang: dass diese Geschichte in den Medien hochgekommen ist weit über vier Wochen nach den eigentlichen Vorfällen und exakt vor der Tatsache, dass der Krankenhausplan des Landes Nordrhein-Westfalen behandelt werden soll. Ich glaube, einen Tag später stand der auf der Tagesordnung.
Gessler: Ja, das ist aber jetzt eine Art Verschwörungstheorie, die Sie aufstellen.
Waschbüsch: Das ist eine Überlegung, ob man nicht auch in diesen Feldern Kampagnen betreibt.
Gessler: Das war Rita Waschwüsch, die seit Jahren einen fast unmöglichen Spagat wagt zwischen der Solidarität mit den schwangeren Frauen und den Erwartungen der katholischen Sexualmoral, die vor allem alte Männer geschrieben haben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Seit zehn Tagen wird nun über diesen Fall der abgewiesenen Frau diskutiert. Ich habe vor der Sendung mit Rita Waschbüsch von der Organisation Donum Vitae gesprochen. Diese Vereinigung, die Schwangeren hilft, wurde 1999 von katholischen Laien in Deutschland gegründet, nachdem ihre Bischöfe vom Vatikan in Rom gezwungen wurden, aus dem staatlichen System der Schwangeren-Konfliktberatung auszusteigen.
Die Bundesvorsitzende Rita Waschbüsch ist eine engagierte Katholikin, die keine Angst hat vor alten Männern im Rang eines Bischofs oder Kardinals. Zunächst habe ich sie gefragt, ob Sie sich als Katholikin schämt über die Abweisung der vergewaltigten Frau durch zwei katholische Kliniken in Köln.
Rita Waschbüsch: Das war sicher ein schweres Versagen von Einzelpersonen, die sich nicht demnach verhalten haben, wie das vorgesehen ist. Ich weiß nicht, ob ich mich da schämen muss. Ich bin traurig darüber, dass es passiert ist in so einer gravierenden Situation.
Gessler: Jetzt nennen Sie das einen Einzelfall, beziehungsweise einen doppelten Einzelfall, müsste man ja sagen. Was sagt denn dieser Fall über die Stimmung in Köln? Haben in katholischen Kliniken dort alle Angst vor Kardinal Meisner?
Waschbüsch: Ich habe die Richtlinien der Cellitinnen, das ist der Orden, der die Krankenhäuser hat, gelesen. Da ist eigentlich die Geschichte recht eindeutig: dass so eine Notfallhilfe nicht verweigert werden kann. Ich würde bei allen Vorbehalten gegen manches, was der Kölner Kardinal schon mal sagt, ihn da nicht verantwortlich machen wollen. Ich glaube nicht, dass der da beteiligt war. Das war eine Ethikkommission, die die Richtlinien festgelegt hat für diese Krankenhäuser, die von außen auch kam.
Gessler: Aber es scheint doch da ein Klima der Angst zu herrschen, dass die Ärzte nicht wirklich wissen, was sie eigentlich tun dürfen und was nicht.
Waschbüsch: Ärzte müssten selbstbewusst genug sein, um Richtlinien so zu deuten, wie sie ihr Berufsethos und ihr Arbeitgeber vorschreibt. Da hat es ja wohl vorher keinen Dissens gegeben.
Gessler: Und trotzdem haben sich die Ärzte falsch verhalten.
Waschbüsch: Sie haben sich falsch verhalten. Sie haben, vielleicht aus Unsicherheit, ich weiß es nicht, sich falsch verhalten.
Gessler: Der katholische Träger der Kliniken erlaubt zwar eine Information – so haben wir jetzt gelernt – über die Pille danach, aber keine hinweisende Beratung. Wer soll das denn verstehen?
Waschbüsch: Man muss, denke ich, freien Trägern zugestehen, dass sie nach ihren weltanschaulichen Grundlagen – in dem Fall ist das die Frage des Schwangerschaftsabbruchs und die Frage des eventuellen Frühestabbruchs mit einer Pille danach – … Das muss man respektieren. Aber ein beratendes Gespräch, das heißt, eine Klarstellung auch der Dinge, die da stattfinden, das, glaube ich, ist da durchaus möglich und sollte auch sein.
Gessler: Sie haben ja jetzt auch viele Beratungsstellen in ganz Deutschland mit Donum Vitae. Informieren Sie eigentlich in Ihren Beratungsstellen über die Pille danach und empfehlen Sie diese sogar?
Waschbüsch: Wir haben Beratungsstellen im Rahmen des gesetzlichen Schwangeren-Beratungs- und Schwangeren-Konfliktberatungs-Gesetzes. Dort ist selbstverständlich vorgesehen – wie der Gesetzgeber also vorschreibt – eine ergebnisoffene Beratung. Das heißt, die Frau entscheidet in jedem Fall, was geschehen soll, nach umfänglicher, sorgfältiger und guter Beratung. Das ist die eine Sache.
Wir haben aber selbstverständlich auch unsere Wertvorstellungen, die da bedeuten – was der Gesetzgeber auch vorschreibt und nicht etwa nur unser weltanschaulicher Hintergrund –, dass wir lebenschützend sind, das heißt, eine Option in jedem Fall für Mutter und Kind haben. In dieser ganz schwerwiegenden Konfliktsituation, aber auch nicht nur in der, muss und wird Donum Vitae in jedem Fall – das gehört zur fachlich guten Beratung – immer auch informieren über Abtreibungsmethoden, über Pille danach, genauso, wie sie unsere Beraterinnen auf der anderen Seite darauf hinweisen müssen, sorgfältig, intensiv, menschlich zugewandt, was es für Möglichkeiten der Hilfe und der Begleitung gibt.
Gessler: Die deutschen katholischen Bischöfe aber halten von dieser Pille danach ja gar nichts.
Waschbüsch: Ich glaube nicht, dass die deutschen katholischen Bischöfe sich im Detail um diese Frage Pille danach gekümmert haben. Die Diskussion ist wissenschaftlich ja noch gar nicht ausdiskutiert. Es gibt die einen, die sagen, das ist ein Frühestabbruchmittel, die anderen sagen, es ist noch ein Verhütungsmittel. Aber für Donum Vitae stellt sich die Frage nicht. Wir haben in allen Dingen offen, umfänglich zu informieren und haben der Frau eine Hilfe damit zu geben, dass sie entscheidet.
Gessler: Nach der katholischen Lehre ist ja jetzt eine Abtreibung auch nach einer Vergewaltigung nicht erlaubt. Finden Sie das richtig?
Waschbüsch: Also die katholische Lehre sagt, Abtreibung ist nicht erlaubt, ist Tötung menschlichen Lebens, was ja nicht zu bestreiten ist – sagt ja auch ausdrücklich der Gesetzgeber beziehungsweise hat der Bundestag ja auch festgestellt im Zusammenhang mit Embryonenschutzgesetz, dass nach der Keimzellenverschmelzung menschliches Leben da ist.
Aber es gibt Situationen im Leben, wo sich auch kein Bischof zum Richter oder zum allwissenden Ratgeber, glaube ich, aufschwingt. Das sollte man den deutschen Bischöfen auch nicht unterstellen mit ihrer Haltung zum Schwangerschaftsabbruch. Was der Einzelne dazu sagt oder nicht, das kann ich nicht sagen, das ist auch nicht mein Recht. Aber dass der Gesetzgeber – und damit sind Bischöfe durchaus mit dem Gesetzgeber konform – das Schwangeren-Beratungs- und Hilfegesetz ja auch zum Erhalt und zum Schutz des Lebens vorgesehen hat, das ist unstreitig. Dass darüber hinaus die Kirche das kirchliche Amt mit seinen Möglichkeiten und Beratungsstellen sich nicht – durch die Ausstellung des Scheins sehen sie eine gewisse Mitwirkung am Schwangerschaftsabbruch – an der Beratungslandschaft nicht beteiligen, das ist die andere Sache. Letzteres halte ich ja für falsch, sonst hätte ich nicht Donum Vitae mitbegründet.
Gessler: Aber trotzdem ist mir jetzt nicht klargeworden, ob Sie jetzt auch dafür sind, dass man nach einer Vergewaltigung abtreiben kann oder nicht.
Waschbüsch: Das muss die Frau entscheiden. Wir sagen in unseren Beratungsstellen: Das ist die Situation, das sind die Möglichkeiten, die du hast, und du musst entscheiden. Selbstverständlich beraten wir auch, was Pille danach ist, genauso, wie wir Schwangerschaftsabbruch, der später geschieht unter Umständen, sachlich natürlich der Frau darstellen müssen. Aber wir stellen beide Seiten dar. Man darf nicht vergessen: Pille danach ist beispielsweise – es geht ja nicht immer nur um solche ganz existenziellen Konflikte wie nach einer Vergewaltigung –, das ist eine Hormonbombe ohnegleichen, die ja auch nicht ohne Auswirkungen auf die gesamtgesundheitliche Situation der Frau ist.
Gessler: Sehen Sie eigentlich einen Zusammenhang zwischen der Sexuallehre der Kirche auf der einen Seite und dem Missbrauchsskandal, der uns jetzt in letzter Zeit wieder so stark beschäftigt hat?
Waschbüsch: Das ist eine schwierige Frage, die ich nicht beantworten kann, die ja auch wissenschaftlich nicht beantwortet ist. Aber ich möchte da doch darauf hinweisen dürfen: So schrecklich und schlimm das ist und so schädlich, wie das auch wirklich war in der Handhabung, wie es ist durch die katholische Kirche, wo man wirklich den Eindruck des Vertuschens haben musste – es ist aber doch auch eine Tatsache, dass nicht, wie jetzt so getan wird, bei Kirchen es dauernd so was ist, die Probleme haben ja auch andere Gruppierungen außerhalb, siehe Odenwaldschule und so weiter. Und man muss doch sagen dürfen: Das sind, wobei jeder Fall zu viel ist, aber es sind deutlich weniger Fälle als etwa in der Gesamtgesellschaft. Nur: Bei Kirche dürfte es eben gar keine geben, und das ist schlimm und ist schrecklich. Dazu haben die Bischöfe Richtlinien erlassen.
Ich glaube aber nicht, dass man so leichthin sagen kann: Das hat mit Zölibat zu tun. Ich bin für Freiwilligen-Zölibat in meiner Kirche, also für beides, was es 1000 Jahre gegeben hat: verheiratete Priester und zölibatäre nebeneinander. Aber dieser Zusammenhang, der jetzt so bewusst hergestellt wird, der gefällt mir nicht, weil er in der Sache nicht richtig ist.
Gessler: Finden Sie denn ein Problem, um mal auf den Fall zurückzukommen in Köln, dass etwa ein Viertel aller Krankenhäuser in Deutschland katholische Kliniken sind, sich also katholisch nennen und ein eigenes Hausrecht haben, aber diese Kliniken in der Regel zu fast 100 Prozent vom Staat finanziert werden?
Waschbüsch: Aber die Katholiken und die evangelischen Christen haben das Recht, so wie Christen, die im Roten Kreuz sind oder bei der Arbeiterwohlfahrt, nach unserer Verfassung in ihrem Sinne, nach ihrer Weltanschauung Krankenhäuser zu betreiben, und genauso wie alle anderen freien Träger dieser Gesellschaft mit Krankenkassen die Dinge auszuhandeln.
Und warum sollten sie von den Krankenkassen nicht finanziert werden, wenn andere, auch weltanschaulich gebundene Träger, die eben vielleicht in ganz anderer Richtung, finanziert werden? Die Bundesrepublik will subsidiär dem Bürger die Möglichkeit, gewissermaßen nach seiner Fasson die Dinge zu betreiben, überlassen, und da dürfen sie doch den Katholiken das gleiche Recht, wie das alle haben, nicht absprechen.
Gessler: Wie ist denn jetzt der Vertrauensverlust wieder gutzumachen, den der Kölner Vorfall verursacht hat?
Waschbüsch: Ich denke, dass in der Pressekonferenz, so habe ich das jedenfalls mitgekriegt, man da sehr offen umgegangen ist, sich auch entschuldigt hat. Aber das ist unstreitig, dass es, weil ja auch in der katholischen Kirche es durch die Missbrauchsgeschichten, durch die schrecklichen Dinge, muss ich schon sagen, rumort hat, das ist ein erneuter, schlimmer Vertrauensverlust. Ich wundere mich aber über doch auch ein paar Dinge in dem Zusammenhang: dass diese Geschichte in den Medien hochgekommen ist weit über vier Wochen nach den eigentlichen Vorfällen und exakt vor der Tatsache, dass der Krankenhausplan des Landes Nordrhein-Westfalen behandelt werden soll. Ich glaube, einen Tag später stand der auf der Tagesordnung.
Gessler: Ja, das ist aber jetzt eine Art Verschwörungstheorie, die Sie aufstellen.
Waschbüsch: Das ist eine Überlegung, ob man nicht auch in diesen Feldern Kampagnen betreibt.
Gessler: Das war Rita Waschwüsch, die seit Jahren einen fast unmöglichen Spagat wagt zwischen der Solidarität mit den schwangeren Frauen und den Erwartungen der katholischen Sexualmoral, die vor allem alte Männer geschrieben haben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.