Das muss man 2016 gehört haben (2)

Die besten Alben in deutscher Sprache

Die Sängerin Dota mit Gitarre am Mikrofon auf der Bühne des Theaterkahns in Dresden umgeben von drei Musikern der Band Dota an Keyboard, Schlagzeug und E-Gitarre
Die Band "Dota" um die Sängerin Dota Kehr bei einem Auftritt in Dresden © Carsten Nüssler
Von Jutta Petermann |
Frisch, liebenswürdig, eine Spur melancholisch, aber dabei herrlich angekotzt, kunstvoll und witzig oder elegant und sehnsuchtsvoll: Wir zeigen Ihnen die besten Alben in deutscher Sprache aus dem ausgehenden Jahr.
1. Von wegen Lisbeth - "Grande"
"Von wegen Lisbeths" Debüt heißt "Grande" - und es ist tatsächlich großartig geworden. Mit feiner Ironie und jugendlichem Rotz vertont das Berliner Quartett Konsumkritik, Distanzlosigkeit in den sozialen Netzwerken oder sehr ironisch den vielbeschworenen Untergang des Abendlandes.
Die vier finden die richtigen Worte für Phänomene, über die sich viele wundern, aber nicht ganz fassen können. Hier texten Querdenker und ich bin ihnen so dankbar dafür ganz ohne Diskurspop-Attitüde. Die Musik strahlt, wummert, quietscht manchmal und tänzelt - alles sehr frisch, mit meist ungestümen Drive, unangepasst eingängig und liebenswürdig - eine großartige Bereicherung der deutschen Popszene.
2. Isolation Berlin - "Und aus den Wolken tropft die Zeit"
Isolation Berlin mit "Verschliesse Dein Herz" von ihrem Debüt "Und aus den Wolken tropft die Zeit": Eine Spur melancholisch, aber dabei herrlich angekotzt ist das Post-Punk-Quartett, das schlagartig mit Erscheinen seines Debüts als Heilsbringer des deutschsprachigen Indierocks bejubelt wurde.
Ich bin extrem hype-skeptisch, aber Isolation Berlin verdienen die Aufmerksamkeit zu Recht für ihre Schrammel-Sounds zu psychologisch-philosophischen Texten und lässig-poppigen Melodien. Wie sie ihr desolates, persönliches Lebensgefühl kunstvoll mit Weltzustandskritik überblenden – genial.
3. Dota - "Keine Gefahr"
Keine Band zum Rumreichen in Unterhaltungsshows – aber eine Band zum Erinnern daran, das Rock deutlich mehr sein kann als Coolness-Simulation.
Die Band Dota mit "Grenzen" von ihrem Album "Keine Gefahr": 2016 brachte dem Berliner Quartett rund um Frontfrau Dota Kehr schon den Preis der Deutschen Schallplattenkritik – nicht automatisch ein Qualitätssiegel, hier aber erfreulich, mal eine Band geehrt zu sehen, die gleichermaßen kunstvoll wie witzig mit Klängen wie Worten umgeht. Ob sie die Festung Europa kritisiert, einen eitlen Rennradfahrer aufs Korn nimmt oder sich die inneren Monster vorknöpft – Dotas Wortwahl beschert dem Hörer Einsichten in die Absurdität der Welt.
Ihre kritische Frechheit schleicht sich auch in die musikalische Untermalung - leichtfüßig, zwischen poppig, jazzig und südamerikanisch – immer mit einem etwas schrägen Anstrich – für mich unbedingt herausragend.
4. Höchste Eisenbahn - "Wer bringt mich jetzt zu den anderen"
Die Höchste Eisenbahn mit "Nicht atmen" von ihrem Zweitling "Wer bringt mich jetzt zu den anderen": So elegant bekommt Pop in Deutschland kein anderer hin - dunkel schimmernd, sehnsuchtsvoll, nostalgisch - ein reich verwobener Sound, aus vielen Schichten gewebt mit einem unwiderstehlichen, konstanten Fluss.
Die Texte sind poetisch-nachdenkliche Kurzgeschichten - wollen nicht die Welt erklären, höchstens das Leben von Figuren, die mit dem Alltag ringen, die immer etwas abseits stehen und die Hektik des Lebens von außen betrachten. Auch hier eine wunderbare Symbiose aus tiefgehenden Texten und besonderer Musik.
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