Schubert und Mendelssohn zum Advent
Bald ist erster Advent – und die Plattenfirmen überbieten sich wie jedes Jahr mit Wiederveröffentlichungen und mehr oder minder geschmackvollen Weihnachts-CDs. Einige der Neuerscheinungen – wie "Raunächte" von LaCapella – sind aber doch hörenswert.
LaCapella: Raunächte – The Twelve Nights after Christmas
Aus dem barocken Einerlei von Trompetenkonzerten und Weihnachtsoratorium fällt die CD des Ensembles LaCapella heraus: "Raunächte".
Die Raunächte sind die Nächte zwischen Weihnachten und den Heiligen Drei Königen am 6. Januar. Nächte, voll mit Mythen, Märchen und Zauberischem. Diesen zwölf Nächten hat LaCapella zwölf Werke zugeordnet. Von Mendelssohn Bartholdy bis zu zeitgenössischen skandinavischen Komponistinnen und Komponisten. Kompositorisch nicht unbedingt das Allerspannendste, eine CD, auf der, wie die Plattenfirma schreibt, "klare, kalte Nächte und wärmender Kerzenschein zusammentreffen" – aber nicht gerade "Alternative Christmas".
Amarcord: Tenebrae
Dann doch lieber das "Dunkle" auf "Tenebrae" vom Ensemble amarcord. Musik vom 14. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Auch hier dem Thema eher locker verbunden, aber ideenreich zusammengestellt und hinreißend musiziert. Eine CD, die viel mehr bietet als die annoncierte "Musik der Einkehr und Versenkung".
Hans Christoph Begemann, Thomas Seyboldt: Franz Schubert
Es gibt über 700 Lieder von Franz Schubert - und Abertausende von Aufnahmen. Das Feld scheint bestellt. Wenn dann ein kleines Label eine Box mit 5 CDs veröffentlicht, Live-Mitschnitte von Konzerten des SWR, ist die Skepsis erst einmal groß. Gibt es Neues zu entdecken? Naja, Ersteinspielungen sind das natürlich nicht. Der Sänger Hans Christoph Begemann und der Pianist Thomas Seyboldt haben sich für ihre Liederabende an die Dichter gehalten. Einmal Goethe, einmal Schiller, einmal Hölty – und als krönender Abschluss die "Winterreise". Auch das ist nicht grundstürzend neu, aber die beiden haben durchaus auch manche sonst eher verschmähten Lieder mit aufgenommen. Dazu gibt es die Einführungsvorträge des Doyens der Schubert-Forschung, Walter Dürr – leider auf einer fünften CD, quasi als Anhang, schöner wäre es gewesen, dieses diskursive Element in den musikalischen Ablauf zu integrieren.
Begemann und Seybold musizieren seit einem Vierteljahrhundert zusammen, sie kennen sich in und auswendig – und dieses blinde Verstehen zeichnet auch die Interpretationen aus. Eine intensive Schubert-Erfahrung, originell aufgemacht, in einem Pappkarton und in Seidenpapier eingeschlagen, wie alle Editionen des Labels bastille musique, mit allen Texten und ausführlichem Booklet. So soll es sein.
Cecilia & Sol: Dolce Duello
Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein weiteres reines Marketing-Produkt: Cecilia Bartoli und Sol Gabetta. Zwei Superstars lächeln im Stil einer 50er-Jahre-Urlaub-auf-Capri-Werbung vom Cover eines Albums, das auch noch "Dolce Duello" heißt. Die Plattenfirma schwärmt me-too-verdächtig von "zwei der hinreißendsten Frauen der klassischen Musikszene". Und meint damit hoffentlich vor allem die künstlerische Qualität von Bartoli und Gabetta.
Auf der CD dann "eine Reihe von atemberaubenden Duellen und staunenerregenden Arien". Solcherart vorbereitet, macht man sich schon auf das Schlimmste gefasst. Und wird eines Besseren belehrt. "Atemberaubende Duelle"? – Eher nicht. Aber sehr wohl staunenerregende Virtuosität und Musikalität in klug ausgesuchten barocken Arien. Man hört den Beiden ausgesprochen gern zu, wie sie mit spielerischer Lust sich gegenseitig inspirieren, miteinander wetteifern oder auch sich verbünden. Nur das abschließende Boccherini-Cellokonzert ist einigermaßen entbehrlich. Mit den dramaturgisch ausgefeilten Konzeptalben, die Cecilia Bartoli in den letzten Jahren veröffentlicht hat (gerne mit mehrere hundert Seiten starkem Booklet), kann diese CD nicht mithalten. Aber sie ist auf eine sehr vergnügliche Weise ernsthaft.