Das neue Gotteslob mit Problemen
Gesangbücher sind mehr als nur eine Sammlung von Kirchenliedern. Sie sollen Lieder und Texte enthalten für möglichst jede Situation, in der der Gläubige Beistand oder Musik brauchen könnte. Umso katastrophaler, dass mindestens ein Drittel der neuen Bücher auf dem falschen Papier gedruckt wurde und deshalb unbrauchbar ist.
Der Kammerchor der St. Hewigskathedrale, der Bistumskirche des Erzbistums Berlin, gab den Gästen einen Vorgeschmack. Er sang Lieder aus dem neuen Gotteslob, dem Gebets- und Gesangbuch der deutschen Katholiken, das kürzlich im Kulturkaufhaus Dussmann in Berlin von Erzbischof Kardinal Woelki vorgestellt wurde. Nach beinahe 40 Jahren löst das neue Gotteslob seinen Vorgänger ab, der 1975 eingeführt wurde.
"Jede Generation hat das Recht auf neue Lieder und jetzt sind ja seit 1975 schon mindestens anderthalb Generationen vorbei und es ist einfach dran, dass man Vieles aus der damaligen Zeit anschaut, würdigt und aber auch die neuen Akzente, die in der Zwischenzeit entstanden sind. Wir stehen vor pastoral völlig geänderten Verhältnissen und jetzt ist die Frage, was kann oder muss in ein neues Gesangbuch rein."
Kirchenmusiker Martin Ludwig ist Diözesanbeauftragter für das neue Gotteslob im Erzbistum Berlin. Er konnte beobachten, dass der Gesang im Gottesdienst, auch wegen rückläufiger Mitgliederzahlen und der Überalterung vieler Gemeinden, zurückgegangen ist. Andererseits ist das Singen in der Kinder- und Jugendarbeit neue Wege gegangen. Und Gemeindegruppen mit speziellem geistlichen Profil nutzen Lieder und Gesänge, die sich nicht im alten Gotteslob finden. So ist über die Jahre ein vielfältiges Repertoire neuer und alter geistlicher Musik ein-gesetzt worden, das im Gesangbuch nicht vorkam. Auch der Priestermangel und die zunehmende Bedeutung des Laienengagements haben Einfluss genommen auf die Art des Singens in den Gemeinden. Deshalb wurden diese Erfahrungen in die Entstehung des neuen Gotteslobs einbezogen.
"Das ganz Neuartige an dem Entstehungsprozess dieses Gesangbuches war, dass man mit einer sogenannten Akzeptanzerhebung begonnen hat, nämlich in den Gemeinden wurden repräsentative Umfragen vorgenommen, was war gut am alten Gotteslob und was hat gefehlt, nicht nur aus der Sicht der Fachleute, sondern wirklich aus der Sicht der Basis, was hat sich bewährt, was hat sich nicht bewährt und was sollte zusätzlich rein kommen."
Das war 2003. Zwei Jahre zuvor hatten die Deutsche und die Österreichische Bischofskonferenz und der Bischof von Bozen-Brixen den Auftrag zur Erarbeitung des neuen Gotteslobs erteilt. Eine Kommission aus Liturgiewissenschaftlern, Kirchenmusikern und Theologen machte sich an die Arbeit. Im Januar 2013 war es so weit. Nach zwölf Jahren Entstehungszeit begann der Druck des neuen Gesangbuchs für die Katholiken in Deutschland, Österreich und Südtirol. Und es begannen die Probleme, denn wie Stefan Förner, Pressesprecher im Erzbistum Berlin, sagt:
"Die einen wurden gedruckt und auf dem richtigen Papier und richtig gedruckt. Die zweiten wurden gedruckt, aber auf dem falschen Papier und die dritten wurden noch gar nicht gedruckt und man weiß noch gar nicht, ob man das richtige Papier gekauft hat."
Der Auftrag war an die Druckerei C.H. Beck in Nördlingen gegeben worden wegen ihrer langjährigen Erfahrung im Dünndruck-Bereich. Denn das neue Gotteslob sollte auf Dünndruckpapier gedruckt werden. Die Ansage war, den Papiertyp "Thin opaque" zu verwenden. Die Druckerei hat aber noch anderes Papier eingesetzt. So sagt es Matthias Kopp, Presse-sprecher der Deutschen Bischofskonferenz.
Und das ist so dünn, dass Seiten durchscheinen, wodurch das Lesen erschwert wird. Hat die Druckerei aus Kostengründen den anderen Papiertyp eingesetzt? Und welchen Anteil haben die Bistumsverlage, die für die jeweiligen Bistumsausgaben zuständig sind, an der Misere? Michael Birkner, Geschäftsführer des St. Benno-Verlages, der die Ausgabe für die ostdeutschen Bistümer Berlin, Dresden-Meißen, Erfurt, Magdeburg und Görlitz verantwortet, erklärte in Berlin:
"Die Verantwortung für dieses Buchprojekt liegt in den Händen des Verlages. Insofern ist natürlich auch das Controlling auf der Seite des Verlages. Wie das andere Diözesen gehandhabt haben, kann ich Ihnen nicht sagen. Wir haben unsere Probedrucke bekommen, die waren in Ordnung und dann haben wir sie freigegeben und insofern war das für uns eine gewisse Überraschung, als wir dann von den Komplikationen erfahren haben."
Inzwischen ist auch die Ausgabe des St. Benno-Verlages betroffen. Die ersten gelieferten Exemplare wiesen deutliche Mängel auf. Wie der Verlag mitteilt, gestand die Druckerei C.H. Beck auf seine Nachfrage ein, dass sie knapp ein Drittel der bestellten Auflage nicht auf dem vom Verlag angesagten Papier gedruckt habe. Auf alle beteiligten Bistümer bezogen ist von einer Million Mängelexemplaren die Rede. Fast ein Drittel der bestellten 3,6 Millionen.
Neben der zurückgewiesenen Exemplare seitens der ostdeutschen Bistümer haben die von Speyer, Trier, Freiburg, Köln, Regensburg, Limburg, Paderborn, Mainz, Eichstätt, Bamberg, Augsburg und München-Freising die Annahme verweigert - über die Hälfte der deutschen Bistümer. Und das Südtiroler Bistum Bozen-Brixen, das die schlechteste Qualität erhalten haben soll. Es hat die Vereinigung der Deutschen Diözesen, die die betroffenen Bistümer in Deutschland vertritt, mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragt. Jetzt wird geklagt. Wie der Rechtsstreit zwischen den Bistümern und der Druckerei C.H. Beck ausgeht, ist noch offen. Gerüchte sagen, dass die Druckerei von der Deutschen Bischofskonferenz einen siebenstelligen Schadenersatz verlangt.
Und wie ist es geworden, das neue Gesangbuch der deutschsprachigen Katholiken? Es ist umfänglicher als das vorige. Gewachsen ist der Anteil der Lieder, die gemeinsam mit anderen christlichen Konfessionen gesungen werden können. Aber auch manches ältere, gern gesungene romantische Lied wurde wieder aufgenommen. Zu den gänzlich neuen Liedern gehört eine Vertonung des Sonnengesangs von Franz von Assisi. Neben dem reichen Bestand katholischer Lieder und liturgischer Gesänge sind solche aus der protestantischen, der anglikanischen und der orthodoxen Tradition eingeflossen. Einen weiten Bogen von der Gregorianik, über Taizé-Gesänge bis zum neuen geistlichen Lied hat das Gotteslob geschlagen. Eine Vielfalt, die dem vielfältigen Einsatz der Lieder und Gesänge entspricht.
"Das Buch soll für den Bereich der Schule, für den Bereich der Sakramentenvorbereitung, für den häuslichen Bereich in Familie und Kommunitäten Verwendung finden und eben nicht nur für den Bereich des Gottesdienstes. Das Buch ist sehr vielfältig. Man wollte einfach und war auch gezwungen, diese verschiedenen Stile, die in den Gemeinden sich wirklich durchgesetzt haben, dass man die berücksichtigt."
"Ein großer Wurf – auf der Höhe der Zeit". So hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung das neue Gotteslob, auch wegen seiner ansprechenden Gestaltung, charakterisiert. Umso misslicher ist das Druckdebakel. Wer wem Schadenersatz zu zahlen hat, wem welche Schuld zugesprochen wird, bleibt abzuwarten. Ein baldiges Ergebnis wäre wünschenswert, damit das Gebets- und Gesangbuch allen Gemeinden zu seiner Einführung am ersten Advent vorliegt. "Wir rechnen nicht damit.", sagt der Pressesprecher des Bistums Speyer Markus Herr und gibt damit wohl der Skepsis Vieler Ausdruck.
"Jede Generation hat das Recht auf neue Lieder und jetzt sind ja seit 1975 schon mindestens anderthalb Generationen vorbei und es ist einfach dran, dass man Vieles aus der damaligen Zeit anschaut, würdigt und aber auch die neuen Akzente, die in der Zwischenzeit entstanden sind. Wir stehen vor pastoral völlig geänderten Verhältnissen und jetzt ist die Frage, was kann oder muss in ein neues Gesangbuch rein."
Kirchenmusiker Martin Ludwig ist Diözesanbeauftragter für das neue Gotteslob im Erzbistum Berlin. Er konnte beobachten, dass der Gesang im Gottesdienst, auch wegen rückläufiger Mitgliederzahlen und der Überalterung vieler Gemeinden, zurückgegangen ist. Andererseits ist das Singen in der Kinder- und Jugendarbeit neue Wege gegangen. Und Gemeindegruppen mit speziellem geistlichen Profil nutzen Lieder und Gesänge, die sich nicht im alten Gotteslob finden. So ist über die Jahre ein vielfältiges Repertoire neuer und alter geistlicher Musik ein-gesetzt worden, das im Gesangbuch nicht vorkam. Auch der Priestermangel und die zunehmende Bedeutung des Laienengagements haben Einfluss genommen auf die Art des Singens in den Gemeinden. Deshalb wurden diese Erfahrungen in die Entstehung des neuen Gotteslobs einbezogen.
"Das ganz Neuartige an dem Entstehungsprozess dieses Gesangbuches war, dass man mit einer sogenannten Akzeptanzerhebung begonnen hat, nämlich in den Gemeinden wurden repräsentative Umfragen vorgenommen, was war gut am alten Gotteslob und was hat gefehlt, nicht nur aus der Sicht der Fachleute, sondern wirklich aus der Sicht der Basis, was hat sich bewährt, was hat sich nicht bewährt und was sollte zusätzlich rein kommen."
Das war 2003. Zwei Jahre zuvor hatten die Deutsche und die Österreichische Bischofskonferenz und der Bischof von Bozen-Brixen den Auftrag zur Erarbeitung des neuen Gotteslobs erteilt. Eine Kommission aus Liturgiewissenschaftlern, Kirchenmusikern und Theologen machte sich an die Arbeit. Im Januar 2013 war es so weit. Nach zwölf Jahren Entstehungszeit begann der Druck des neuen Gesangbuchs für die Katholiken in Deutschland, Österreich und Südtirol. Und es begannen die Probleme, denn wie Stefan Förner, Pressesprecher im Erzbistum Berlin, sagt:
"Die einen wurden gedruckt und auf dem richtigen Papier und richtig gedruckt. Die zweiten wurden gedruckt, aber auf dem falschen Papier und die dritten wurden noch gar nicht gedruckt und man weiß noch gar nicht, ob man das richtige Papier gekauft hat."
Der Auftrag war an die Druckerei C.H. Beck in Nördlingen gegeben worden wegen ihrer langjährigen Erfahrung im Dünndruck-Bereich. Denn das neue Gotteslob sollte auf Dünndruckpapier gedruckt werden. Die Ansage war, den Papiertyp "Thin opaque" zu verwenden. Die Druckerei hat aber noch anderes Papier eingesetzt. So sagt es Matthias Kopp, Presse-sprecher der Deutschen Bischofskonferenz.
Und das ist so dünn, dass Seiten durchscheinen, wodurch das Lesen erschwert wird. Hat die Druckerei aus Kostengründen den anderen Papiertyp eingesetzt? Und welchen Anteil haben die Bistumsverlage, die für die jeweiligen Bistumsausgaben zuständig sind, an der Misere? Michael Birkner, Geschäftsführer des St. Benno-Verlages, der die Ausgabe für die ostdeutschen Bistümer Berlin, Dresden-Meißen, Erfurt, Magdeburg und Görlitz verantwortet, erklärte in Berlin:
"Die Verantwortung für dieses Buchprojekt liegt in den Händen des Verlages. Insofern ist natürlich auch das Controlling auf der Seite des Verlages. Wie das andere Diözesen gehandhabt haben, kann ich Ihnen nicht sagen. Wir haben unsere Probedrucke bekommen, die waren in Ordnung und dann haben wir sie freigegeben und insofern war das für uns eine gewisse Überraschung, als wir dann von den Komplikationen erfahren haben."
Inzwischen ist auch die Ausgabe des St. Benno-Verlages betroffen. Die ersten gelieferten Exemplare wiesen deutliche Mängel auf. Wie der Verlag mitteilt, gestand die Druckerei C.H. Beck auf seine Nachfrage ein, dass sie knapp ein Drittel der bestellten Auflage nicht auf dem vom Verlag angesagten Papier gedruckt habe. Auf alle beteiligten Bistümer bezogen ist von einer Million Mängelexemplaren die Rede. Fast ein Drittel der bestellten 3,6 Millionen.
Neben der zurückgewiesenen Exemplare seitens der ostdeutschen Bistümer haben die von Speyer, Trier, Freiburg, Köln, Regensburg, Limburg, Paderborn, Mainz, Eichstätt, Bamberg, Augsburg und München-Freising die Annahme verweigert - über die Hälfte der deutschen Bistümer. Und das Südtiroler Bistum Bozen-Brixen, das die schlechteste Qualität erhalten haben soll. Es hat die Vereinigung der Deutschen Diözesen, die die betroffenen Bistümer in Deutschland vertritt, mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragt. Jetzt wird geklagt. Wie der Rechtsstreit zwischen den Bistümern und der Druckerei C.H. Beck ausgeht, ist noch offen. Gerüchte sagen, dass die Druckerei von der Deutschen Bischofskonferenz einen siebenstelligen Schadenersatz verlangt.
Und wie ist es geworden, das neue Gesangbuch der deutschsprachigen Katholiken? Es ist umfänglicher als das vorige. Gewachsen ist der Anteil der Lieder, die gemeinsam mit anderen christlichen Konfessionen gesungen werden können. Aber auch manches ältere, gern gesungene romantische Lied wurde wieder aufgenommen. Zu den gänzlich neuen Liedern gehört eine Vertonung des Sonnengesangs von Franz von Assisi. Neben dem reichen Bestand katholischer Lieder und liturgischer Gesänge sind solche aus der protestantischen, der anglikanischen und der orthodoxen Tradition eingeflossen. Einen weiten Bogen von der Gregorianik, über Taizé-Gesänge bis zum neuen geistlichen Lied hat das Gotteslob geschlagen. Eine Vielfalt, die dem vielfältigen Einsatz der Lieder und Gesänge entspricht.
"Das Buch soll für den Bereich der Schule, für den Bereich der Sakramentenvorbereitung, für den häuslichen Bereich in Familie und Kommunitäten Verwendung finden und eben nicht nur für den Bereich des Gottesdienstes. Das Buch ist sehr vielfältig. Man wollte einfach und war auch gezwungen, diese verschiedenen Stile, die in den Gemeinden sich wirklich durchgesetzt haben, dass man die berücksichtigt."
"Ein großer Wurf – auf der Höhe der Zeit". So hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung das neue Gotteslob, auch wegen seiner ansprechenden Gestaltung, charakterisiert. Umso misslicher ist das Druckdebakel. Wer wem Schadenersatz zu zahlen hat, wem welche Schuld zugesprochen wird, bleibt abzuwarten. Ein baldiges Ergebnis wäre wünschenswert, damit das Gebets- und Gesangbuch allen Gemeinden zu seiner Einführung am ersten Advent vorliegt. "Wir rechnen nicht damit.", sagt der Pressesprecher des Bistums Speyer Markus Herr und gibt damit wohl der Skepsis Vieler Ausdruck.