Streit um Ai Weiweis Fotografien
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Das Museum M+ in Hongkong soll ein Aushängeschild der Stadt werden. Doch noch vor der Eröffnung ist von Zensur die Rede. Die Veränderungen im politischen Klima der Stadt berührten auch die Kunstszene, sagt die Journalistin Ruth Kirchner.
Wann genau das neue Museum M+ in Hongkong eröffnet werden soll, steht noch nicht fest. Doch es soll ein Aushängeschild für die Stadt werden. Das Museum ist Teil eines großen Kunst- und Kulturareals auf der Halbinsel Kowloon, einem belebten Stadtteil der Sonderverwaltungszone Hongkong.
Vor allem die Sammlung des Schweizers Uli Sigg soll im M+ ausgestellt werden. Sie gilt als eine der weltweit größten Sammlungen chinesischer Kunst. Unter den rund 1500 Werken sind 26 Werke des chinesischen Künstlers Ai Weiwei.
Ärger um chinakritische Kunst
Ai Weiwei gilt als regimekritischer Künstler. Um ein Werk von ihm gibt es nun im Vorfeld der Museumseröffnung Ärger. Die Fotografie aus den 90er-Jahren zeigt den Tiananmen-Platz in Peking und den Mittelfinger des Künstlers. Ob dieses Foto in Hongkong ausgestellt werden darf, sei nach wie vor noch nicht klar, sagt die Journalistin Ruth Kirchner, die viele Jahre als Korrespondentin aus China berichtete.
"Es gibt da etwas widersprüchliche Äußerungen der Museumsleitung", so Ruth Kirchner. Einerseits sei angeblich nie geplant gewesen, Ai Weiweis Fotografie zu zeigen. Andererseits heiße es, dass es überhaupt kein Problem sei, diese Arbeiten von Ai Weiwei zu zeigen.
Das erste könne man vielleicht als "Einknicken vor den pekingtreuen Kritikern in Hongkong lesen, die gegen die Arbeiten von Ai Weiwei Front gemacht haben." Doch lasse sich das andere Statement auch "als Verteidigung der Kunstfreiheit" deuten. "Ich bin mir da noch nicht ganz sicher, wie sich das Museum eigentlich positioniert", sagt Kirchner.
Auch die Politik bleibe in diesem Punkt etwas widersprüchlich. "Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam hat zumindest gesagt, dass es so etwas wie Kunstfreiheit gibt", sagt Kirchner.
"Aber sie betont auch in all ihren Äußerungen immer wieder, dass das nationale Sicherheitsgesetz, das Peking Hongkong letztes Jahr aufgedrückt hat, eingehalten werden muss. Dann fragt man sich natürlich immer, weil dieses Gesetz sehr vage formuliert ist: Was kann man noch sagen, was kann man noch zeigen?" Was alles unter das Sicherheitsgesetz falle, sei unklar.
Der Kunstsammler Uli Sigg habe mehrfach den Wunsch geäußert, dass seine Sammlung in Asien zu sehen sei und auch Chinesen Zugang dazu haben müssten. Kunst müsse provozieren, so Sigg.
"Ich kann mir im Moment nicht so wirklich vorstellen, dass Uli Sigg seine ganze Sammlung abzieht", sagt Kirchner. "Sie bildet quasi den Grundstock dieses riesigen Museums. Aber man muss natürlich schon sehr genau hinschauen, wenn das Museum eröffnet wird: Was wird da gezeigt? Und wie frei sind Kunst und Kultur in Hongkong tatsächlich noch?"
Politischer Druck aus dem pekingtreuen Lager
Das M+ sei ein Prestigeobjekt, das auch Touristen anziehen soll.
Über die inhaltliche Konzeption sei bislang allerdings "relativ wenig bekannt. Und ich glaube, deshalb wird schon im Vorfeld politischer Druck aufgebaut. Der kommt sehr aus diesem pekingtreuen Lager in der Stadt, das diese Debatte um Ai Weiweis Foto angestoßen hat", erklärt Kirchner.
Die Kunstszene ist verunsichert
Hongkong sei für den Kunstmarkt nach wie vor sehr wichtig. Das liege auch daran, dass man Kunstwerke ohne Zölle, ohne Steueraufschläge ein- und ausführen könne. Das mache die Stadt für den Markt attraktiv.
Anders sehe es für die Kunstszene aus. "Da ist die Angst und Verunsicherung tatsächlich genauso groß wie in anderen Gesellschaftsbereichen", sagt Kirchner.
Fast jede Woche gebe es neue Meldungen aus Hongkong, dass Freiheiten eingeschränkt werden. Dieses politische Klima schlage sich auf die ganze Stadt nieder. "Davon wird ganz sicherlich auch dieses Museum und dieser große Kulturkomplex nicht unberührt bleiben", so Kirchner.
(nho)